Essen und Trinken

Eine wonnigliche Verbindung "Glückspflanze" macht lasterhaft

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Gibt (Würz)kraft: frisches und getrocknetes Bergbohnenkraut.

(Foto: imago stock&people)

Was nach Lustkiller klingt, kann durchaus ein Lustmacher sein. So manches unscheinbare Küchenkraut, das wegen seiner "Nebenwirkung" früher hoch im Kurs stand, werfen wir heute achtlos in den Suppentopf.

Hartnäckig halten sich Mythen über aphrodisierendes Essen. Wahr ist, dass es tatsächlich Lebensmittel gibt, die die Libido steigern. Ins Reich der Märchen allerdings gehört die riesige Anzahl der Kräuter und Gewürze, von Fleischsorten und Pflanzenarten sowie anderer diverser Nahrungsmittel, die ein solches bewirken sollen. Zumindest aber erzeugt der Glaube daran amüsante Geschichten. Auch soll es ja geschehen, dass Märchen wahr werden. Abwarten ...

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Bergbohnenkraut steht in dem Ruf, die männliche Liebesfähigkeit zu steigern.

(Foto: imago stock&people)

Viele der sogenannten Aphrodisiaka sind nach den Worten des Schweizer Wissenschaftlers Kurt Hostettmann gar keine, jedenfalls wirken sie nicht dort, wo man(n)‘s gerne hätte. Oder sie bewirken gar nichts, bringen ganze Tierarten zum Aussterben, machen Käufer arm und Verkäufer reich. Der blödsinnige Glaube zum Beispiel an die potenzsteigernde Kraft von Rhinozeros-Horn führt zum Tod Tausender Tiere. Und das völlig sinnlos, weil das Nashorn-Horn fast ausschließlich aus Keratin besteht. Das ist der Stoff, aus dem auch unsere Nägel sind. Die "Wirkung" ist also die gleiche, als würden wir Fingernägel kauen!

Unzweifelhaft helfen Kräuter und Gewürze gegen manches Zipperlein, deshalb werden sie in der Pharmazie zu Arzneien verarbeitet. Getreu dem Motto "Mann bleibt Mann, auch wenn er im Bett sitzt und hustet", helfen Thymian und Co. zwar gegen Erkältungen und Blähungen, meistens aber nicht gegen Unlust und Gefühlskälte. Etliche Gewürze und Kräuter bewirken eine Stärkung des Körpers und verhelfen zu einer schnelleren Regeneration - ob nun die "neue" Kraft für eine wilde Nacht oder beim Gartenumgraben eingesetzt wird, muss schließlich jeder selbst entscheiden.

Die viel beschworene aphrodisierende Wirkung von Ginseng beispielsweise ist gleich Null, die Wurzel hilft aber gut gegen Müdigkeit und vitalisiert. Auch nicht schlecht, wenn im Bett niemand vorzeitig wegschläft. Auch der Mandragora-Wurzel ist die Luststeigerung angedichtet, wahrscheinlich wegen ihrer penisähnlichen Form. Ausgraben lohnt sich vermutlich nicht, stärkt aber die Muckis. Andere "glücklich" machende Lebensmittel wie Schokolade müssten tonnenweise verschlungen werden, um in den Genuss einer aphrodisierenden Wirkung zu gelangen. Beim Wein allerdings ist es umgekehrt: Ein Zuviel des Guten kann in die Hose gehen, leider nicht im wahrsten Sinne des Wortes. Wiederum andere Stoffe wirken weniger in den Lenden, sondern ziehen als anregender Duft durch die Nase ins Gehirn: Vanille und Trüffel enthalten Pheromone, die nicht nur auf Insekten und Schweine anziehend wirken.

Dennoch gibt es ein einige Lebensmittel, die tatsächlich die Libido steigern. Professor Hostettmann zählt unter anderem Austern, Sellerie und Ingwer dazu. Doch auch hier gilt: Ein bisschen Glauben schadet nie und inwieweit die Schmeckerchen wirklich wirken, hängt vom Pärchenverhalten ab. Hostettmann: "Es gibt keine frigiden Frauen, es gibt höchstens schlechte Liebhaber."  Das wurde aber auch Zeit, dass das mal jemand sagt!

Bohnenkraut macht glücklich

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Gartenbohnenkraut ist gut für den Eintopf.

