Der Unterschied zum Einzeller Alles ist erlaubt
30.01.2016, 08:22 Uhr
Gesundes Mahl: Hier dürfen Körper, Seele und das Auge genießen.
(Foto: imago/Westend61)
Das Pantoffeltierchen isst, um zu überleben. Der Mensch liest Ratgeber über gesundes Essen, mümmelt auf einem Salatblatt und ist unlustig bis zur letzten Körperzelle. Oder? Lebensfreude und Genuss sehen jedenfalls anders aus.
"Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen." Kennen Sie, nicht wahr? Haben Oma und Mama Ihnen schon als Kind eingetrichtert, als Sie wieder mal am Essen herummäkelten und die Hälfte auf dem Teller ließen. Doch ein Fünkchen Wahrheit ist schon dran am Volksmund, aber auch an Ihrem Herumgestochere im Essen. Nahrungsaufnahme ist elementares Gebot für das (Über)Leben, das weiß selbst das Pantoffeltierchen. Nun unterscheidet uns vom Einzeller Gottlob nicht nur die (körperliche) Größe – und deshalb ist sich zu ernähren für uns nicht nur Lebenserhaltung, sondern auch Lebensgewinn, Freude und Lust. Sollte es zumindest sein.
Essen muss also auch schmecken – sonst bleibt es auf dem Teller. Dieser Tatsache und der Einsicht meiner Oma habe ich vermutlich meinen noch heute robusten Magen zu verdanken. Ich habe mein gesamtes Schulleben hindurch bis zum Abitur jeden Morgen eine warme Milchsuppe gegessen: mal Grießsuppe mit oder ohne Kakao, mal Puddingsuppe, mal Haferflockensuppe. Der Grund: So zeitig in der Frühe habe ich absolut kein Brot oder Brötchen herunterbekommen, es wurde beim Kauen immer mehr zwischen den Ohren, mitunter bis zum Brechreiz. Aber ohne Frühstück "geht das Kind nicht aus dem Haus" (meine arbeitende Mama über ihre "spindeldürre" Tochter), weshalb Oma auf die glorreiche Suppenidee kam. Ich blieb dünn, "zugelegt" habe ich erst im Berufsleben: Zu viel Stress, ungesunde Ernährungsweise, zu wenig Bewegung... Meinen Magen allerdings hat all das nicht erschüttert; der ist gesund wie eh und je. Ich bin übrigens heute noch absoluter Suppen- und Eintopf-Fan – mit einer Einschränkung: Nicht unbedingt gleich zum Frühstück und bitte keine Milchsuppe ;-)
Dass das Auge "mitisst", ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Aber eben nicht nur das Auge, sondern auch "die Seele", wobei hier nicht geklärt werden soll, was das eigentlich ist (wenn man das überhaupt klären kann). Sagen wir lieber Psyche dazu, denn darum geht es: Essen soll nicht nur physiologisch erhalten, sondern auch psychologisch befriedigen. Satt und zufrieden: eine gesunde Einheit! Dass der Leib durchs Essen und Trinken gewinnen kann, ist unzweifelhaft an der geschwollenen Körpermitte vieler Menschen zu erkennen, in diesen Fällen ist allerdings stets zu viel von dem überreichen Angebot vom Teller in den Magen gewandert, oft genug alles. Zugegeben, hat man den Riesenberg des Lieblingsessens bis zum letzten Krümel aufgefuttert, gibt die Seele auch Ruhe, allerdings meldet sich spätestens am nächsten Tag das schlechte Gewissen. Das haben wir nämlich auch! Und der lachende Dritte? Das ist Ihr innerer Schweinehund. Es gilt also, einen Kompromiss zu finden. Und der sieht bei jedem Menschen anders aus; Durchschnittswerte sind nämlich das, was der Name schon sagt: Durchschnitt. Auch in der Ernährung.
Intelligenz aus dem Bauch
Der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop hat darüber ein Buch geschrieben: "Hunger & Lust", informativ und unterhaltsam zugleich. "Kein gesunder Mensch braucht Ernährungswissenschaft – und noch weniger deren Empfehlungen für eine 'gesund' Ernährung, die maßgeblich auf statistischen Zahlenspielereien ohne jegliche Beweiskraft basieren; denn Ernährungsforschung gleicht Rätselraten auf wissenschaftlich-niedrigem Niveau." Mit Sätzen wie diesem (und noch vielen anderen) haut Knop sich und seinem ganzen Berufsstand die Füße weg, nicht weil er seinen Job nicht mag, sondern vielmehr weil er will, dass jeder Mensch auf seinen Körper hören soll, dass "mündige Essbürger" aus uns werden. "Es gibt kein gesundes Essen für alle, denn jeder Mensch is(s)t anders", schreibt Knop. Wer das alles schon weiß und auch danach lebt, wem Ernährungs- oder Diätratschläge ohnehin schnuppe sind, braucht das Buch nicht zu lesen. Für alle anderen, die nicht wissen, was sie glauben sollen oder die zu viel glauben, ist das Buch eine Hilfeleistung auf dem Weg zum mündigen Essbürger.
