Zielscheibe Anne Hathaway Der neue Trend heißt Hass
05.03.2013, 08:43 Uhr
Nein, Anne Hathaway hat keinen Mundgeruch.
(Foto: dpa)
In Zeiten wie diesen haben Sie sicher Besseres zu tun, als sich für jeden Gossip zu interessieren, richtig? Die Queen hat Durchfall, Juan Carlos hat Hüfte, "Wir sind Papst" ist Geschichte. Deswegen regen wir uns jetzt über Miss Hathaway auf, die Oscar-Gewinnerin 2013! Die ist aber auch zu ... zu, ja was denn? Gut? Blöd? Hübsch? Hässlich?
Ein Streber soll sie angeblich sein. Spießig. Im Grunde langweilig. "Sie hat diese völlig übertriebene Art, sich ständig jeder Situation anzupassen, als wäre sie in einem Theaterstück", ist einer der Vorwürfe in sämtlichen sozialen Netzwerken und Kommentarfunktionen. Ein anderer: "Sie wirkt einfach nicht echt", und noch ein weiterer: "Momentan stehen wir eher auf Schauspielerinnen mit rundem Gesicht." Tja, da hat Miss Hathaway wohl den Trend verpennt - denn ihres ist ja nun mal eher hager und länglich. Aber kein Wunder, sie hatte ja gerade 12 Kilo abgenommen für ihre Rolle in "Les Miserables".
Apropos - dafür hat sie zwar einen Oscar bekommen, aber die Gunst des Publikums bringt ihr der ganze Aufwand dennoch nicht ein. Man empfindet sie als "zu verbissen, zu ehrgeizig". Wenn Robert de Niro 20 Kilo abnimmt und sich eine Glatze rasiert, ist das "Method Acting", wenn Anne Hathaway sich die langen, rehbraunen Haare für eine Rolle auf Bubi stutzt, dann ist das einfach nur schade.
Mäkelei an allem
Also - was hat sie ihren Hassern nun angetan? Denn völlig unabhängig davon, ob man sie mag oder nicht, eine Welle solchen Shitstorms hätte die schlechteste Schauspielerin aller Zeiten nicht einmal verdient. Auch nicht, wenn es ihr nicht gelingt, die wichtigste Rolle ihres Lebens zu spielen: Statt einfach nur sie selbst zu sein, versuche Hathaway ständig, jemand zu sein, den man besonders gerne haben sollte - nur leider gelinge es ihr nicht, wird geätzt. An allem wird eigentlich herumgemäkelt: An den Haaren (zu adrett), den Zähnen (zu groß), den Brüsten (zu viel Nippel im Prada-Fummel), ihrer "ganzen Art". Ist es vielleicht obendrein so, dass es ihr zu gut geht? Der bereits erwähnte Oscar, ihre glückliche Beziehung mit Adam Shulman, den sie in einer sehr privaten Zeremonie im Sommer 2012 heiratete, glückliche Kindheit mit Eltern, die sogar das Coming-out des Bruders locker wegsteckten, fehlerfreie Dankesreden bei den vielen Preisverleihungen, man könnte wohl ewig so fortfahren. Und das ist es wahrscheinlich! Die Frau ist zu perfekt, das kann kein Mensch ertragen.
Nehmen wir als Gegenbeispiel die momentan total angesagte und ebenfalls mit einem Oscar ausgezeichnete Jennifer Lawrence. Die ist derber, hat echten Mutterwitz und lacht sich spontan tot, wenn, sagen wir mal, der olle Jack Nicholson von hinten anschleicht und sie vor laufender Kamera anmacht. Wie hätte Anne Hathaway wohl reagiert? Sicher wäre sie auch freundlich geblieben, aber hätte sie rau und laut gelacht, als er sagte: "Sie sehen aus wie eine alte Freundin von mir", und sie ihn daraufhin fragte: "Und seh' ich vielleicht auch aus wie Ihre neue Freundin?" Nein, wahrscheinlich nicht, aber so schlagfertig ist nun mal nicht jede, und auch nicht jede traut sich zu sagen, dass der große alte Verführer des US-Kinos gerade stört. "Hey, Sie sind sehr unfreundlich, so dazwischenzureden, während ich hier interviewt werde", entfährt es Lawrence. Und was macht Nicholson? Lacht sich schlapp und entfernt sich, allerdings bloß, um sich Sekunden später von der anderen Seite wieder heranzupirschen.