(Foto: imago stock&people)

Ein völlig unscheinbares Kraut soll Hostettmann zufolge de m Manne tatsächlich zu mehr Durchstehvermögen verhelfen. Jeder kennt es und viele verwenden es oft  - allerdings "zweckentfremdet" zum Bohnen kochen: Bohnenkraut. Klingt eigentlich eher nach Lustkiller als nach Lustmacher. Und falls Sie nach dem Genuss von Bohnensuppe noch nie dieses Ziehen in den Lenden spürten (eher schon  einen gewissen rückwärtigen Drang), nicht wundern: Es war das falsche Bohnenkraut! Was hierzulande mit frischen oder getrockneten Bohnen in den Topf wandert, ist einjähriges Gartenbohnenkraut: Satureja hortensis, das Sommerbohnenkraut.

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Bergbohnenkraut hilft auch Männern.

(Foto: imago stock&people)

Das winterharte Bergbohnenkraut (Satureja montana) hingegen, auch Winterbohnenkraut genannt, ist jenes, das schon die alten Griechen "Glückspflanze" nannten. Die Römer trugen es im Haar und aßen es regelmäßig, um ihre Potenz zu fördern. Sie pflanzten es neben den Bienenstöcken an, weil sie hofften, mehr von dem wertvollen Bohnenkrauthonig zu bekommen, der als Aphrodisiakum hoch im Kurs stand. Wieviel die antiken Genießer von dem Kraut zwecks Libidosteigerung brauchten, steht in den Sternen. Trat die ersehnte Wirkung nicht ein, so half das Bohnenkraut zumindest beim Verdauen schwerer und fettiger Speisen.

Nach Deutschland kam das Kraut spätestens im 8. Jahrhundert, denn es wird bereits in der ersten Land- und Wirtschaftsordnung des Mittelalters aufgeführt. Im berühmten "Capitulare de villis vel curtis imperialibus" ließ Karl der Große aufschreiben, was in den Wirtschaftshöfen seiner Pfalzen produziert werden musste - unter anderem Bohnenkraut. Ob Karl gewisse lustvolle Auswirkungen am eigenen Leib spürte, ist nicht überliefert. Jedenfalls untersagte er den Anbau in den Klostergärten, dabei waren es wieder mal die Benediktiner, die das Küchenkraut über die Alpen gebracht hatten.

Es hieß, beim Verzehr von Bohnenkraut gerate jeder in die Gefahr, vom Pfad der Tugend abzuweichen. Deshalb mussten die Mönche als Ersatz für das pfeffrige Bohnenkraut Mönchspfeffer anbauen, um "keusch und schamhaft" zu bleiben. Nomen est omen, denn Mönchspfeffer wird auch Keuschlamm genannt. In den Bürger- und Bauerngärten dagegen wurde Bohnenkraut gehegt und gepflegt, vermutlich nicht nur wegen der Suppe. Aus dem Mittelalter ist ein "Nostradamus-Rezept" bekannt: Aus 10 g Salbei, 8 g Bergbohnenkraut und 5 g Minze mit kochendem Wasser einen Tee herstellen, mit Honig süßen. Trinken und auf die Wirkung warten. Die Mischung soll zumindest "lethargische Geister" beleben, wie der englische Arzt und Apotheker Nicolas Culpeper im Mittelalter behauptete. Außerdem wirkt Bohnenkraut appetitanregend, magenberuhigend, antiseptisch und schleimlösend. Zwischen die Wäsche gelegt, ärgern sich Motten und Silberfischchen darüber.

Es müssen nicht immer Bohnen sein

Sollte es Ihnen (nur) um die Würzkraft des Bohnenkrauts gehen, tut’s natürlich auch das bekannte Gartenbohnenkraut. Sowohl das Sommer- als auch das Winterbohnenkraut zeichnen sich durch ein scharf-würziges Aroma aus. Als Pfeffer und Co. noch teuer gehandelt wurden, wurde die Schärfe des Pfeffers mit Bohnenkraut imitiert, was ihm den Beinamen "Arme-Leute-Kraut" eintrug. Der Geschmack erinnert etwas an Thymian und Oregano, wobei das Bergbohnenkraut kräftiger würzt. Seine Blätter sind fester und spröder als die des Gartenbohnenkrauts und müssen meistens, vor allem wenn sie nicht mehr ganz jung sind, vor dem Essen entfernt werden. Die Blätter des Gartenbohnenkrauts sind so weich und geschmeidig, dass sie im Gericht verbleiben können. Passt am besten zu frischen grünen Bohnen, zu getrockneten weißen oder bunten Bohnen nimmt man eher Bergbohnenkraut.

