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Zustand der Fukushima-Arbeiter stabil Sorge vor Strahlen wächst

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Arbeiter versuchen einen Generator zu reparieren.

(Foto: REUTERS)

Sie kämpfen seit Tagen gegen den Super-GAU. Nun werden drei Männer am Atomkraftwerk Fukushima verstrahlt. Der AKW-Betreiber betont, die Männer hätten keine schweren Gesundheitsschäden davongetragen. Immer neue Probleme bremsen die Arbeiten am Katastrophen-AKW. Umweltschützer nennen die Situation dramatisch. In Tokio geht die Belastung im Leitungswasser zurück.

Zwei Wochen nach dem Mega-Erdbeben werden an der Atom-Ruine in Fukushima immer mehr Arbeiter verstrahlt. Drei Männer erledigten im Tiefgeschoss eines Turbinengebäudes Kabelarbeiten. Dabei soll zwei von ihnen radioaktiv belastetes Wasser in die Schuhe gelaufen sein. Sie kamen mit Verbrennungen in eine Spezialklinik. Inzwischen heißt es, die Männer hätten anscheinend keine schweren Gesundheitsschäden davongetragen. Die Männer leiden nicht an Übelkeit oder Schmerzen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Betreiberfirma Tepco berichtete. Dies wären Symptome, die auf eine Strahlenerkrankung hinweisen würden.

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Die verstrahlten Arbeiter werden ins Krankenhaus gebracht.

(Foto: AP)

Sie sollen nun vom Krankenhaus in Fukushima in die Stadt Chiba südlich von Tokio verlegt werden, und zwar in das nationale Institut für Strahlenforschung, wie Kyodo berichtet. Hier sollen sie voraussichtlich vier Tage beobachtet werden.

Die verletzten Techniker wollten in Reaktor 3 in Fukushima Eins die Kabel reparieren, um das Kühlsystem wieder in Gang zu bringen. Sie hätten in radioaktiv belastetem Wasser gestanden, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Sie seien einer Strahlendosis von rund 170 oder 180 Millisievert ausgesetzt gewesen, sagte Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde NISA.

In Fukushima dürfen die Helfer bei jedem Einsatz eigentlich nur 150 Millisievert abbekommen. Über ein Jahr sind für sie inzwischen 250 Millisievert erlaubt. Der Nuklearmediziner Andreas Bockisch vom Universitätsklinikum in Essen erklärte: "Diese Werte liegen unter der Belastungsgrenze, ab der mit ernsthaften Auswirkungen zu rechnen ist. Bei 150 Millisievert kommt es statistisch zu fünf Krebserkrankungen pro 1000 Menschen."

Verbrannte Beine

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Arbeiter an dem havarierten Atomkraftwerk.

(Foto: REUTERS)

Die zwei Männer, die ins Krankenhaus mussten, hatten sich vermutlich durch sogenannte Betastrahlen Verbrennungen an den Füßen zugezogen, hatte Kyodo unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco berichtet. Schon zuvor waren in Fukushima Eins Arbeiter verstrahlt und anders verletzt worden. Insgesamt hätten nun 17 Arbeiter eine Strahlenbelastung von mehr als 100 Millisievert abbekommen, berichtete Kyodo.

Die Versuche, die Krisenreaktoren zu kühlen, kommen insgesamt nicht entscheidend voran. Die Lage bleibt dramatisch. Die Arbeiten in Fukushima gingen trotz des Unfalls weiter. Ziel ist es, das Pump- und Kühlsystem der beschädigten Reaktoren zu reparieren. In Reaktor 3 mussten sich einige Arbeiter nach den Verletzungen ihrer Kollegen allerdings in Sicherheit bringen.

Die japanische Regierung dämpfte die Hoffnungen auf schnelle Besserung nach der Dreifachkatastrophe vom 11. März. "Nach gegenwärtiger Lage dürfen wir nicht zu optimistisch sein", sagte Edano mit Blick auf das Unglücks-AKW. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace urteilte, die Gesamtsituation sei "nach wie vor dramatisch". Der Leiter des Otto Hug Strahleninstituts, Prof. Dr. Edmund Lengfelder, betonte, in Fukushima handele es sich "zweifellos um einen mit massiven Freisetzungen von Radioaktivität aus vermutlich mehreren Kraftwerksblöcken. Wegen der großflächigen Ausbreitung der Radioaktivität sind inzwischen nur noch Maßnahmen zur Eingrenzung der Strahlenbelastung möglich, aber nicht zur völligen Vermeidung."

Reinhold Thiel, Vorstandsmitglied der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW, sorgt sich insbesondere auch um die Gefahren, die aus dem Block 3 drohen. "Dort gibt es plutoniumhaltige MOX-Brennelemente und dort steigt immer wieder schwarzer Rauch auf. Meine Sorge ist, dass dort längst größere Mengen Plutonium freigesetzt sein könnten." Die IPPNW fordert die Bundesregierung auf, sich für eine umgehende Veröffentlichung der sicher schon vorhanden Plutonium-Messdaten einzusetzen.

Pflugbeil: Problem geht erst los

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Schwarzer Rauch aus Reaktor 3.

(Foto: dpa)

Auch der Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, sieht die Situation in dem Kernkraftwerk keineswegs entschärft. "Wir haben dort jetzt schon Tschernobyl-Verhältnisse", sagte Pflugbeil n-tv.de. Der Zerfall des radioaktiven Materials gehe weiter.

