Unterhaltung

Sex, Drugs and Disco Sound Almodóvar lässt Liebende fliegen

"Fliegende Liebende" bestätigt ein hartnäckiges Vorurteil: Alle Stewards sind schwul!

"Fliegende Liebende" bestätigt ein hartnäckiges Vorurteil: Alle Stewards sind schwul!

"Wir werden versuchen, Ihnen den Aufenthalt an Bord so angenehm wie möglich zu gestalten" - die Standardansage aller Flugbegleiter. Aber wie sieht es aus, wenn Stewards sich mal so richtig ins Zeug legen? Drogen und Tanzeinlagen sind jedoch nicht alles, was den "Fliegenden Liebenden" in Pedro Almodóvars aktueller Komödie den Flug angenehm gestaltet.

Spanische Gitarren spielen auf, Maracas schlagen im Rhythmus und schon breitet sich das warme Gefühl von Sommerurlaub aus. Bevor man merkt, dass der südländische Sound eine Version von Beethovens "Für Elise" ist, strahlen sich Antonio Banderas und Penélope Cruz herrlich verliebt an. In Pedro Almodóvars Komödie "Fliegende Liebende" sind sie wieder einmal die Megastars des Ensembles. Trotzdem dürfen sie nur für einige Minuten auf der Leinwand glänzen - als Bodenpersonal eines Flughafens irgendwo in Spanien.

Kurz, aber heftig: Drei Minuten reichen dem Traumpaar Penélope Cruz und Antonio Banderas, um das Schicksal der "Fliegenden Liebenden" zu bestimmen.

Kurz, aber heftig: Drei Minuten reichen dem Traumpaar Penélope Cruz und Antonio Banderas, um das Schicksal der "Fliegenden Liebenden" zu bestimmen.

Ihr Auftritt ist kurz, aber schicksalhaft. Bezaubert von dem Anblick seiner Ehefrau Jessica (Penélope Cruz) vergisst Léon (Antonio Banderas) doch glatt, die Bremsklötze von dem Fahrwerk des Flugzeugs zu entfernen, das sich gerade für den Start vorbereitet. Das Unglück nimmt seinen Lauf. Als die Crew des Flugs 2549 von Madrid nach Mexiko-City die Misere bemerkt, befindet sie sich bereits in der Luft. Eine Notlandung wäre angesagt, aber in ganz Spanien ist keine einzige Landebahn frei. Also kreist die Maschine in Dauerschleife über den Wolken.

Drogen für alle

Pflichtbewusst klären die Stewards die Fluggäste auf - zumindest diejenigen, die noch bei Bewusstsein sind. Die Holzklasse ist dank Mescalin nämlich bereits außer Gefecht gesetzt. Überhaupt ist Drogenkonsum jeglicher Art Usus bei der Airline "Peninsula" (zum Glück eine fiktive Fluggesellschaft). Bald ist auch die Besatzung nicht mehr ganz nüchtern.

Angefangen mit dem Chefsteward Joserra (genial: Javier Cámara), der einen Tequila nach dem anderen kippt, werden sowohl Crew als auch Fluggäste von Minute zu Minute hemmungsloser. Irgendwann sind alle im Flugzeug zugedröhnt und es kommt, wie es kommen muss: eine Orgie bricht los. Ab jetzt lautet das Motto: jeder mit jedem und alle auf einmal. Das hat man von Almodóvar allerdings schon drastischer gesehen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle an Bord übereinander herfallen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle an Bord übereinander herfallen.

Sein letztes Werk, der Thriller "Die Haut, in der ich wohne", durchbrach die Grenzen sexueller Identität auf psychisch höchst verstörende Weise. Im Vergleich dazu ist "Fliegende Liebende" reinster Kindergarten. Das Spiel mit der(Homo-)Sexualität bleibt unterhaltsam. Selbstverständlich sind sämtliche Stewards schwul, der Kapitän des Flugzeugs (Antonio de la Torre) ist bisexuell und der Co-Pilot (Hugo Silva) weiß noch nicht so recht, was er eigentlich ist.

Von der ersten Minute an zündet Almodóvar ein wahres Feuerwerk von Gags. Der Humor reicht von Slapstick über Holzhammer bis abgründig. Anlehnungen an klassische amerikanische Screwball-Komödien sind unübersehbar. Aber bevor man sich fragt, ob das noch ein Almodóvar ist, den man hier schaut, überspitzt er die Situationen maßlos. Dann kommt die Extreme in Almodóvars Inszenierung zurück. Und dann wünscht man sich, man hätte dieses eine Mal nicht hingesehen.