Traditionell wird das Kraut zu Bohnengerichten aller Art verwendet, aber auch bei der Wurstherstellung und im Ziegenkäse. Probieren Sie mal, deftige Gemüse- und Kartoffelspeisen mit Bohnenkraut zu würzen. Es passt auch zu Pilzgerichten, mit Ausnahme von Champignons und Austernseitlingen, zu Lamm und Forellen. Doch Vorsicht beim Würzen ist geboten, denn Bohnenkraut schmeckt ähnlich wie Thymian leicht vor und sorgt außerdem bei empfindlichen Menschen für stundenlanges Aufstoßen. Eine harmonische Liaison geht Bohnenkraut mit Rosmarin, Thymian, Salbei, Fenchel und Lorbeer ein.

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Steht in Bulgarien auf jedem Tisch: Scharena sol.

(Foto: Politikaner cc-by-sa)

In den Mittelmeerländern und in Südosteuropa spielt Bohnenkraut eine wesentlich größere Rolle als bei uns. In Bulgarien ist "tschubritza" (Bergbohnenkraut) das dominierende Küchenkraut und wird frisch und getrocknet fast universell eingesetzt. Meistens wird die Kräutermischung, die in den Restaurants zum Brotstippen auf dem Tisch steht, von Touristen Tschubritza genannt. Das ist aber falsch; die Bulgaren nennen die leckere Mischung "scharena sol": buntes Salz. Hauptbestandteil ist zwar tatsächlich das Bergbohnenkraut, hinzu kommen aber noch Salz, Paprika scharf und mild, Bockshornklee, Koriander und Minze. Oft sind noch andere Kräuter wie Liebstöckel, Majoran oder Thymian in der Mischung, das ist regional unterschiedlich. Mal schmeckt die Mischung schärfer, mal milder. Es ist also ziemlich einfach, scharena sol selbst herzustellen, auch wenn man kein Bergbohnenkraut hat  - das handelsübliche getrocknete Bohnenkraut tut‘s auch. In den gekauften Fertigmischungen unter den Namen "Tschubritza" oder "Scharena Sol" finden sich heutzutage oft gemahlener Mais als Füllstoff und Glutamat als Geschmacksverstärker.

Dass zum Bohnenkraut nicht unbedingt Bohnen gehören, beweist die bulgarische Fleischbällchensuppe. Die Säure vom Joghurt und die Würze des Bohnenkrauts machen aus dieser einfachen Suppe ein pikantes Geschmackserlebnis:

Supa toptscheta

Zutaten (4 Pers):

250 g Rinder- oder Schweinehack (auch gemischt)
½ Tasse gekochter Reis
1 rote Paprikaschote
1 Möhre
1 Zwiebel
1 Stk. Bleichsellerie
1 Ei
200 g Naturjoghurt (bulgarischer oder griechischer)
1 l Fleischbrühe oder Wasser
1 Chilischote
1 TL Tschubritza (oder Gartenbohnenkraut)
2-3 Stängel frisches Bohnenkraut
Öl, Salz, Pfeffer, Mehl, Petersilie,
evtl. Zitronensaft

Zubereitung:

Das Ei trennen. Zwiebel, Paprika, Möhre und Sellerie würfeln. Die Chilischote aufschlitzen, so dass sie am Stängel noch zusammenhängt. Wer es nicht so scharf mag, entkernt die Chili oder lässt sie ganz weg. Etwas Öl erhitzen und darin die Zwiebel- und Paprikawürfel anschwitzen. Sie sollen nur leicht Farbe annehmen. Den Rest vom Gemüse zugeben, mit Wasser oder Brühe auffüllen und köcheln lassen, bis das Gemüse gar, aber noch bissfest ist.

In der Zwischenzeit das Hackfleisch mit dem Eiweiß, 1 EL von dem Reis, Salz, Pfeffer und 1 TL getrocknetes Bergbohnenkraut gut verkneten und aus der Masse kleine Bällchen (toptscheta) formen. Sie sollten etwa so groß wie Murmeln sein. In wenig Mehl wälzen und in die Suppe geben. Die Suppe soll jetzt nur noch ganz leicht sieden, keinesfalls kochen. Die Bohnenkrautstängel in die Suppe geben und mitziehen lassen, ebenso den Rest vom Reis. Die Fleischklößchen sind gar, wenn sie nach oben kommen.

Den Joghurt mit dem Eigelb verquirlen und damit die Suppe legieren. Vorsichtig noch einmal bis knapp unter den Siedepunkt erhitzen; so wird die Suppe leicht gebunden und sämig. Keinesfalls kochen, sonst gibt’s Flocken! Bohnenkrautstängel und Chilischote entfernen. Die Suppe mit Salz und Pfeffer abschmecken, evtl. auch noch mit ein wenig Zitronensaft, falls die Säure vom Joghurt nicht ausreicht. Mit gehackter Petersilie bestreuen und servieren.

Viel Spaß wünscht Ihnen Heidi Driesner.

Quelle: ntv.de

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