Pflugbeil wies auf Messergebnisse der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in der Umgebung von Fukushima hin: Die Strahlenbelastungen dort seien vergleichbar mit den Belastungen nach dem Unglück von Tschernobyl. Der Experte bezeichnete es als "Medienproblem", dass die Nachrichten von der Reaktorkatastrophe langsam in den Hintergrund rückten: "Faktisch geht das Problem in Japan erst los."

Meerwasserkühlung birgt Risiken

Inzwischen türmt sich vor dem AKW-Betreiber Tepco ein neues Problem mit möglicherweise fatalen Folgen auf. Der ehemalige Reaktorsicherheitschef des US-Konzerns General Electric warnt vor neuen Risiken: Nach der Kühlung der Anlagen mit Meerwasser hätten sich in den Reaktoren große Mengen Salz angesammelt, das die Brennstäbe verkrusten und damit die Wasserkühlung blockieren könne, sagte Richard Lahey der "New York Times". General Electric hat das grundlegende Design der in Fukushima entwickelt.

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Arbeiter versuchen, die Stromversorgung wieder herzustellen.

(Foto: AP)

Lahey schätzte, dass sich im Reaktorblock 1 etwa 26 Tonnen Salz angesammelt haben könnten, in den größeren Blöcken 2 und 3 sogar jeweils 45 Tonnen. Ein Teil des Salzes könnte sich am Boden der Reaktoren abgelagert haben. Bei einer Erhitzung des Meerwassers sei es aber wahrscheinlich, dass sich Salz vor allem an den Brennstäben ablagere, hieß es in dem Zeitungsbericht.

Immer neue Probleme

Erneut stieg weißer Dampf über den Blöcken 1, 2 und 4 auf. Es sei das erste Mal, dass dies auch bei Block 1 beobachtet werde, berichtete der Sender NHK. Dort habe sich die Lage aber stabilisiert, sagte Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde. Im Kontrollraum brenne inzwischen wieder Licht. Im Block 1 sei die Temperatur wieder deutlich gesunken, nachdem sie zeitweise auf 400 Grad geklettert war. Allerdings stieg in dem Reaktor der Druck. Deswegen konnte weniger Meerwasser als geplant zur Kühlung von außen eingeleitet werden, sagte Nishiyama.

Das Abklingbecken der Brennstäbe von Block 4 wurde für mehrere Stunden von außen mit Wasser gekühlt. Unterdessen traten auch in dem bisher unkritischen Block 5 Probleme auf. Auch dort ist nun das Pumpsystem des Reaktors nach Angaben der NISA defekt. Die Kühlung sei ausgefallen. Die Situation sei momentan stabil, es müsse aber mit steigenden Temperaturen sowohl im Reaktor als auch im Abklingbecken gerechnet werden.

Wasser wieder weniger belastet

Bei der Radioaktivität im Leitungswasser in Tokio gab es eine vorläufige Entwarnung. In der Hauptstadt sank die Belastung des Leitungswassers mit radioaktivem Jod wieder unter den für Säuglinge festgelegten Grenzwert von 100 Becquerel pro Liter, wie Kyodo meldete. Doch in Geschäften wurde abgefülltes Wasser knapp - obwohl die Trinkwasser-Warnung aufgehoben wurde. Die Stadtverwaltung begann, 240.000 Flaschen Wasser an Familien mit Kleinkindern zu verteilen. Die japanische Regierung erwägt, mehr Flaschenwasser zu importieren.

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In der ganzen Welt werden Lieferungen aus Japan auf erhöhte Strahlenwerte überprüft.

(Foto: dpa)

In anderen Wasseraufbereitungsanlagen außerhalb von Tokio wurde eine erhöhte radioaktive Belastung festgestellt. Babys sollten das Wasser dort nicht trinken. Die Behörden hatten Schwierigkeiten, genug Vorräte an abgefülltem Wasser bereitzustellen. In einem Geschäft in der Präfektur Chiba wurden Kunden bevorzugt, die beweisen konnten, dass sie Kinder unter einem Jahr haben.

Die Verstrahlung von Lebensmitteln weitet sich aus, sagte Regierungssprecher Edano. Auch die Strahlenbelastung im Meer nahe Fukushima Eins stieg weiter. Wie Tepco mitteilte, wurde in der Nähe der Abflussrohre der Reaktorblöcke 1 bis 4 die bisher höchste Belastung gemessen.

Immer wieder Leichenfunde

Die Suche nach den Vermissten der Erdbebenkatastrophe gestaltet sich immer noch äußerst schwierig. Zwar ist die wichtigste Autobahn in der betroffenen Region wieder für den öffentlichen Verkehr frei. Doch vor allem in der Präfektur Fukushima können die Retter wegen der Atomgefahr schwer nach Vermissten suchen.

Offiziell liegt die Zahl der Toten nun bei mehr als 9700, mehr als 16.500 Menschen gelten noch als vermisst, berichtete der Sender NHK unter Berufung auf die Polizei. Mehr als 200.000 Menschen leben demnach noch in Notunterkünften. Immer wieder erschüttern Nachbeben die Region. Am Donnerstagabend gab es eines der Stärke 6,1 in der Krisenregion.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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