Almodóvar ist Ästhetik pur

Kaum zu glauben, dass die bezaubernde Ruth (Blanca Suárez) von ihrem Geliebten verlassen wurde.

Kaum zu glauben, dass die bezaubernde Ruth (Blanca Suárez) von ihrem Geliebten verlassen wurde.

Andererseits hätte man dann den wie immer punktgenauen Einsatz von Farben und Licht verpasst. Auch in "Fliegende Liebende" bleibt Almodóvar seinem Stil treu und taucht den Set in leuchtende, satte Farben. Auf seinen Sinn für Ästhetik ist Verlass. Da ist die traumhaft schöne Blanca Suárez und auch Paz Vega sieht selbst als suizidgefährdete Depressive bezaubernd aus.

Ein Ensemble, das sich nicht nur äußerlich sehen lassen kann: Natürlich sind da Almodóvars frühe Entdeckungen Cruz und Banderas, die selbst auch nur kleinste Rollen übernehmen, wenn der Regisseur sie anfragt. Aber es braucht gar keinen Banderas, der zugegebenermaßen gerade unter Almodóvars Regie zeigen kann, dass er mehr ist als der Muster-Latino, den er in Hollywood geben muss (man denke nur an seine geniale Performance als diabolischer Arzt in "Die Haut, in der ich wohne").

"Fliegende Liebende" hat Javier Cámara. Auf seine Künste konnte sich Almodóvar bereits in "La mala Educación - Schlechte Erziehung" und "Sprich mit ihr" verlassen. Cámaras Darstellung eines schwulen Stewards kratzt an der Karikatur, rutscht aber nie ins Lächerliche ab. Er ist eine herzallerliebste Lästerschwester. Und man schaut ihm gern dabei zu, wie er daran verzweifelt, dass er einfach nicht lügen kann.

I’m so excited!

Almodóvars "Fliegende Liebende" ist auch eine kleine Hommage an die Achtzigerjahre. Das Design der Flugzeugkabine schafft das passende Flair. Was fehlt noch zum perfekten Achtziger-Feeling? Ach ja, ein Mega-Hit jenes Jahrzehnts. Den liefern die Pointer Sisters mit "I'm so excited" und damit auch gleich den Höhepunkt des Films. Die zuckersüßen Stewards legen eine herrliche Performance zur Unterhaltung der Business-Class-Passagiere hin. Man möchte aufspringen und mittanzen.

Wer einen Almodóvar mit dem Anspruch seiner Dramen "Zerrissene Umarmungen" oder gar "Alles über meine Mutter" erwartet, wird enttäuscht. Die Figuren sind wie immer sympathisch schrullig. Aber das Personal wird schnell unübersichtlich, sodass man die einzelnen Schicksale schnell aus den Augen verliert. Die verstrickten Handlungsstränge werden nicht ganz aufgedröselt. Und ja, die Emotionen sind erstaunlich oberflächlich für einen Almodóvar.

Kriegt Almodóvar jetzt die Krise?

Trotzdem ist die Komödie mit spanischem Charme unterhaltsam. Man könnte sich fragen, ob das jetzt alles wirklich einen Sinn ergibt. Aber bevor man ernsthaft darüber nachdenkt, hat man die Frage vor lauter Lachen wieder vergessen. Handwerklich macht der Exzentriker unter den Regisseuren alles richtig. Die Darsteller sind geschickt in Szene gesetzt, die Farben strahlen wie die spanische Sonne und die Musik trägt einen direkt an den Strand. "Fliegende Liebende" ist federleichtes, unterhaltsames Sommerkino.

Auf die Frage, welche Kritik an seiner Komödie ihn in eine echte Krise stürzen würde, antwortete Almodóvar: "Er wiederholt sich nur noch selbst in einer ziemlich unwitzigen Weise, alles an dem Film macht den Eindruck, dass Almodóvars beste Zeit wohl hinter ihm liegt, die Mühe, eines illegalen Downloads kann man sich also getrost sparen." Da kann Almodóvar ganz beruhigt sein, eine Krise muss er noch lange nicht bekommen. Ach ja: Tanzende Stewards sollten unbedingt zur Standardbesatzung in Flugzeugen gehören.

"Fliegende Liebende" startet am 4. Juli 2013 in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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