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Digitaler Drahtseilakt Das Auto der Zukunft fährt durch China

Zur CES Asien fährt ein Audi A7 Technikträger pilotiert durch Shanghai.

Zur CES Asien fährt ein Audi A7 Technikträger pilotiert durch Shanghai.

(Foto: Promo)

Für die Vernetzung von Autos ist China der ideale Testmarkt: Die Kunden sind jung und aufgeschlossen, die technologischen Herausforderungen komplex. Doch für die Autobauer ist die Kooperation mit Firmen wie Baidu und Google nicht ohne Risiko.

Manch ein Autofahrer in Shanghai wird sich am Montagmorgen gewundert haben. Da rollte ein Audi A7 durch die Innenstadt der chinesischen Metropole und ließ jeden Drängler freiwillig gewähren. Dabei ist es auf Chinas Straßen eher unüblich, anderen Verkehrsteilnehmern den Vortritt zu lassen. Wer genau hinschaute, erkannte jedoch, dass die Person auf dem Fahrersitz das Auto gar nicht kontrollierte. Stattdessen steuerte der Bordcomputer die Limousine in einem rund einstündigen Testlauf durch die Stadt - erfolgreich, ohne Schrammen.

Audi hat die Asienpremiere der Konsumentenelektronikmesse CES zum Anlass genommen, sein autonom fahrendes Modell mit der harten Realität des chinesischen Straßenverkehrs zu konfrontieren. "Wir setzen natürlich auch in China auf eine defensive Fahrweise des Bordcomputers. Zu allererst geht es um die Sicherheit der Insassen", sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg.

Bereits im Januar hatte der Hersteller am Rande der CES in Las Vegas den autonomen A7 auf der Langstrecke durch die Wüste getestet. Ein Klacks im Vergleich zum Autofahren in Shanghai. Die Herausforderungen für die Technologie dürften nirgends so komplex sein wie hier: Viele Straßen sind schlecht, die Witterungsbedingungen extrem und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer ist wenig vorhersehbar.

Audi-Rivale BMW vereinbarte deshalb schon im vergangenen Jahr ein Forschungsprojekt mit dem chinesischen IT-Konzern Baidu, der die mit Abstand größte chinesische Suchmaschine betreibt. Gemeinsam wollen BMW und Baidu Technologien für autonome Fahrzeuge entwickeln, die dem alltäglichen Wahnsinn auf Chinas Straßen gewachsen sind, beispielsweise ein hochauflösendes Kartensystem.

Baidu für Audi "ein Muss"

Audi hielt die bereits bestehende Partnerschaft des bayerischen Mitbewerbers nicht davon ab, ebenfalls näher an den chinesischen Techkonzern heranzurücken. Künftig integriert der Autobauer die Funktion "Baidu CarLife" in jene Autos, die der Konzern in China verkaufen will. Die Ingolstädter hoffen bei der Kooperation mit Baidu, die eigenen Fahrzeuge für chinesische Kunden in Zukunft noch attraktiver zu gestalten. "In zehn Jahren werden sie kein einziges Auto mehr verkaufen, wenn es nicht vernetzt ist", sagt Audi-Chef Rupert Stadler.

Einen Interessenkonflikt der Chinesen fürchtet man bei Audi indes weniger als die Gefahr, nötige Partnerschaften für einen Trend zu spät geschlossen zu haben. "Eine Win-Win-Situation", sieht Stadler deshalb für sein Unternehmen und die IT-Industrie. Es sei ein Muss, die vielen Angebote von Baidu in China zu integrieren, um den Kunden das bieten zu können, was sie möchten, heißt es. Dazu zählt eine mühelose Nutzung all jener Onlinedienste im eigenen Auto, die Konsumenten auch auf dem heimischen Sofa verwenden.

Auch mit dem IT-Konzern Google hat Audi durch die Open Automotive Alliance (OAA) vor wenigen Monaten eine engere Verbindung aufgenommen. Doch die Dringlichkeit zur totalen Digitalisierung spürt der Hersteller besonders in der Volksrepublik. Seine Kunden in China sind im Schnitt 36 Jahre alt, in den USA sind sie schon 51, in Europa gar 53 Jahre alt. Deshalb sei die Zusammenarbeit mit Baidu von immenser Bedeutung, weil die Käufer im Land viel mehr Technikbezug hätten als die in den alten Märkten.

Baidu und Google profitieren

Die Internetfirmen profitieren gleich auf zwei Ebenen. Die Vernetzung von Millionen Fahrzeugen mit ihren Applikationen stärkt nicht nur ihr Kerngeschäft. Gleichzeitig erhalten die Technologieunternehmen interessante Einsichten in den Automobilbau. Sowohl Baidu, aber auch Google und andere Technologiefirmen entwickeln ihre eigenen autonomen Fahrzeuge. Das Denken und Handeln der traditionellen Hersteller aus nächster Nähe zu erleben und zu verstehen, kann ihnen bei den eigenen Entwicklungen nützlich sein.

Bei Audi sieht man aber keine Alternative zur engen Zusammenarbeit mit den potenziellen Konkurrenten von morgen. Möglicherweise gebe es zurzeit einen Hype um die Digitalisierung, räumt Vorstandschef Stadler ein. "Aber irgendwann wird sie Realität. Und sie wird die Industrie länger beschäftigen, als wir uns das heute vorstellen können", sagt Stadler.

Audi hat sich deshalb auch zu einer Partnerschaft mit dem chinesischen Netzwerkspezialisten Huawei entschlossen. Das soll die reibungslose Vernetzung der Fahrzeuge in allen Winkeln Chinas sicherstellen. Auch weitere Kooperationen mit chinesischen Technologiefirmen hält Audi-Chef Stadler für sehr gut möglich. Somit verstrickt sich der Konzern zunehmend in eine hochsensible und streng überwachte Industrie, deren Kooperationsbereitschaft mit staatlichen Stellen als Grundlage ihres wirtschaftlichen Erfolges dient.

Für Audi, aber auch andere Hersteller bedeutet dies eine weitere Herausforderung bei der Sicherung von Kundendaten, aber auch von Informationen, die bei Forschung und Entwicklung eine elementare Rolle spielen. "Alle Daten, die das Fahrzeug betreffen, bleiben bei uns", versichert Stadler. Die Erfahrung quer durch alle Industrien in China lehrt jedoch auch, dass ausländische Unternehmen vor bösen Überraschungen nicht gefeit sein können.

Quelle: ntv.de

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