Weniger der Verstand im Kopf entscheidet darüber, was für jedes menschliche Individuum gesund ist oder nicht, sondern das "Gehirn" im Bauch. "Kulinarische Körperintelligenz", wie Knop das nennt, schlummert in jedem von uns, leider bei etlichen Menschen im Tiefschlaf. Eine kritische Betrachtung von Studien, Umfragen und dergleichen, die ja Medien und Leser gleichermaßen lieben und zu oft auch bis aufs Wort glauben, hilft, in den eigenen Körper hineinzuhorchen und den Bauch mal zu fragen, was ihm gut tut. Das holt die kulinarische Körperintelligenz aus ihrem Koma. "Gesund ist nur, was Ihnen schmeckt, nicht, was als gesund dargestellt wird", schreibt Knop. Ich mag zum Beispiel weder Honig noch Pflaumenmus, kann Äpfeln und Kiwis nicht allzu viel abgewinnen, trinke Milch nur im Kaffee und hasse Süßkartoffeln. Ein möglicherweise durch die Apfelverweigerung entstandenes gesundheitliches Defizit kompensiere ich mit Begeisterung durch Chili und Knoblauch, diversen Kohl und Paprika. Ich esse mehr Gemüse als früher, aber nicht jedes, verzichte keineswegs auf Fisch oder Fleisch, wobei für mich die Frage immer wichtiger wird, woher mein Lebensmittel kommt, ob aus der Region oder von der anderen Seite der Erdkugel, wo und wie der Fisch gefangen wurde und wo und wie das Tier lebte, bevor es unters Messer kam. Auch das ist eine Sache von Genuss. Leider lassen sich nicht immer meine Wunschvorstellungen mit dem wahren Leben vereinbaren; man muss schon realistisch bleiben.
Hochbetagte in Japan oder in Bulgarien haben mit höchster Wahrscheinlichkeit noch nie einen Ernährungsratgeber gelesen – und sind in einem Alter um die 100 fit wie ein Turnschuh. Sie leben nach der Uhr der Natur, nicht nach der am Handgelenk, essen kaum oder gar keine industriell bearbeiteten Lebensmittel, dafür frische Nahrungsmittel und von allem etwas: Fisch und Fleisch, Gemüse und Milch. Sie nehmen alles Notwendige an Vitaminen und Mineralien mit der Nahrung auf und brauchen keine "Ergänzungsmittel". Sie essen erst dann, wenn sie Hunger haben und nicht, wenn die Zeit ran ist. Und vor allem essen sie mit Lust und Genuss. Nun lässt sich das Frischluft-Leben eines bulgarischen Schafhirten nicht auf unser Großstadtleben übertragen - wie und was er isst schon. Darüber nachzudenken lohnt sich immer. "Echte Esser", so Knop, ernähren sich "abwechslungsreich und ausgewogen".
Und manchmal braucht’s dafür nicht viel, weder an Zutaten noch an Geld. Die beste Restverwertung habe ich bei Freunden im bulgarischen Sredna Gora (Mittelgebirge) südlich des Balkangebirges gegessen, als nach einem erlebnisreichen Wochenende die letzten mitgebrachten Lebensmittel ("Alles, was weg muss!") aufgefuttert werden mussten, bevor die Hütte wieder verschlossen wurde und es zurück ging nach Sofia. Das Durcheinandergerührte macht satt, ist schnell zubereitet und gesund – und schmeckt trotzdem.
Misch-Masch
2 rote Paprikaschoten
2 grüne Paprikaschoten
2 Tomaten
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
4 Eier
200 g Schafskäse (Salzlakenkäse)
½ Bd Petersilie
2 EL Olivenöl
Salz, schwarzer Pfeffer, Bohnenkraut oder Thymian
Zubereitung:
Das Gemüse putzen und würfeln. Den Knoblauch und die Petersilie fein hacken. Den Schafskäse zerkrümeln.
In einer Pfanne das Öl bei Mittelhitze erhitzen und die Paprikawürfel darin anrösten. Dann die Zwiebel dazugeben und braten, bis die Zwiebelwürfel glasig sind. Danach die Tomatenwürfel und den Knoblauch zugeben und alles etwa 5 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Mit Salz, frisch gemahlenem Pfeffer und ganz wenig gerebeltem Bohnenkraut oder Thymian abschmecken.
Die Eier mit dem Schafskäse und der gehackten Petersilie vermengen und über das Gemüse geben. Alles vermengen und evtl. die Hitze wieder leicht erhöhen. Nach etwa 3 Minuten sollte das Ganze gestockt sein.
Tipp: Die Zutaten für Misch-Masch sind kein Dogma, nur Anregung. Hineinkommt, was gefällt (oder was weg muss). Wer Knoblauch und/oder Bohnenkraut nicht mag, kann es getrost weglassen. Wer frische Kräuter hat, nimmt die. Auch die Farbe des Paprikas ist nicht entscheidend. Verwenden Sie bulgarischen Schafskäse, seien Sie vorsichtig beim Salzen; dieser Lakenkäse ist meist salziger als zum Beispiel griechischer.
Immer Lust beim Essen wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de