Prada statt Valentino
Hathaway, tja, wäre sie überhaupt vom Anmacher aller Anmacher angemacht worden? Vermutlich nicht, er denkt sicher au ch: "Nee, diese großen Zähne, diese kurzen Haare, die mach' ich nicht an." Michelle Williams übrigens hat auch kurze Haare und große Zähne und wirkt eher schüchtern als witzig. Und trotzdem finden alle sie so süüüß!
Doch zurück zu Anne und ihren Schwächen: Die "Les Nipperables"-Geschichte mit ihrem Prada-Kleid, das sie bei den Oscars trug, ist auch so eine. Rücksichtsvoll wie sie ist, hatte sie darauf verzichtet, ihr ursprünglich geplantes Kleid von Valentino zu tragen, und zwar, weil Co-Star Amanda Seyfried ein ähnliches tragen wollte. Anne verzichtete, entschuldigte sich hinterher sogar bei Valentino, dass sie sein Kleid verschmäht habe, lernte dafür ihre Dankesrede total toll auswendig und kriegt seitdem nur auf die Mütze. In Prada sah man nämlich ihre Brüste wackeln und die Dankesrede war so perfekt, dass man ihr allein dafür schon einen Oscar geben müsste. Vor zwei Jahren, als sie mit dem Kollegen James Franco die Show moderierte, warf man den beiden schon vor, die langweiligsten Oscars aller Zeiten moderiert zu haben - aber das ist doch vielen schon passiert! Und es gab keine solche Hasswelle damals.
Hass und Rückendeckung
Diesen Hass auf die Schauspielerin ("Das Einzige, was ich noch mehr hasse als Anne Hathaway, ist Anne Hathaway, wenn sie weint") können ihre Kollegen und Kolleginnen nicht verstehen. Sie bekommt Rückendeckung von TV-Moderator Anderson Cooper, "Les Miserables"-Co-Star Amanda Seyfried oder auch Lena Dunham ("Girls"), die sagt: "Anne Hathaway ist eine Feministin. Und sie hat tolle Zähne". Sie war doch mal Amerikas Darling! Sie hatte einen Hochstapler zum Verlobten, und alle hatten Mitgefühl, als das herauskam. Was ist geschehen? Hat sie sich womöglich zu viel bei ihm abgeguckt?
Wenn man erst einmal auf so einer Schiene wie Anne Hathaway fährt, ist es schwer, da wieder herunterzukommen. Sie selbst hat die Häme natürlich mitbekommen. Doch selbst ihr Spruch zu ihrem Oscar-Kleid, das von einigen Modekritikern als durchaus okay, von anderen als "geht gaaaaar nicht" bewertet wurde, kann nun ins Lächerliche gezogen werden: "Vorne Business, hinten Party" beschrieb sie den Prada-Fummel und meinte damit wohl, dass es vorne herum nicht so viel zu sehen gäbe, dafür aber eben den gewaltigen Rückenausschnitt. Dass ihr ein "Nipplegate" ungeahnten Ausmaßes dazwischenfunken würde, konnte sie nicht ahnen. Und dass man ihr keine Party zutraut scheint wohl eine logische Konsequenz zu sein.
Was nun? Es ist nicht zu erklären, warum ausgerechnet Anne Hathaway all die Prügel einstecken muss - Natalie Portman, Rachel Weisz, Keira Knightley und Winona Ryder hätten sie doch ebenso verdient. Oder auch nicht ...
Quelle: ntv.de