All The Roadrunning Mark Knopfler & Emmylou Harris
09.05.2006, 09:30 UhrVon Manfred Bleskin
Eigentlich ist es wurscht, ob der Schotte aus Glasgow und die US-Amerikanerin aus Birmingham/Alabama tatsächlich eine so innige Beziehung pflegen wie die Photos im Booklet suggerieren. Der Eindruck ist jedenfalls da, und musikalisch harmonieren die beiden zweifellos ganz inniglich.
Hie der vom Rock and Roll zu einem der besten zeitgenössischen Countryinterpreten Konvertierte, da die wohl unbestrittene Countryqueen unserer Tage. Dass sich die beiden dann auch noch bei einer TV-Veranstaltung zu Ehren von Chet Atkins, des seit Jahrzehnten sicherlich besten Contrygitarristen der Welt, kennen lernten gibt dem Projekt einen irgendwie religiösen Anstrich.
Symbolträchtige sieben Jahre hat es gedauert, bis dass eines der besten Alben des Genres der letzten Jahre entstand. Musikalisch ist alles stimmig. Da ist nichts schräg, da reibt sich nichts aneinander, da gehört alles zusammen, und störte etwas, wäre es nicht auf die Platte gekommen. Sicher, so ist Country nun einmal. Zumeist. Aber da ist weder die banal-bürgerliche Peinlichkeit eines Garth Brooks noch die schrill-plebejische Aufdringlichkeit einer Dolly Parton. Master Marks Stimme ist so sanft wie selten zuvor, Emmylou Harris’ klingt mädchenhaft-hell, ohne die Kristalltöne zu tangieren, die sonst manche ihrer Songs nicht leicht verdaulich machen.
Die Bandbreite ist traditionell: Bluegrass, Balladen, ein ganz klein wenig Countryrock. Auch die Instrumente sind in der Geschichte der weißen US-Volksmusik beheimatet. Neben Knopflers unverwechselbarer Gitarre, bei der immer noch die Dire Straits selig mitschwingen, ist Rhythmusgitarrist Richard Bennett ein einfühlsamer Begleiter. Bassist Glen Worf zupft die Saiten so gut, aber auch so kräftig, dass einem – so man nur ein kleines Piepsgerät sein eigen nennt – schon die Lautsprecher bersten können. Schlagzeuger Chad Cromwell, wie Worf Mitglied in Knopflers aktueller Tourband, schlägt eine saubere Trommel, akzentuiert, aber nicht rockig. Glen Duncans Geige und Mandoline sowie die Pedal Steel Guitar von Dan Dugmore ergänzen das Ganze auf brillante Weise.
Textlich hingegen ist "All The Roadrunning" nicht immer reibungsfrei. Das Stück "If This Is Goodbye" beispielsweise. Knopfler, der wieder einmal alle Songs allein verfasst hat, lässt sich vom Schriftsteller Ian McEwan inspirieren, der kurz nach den Terroranschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 über die letzten Anrufe geschrieben hat, die über die Mobiltelefone aus den Türmen kamen. Anrufe, um "I Love You" zu sagen.
Liebe ist auch Thema in "Belle Star", in dem Knopfler auf die Worte von "mamma" und "daddy" fußend, verkündet, dass tiefe Gefühle keine Einbahnstraße sind. Auch in "This Is Us" erzählt er – natürlich immer mit seiner Duettpartnerin - "dass Liebe viel stärker ist als Hass. (Der Song) zelebriert ein ganz gewöhnliches Leben, in dem Liebe die Oberhand behält, in dem man sich verliebt, heiratet, Kinder bekommt und später das Fotoalbum hervorholt."
Und für dieses Szenario ist "All The Roadrunning" der ideale Soundtrack. Was nicht bedeuten soll, dass Sie, so Sie es denn noch nicht sind, unbedingt vor den beiden einzigen Deutschland-Konzerten von Knopfler/Harris am 28.05.06 in Hamburg und am 06.06.06 in Frankurt/Main vor den Traualtar treten müssen.
Quelle: ntv.de