In ‘ne bucklige Jejend Nicht nur auf Sand gebaut
25.03.2010, 02:00 Uhr
Blick von einem gesprengten Bunker: Auf ehemaligen Truppenübungsplätzen entstehen wieder Sand- und Heidelandschaften.
(Foto: picture-alliance/ ZB)
Der Fläming ist weit gestreckt, mit viel sandiger Heide, stillen Wäldern und einigen wie zufällig in die Landschaft geworfenen Buckeln. Die bewogen anno 1849 Seine Königliche Majestät Friedrich Wilhelm IV. auf dem höchsten Berge Brandenburgs, dem immerhin 201 Meter hohen Hagelberg, stehend zu dem überraschten Ausruf: "Det is hier ja ‘ne bucklige Jejend!" Den vielen Sand, der allerdings edles Gemüse wie Spargel und Teltower Rübchen hervorbringt, besang wohl auch schon Martin Luther 1530, als er durch die Fläminger Heiden wanderte: "Ländecken, was bist du für ein Sändecken.”
Weite Flächen gibt es heute noch rings um die 1000 Jahre alte Stadt Jüterbog im Niederen Fläming. Niederer deshalb, weil hier die Hügel halt noch niedriger sind als die im Hohen Fläming.
Weite (und Nieselregen) auch am Samstagmittag auf dem Marktplatz von Jüterbog, da gibt’s außer meiner Freundin Karla und mir kaum eine Menschenseele. Zum Glück gibt’s noch den "Schmied zu Jüterbog” mit einer heißen Suppe.
Bei "echt hausgemachter Soljanka” (echt lecker) wird es dann doch noch interessant in dem verschlafenen Städtchen. In dem Gasthaus erfahren wir so einiges über den Schmied, der Tod und Teufel überlistete, über Jutte mit ihrem Ziegenbock, die der Stadt Namen und Wappen gaben (sagt man), und über die Keulen an den drei Stadttoren Jüterbogs. Noch heute hängt an jedem Stadttor eine Keule; im Mittelalter ein Zeichen dafür, dass die Stadt die peinliche und Halsgerichtsbarkeit ausüben durfte: "Straffen biss ann das blut".
Später kam ein Spruch hinzu, ebenfalls heute noch zu lesen: "Wer seinen Kindern giebt das Brodt und leidet nachmals selber Noth, den schlage man mit der Keule todt.” Das sollte undankbaren Kindern zu denken geben…
Jüterbog, einst sächsisch, später preußisch, hat von allem etwas abbekommen: von mittelalterlichem Ablasshandel, militärischem Säbelrasseln und dem etwas zweifelhaften DDR-Charme. Von all dem findet man noch mehr oder minder starke Hinterlassenschaften. Zisterzienser und Franziskaner bauten hier ihre Klöster; der Dominikaner Johann Tetzel betrieb 1517 in der Nikolaikirche seinen Ablasshandel, Thomas Müntzer predigte an selbiger Stelle. Wallenstein nahm 1626 im Dreißigjährigen Krieg Quartier und 1756 begann Friedrich der Große von Jüterbog aus den Siebenjährigen Krieg. Aus Söldnerhaufen, die die Stadt aussogen, wurde ein stehendes Heer: 1832 wurde Jüterbog Garnisonsstadt - die Bevölkerung lebte "unterm Kaiser” und im "Dritten Reich” vom und mit dem Militär; Bunker, Forts, Schieß- und Flugplätze verschandelten die Umgebung. Alles in allem bis 1994 eine wesentliche Einnahmequelle für die Stadt. Mit dem Abzug der seit 1945 stationierten sowjetischen Soldaten endet nach insgesamt 248 Jahren die Garnisonszeit.

Der "Tetzelkasten", heute ohne Bußgelder, in der Nikolaikirche. Ein Ritter soll ihn Tetzel abgenommen haben, nachdem er sich von diesem zuvor einen Ablasszettel für den Raub gekauft hatte. So kann's kommen...
(Foto: Wikipedia/EnergyTurn)
Eine Einnahmequelle der besonderen Art hatte im 16. Jahrhundert auch die Kirche entdeckt, die letztlich aber zur Reformation führen sollte. Der Prediger Tetzel wurde von Erzbischof Albrecht II. beauftragt, in der Kirchenprovinz Magdeburg einen gewinnbringenden Ablasshandel zu organisieren.
So traf der Dominikaner auch in der damals blühenden Handelsstadt Jüterbog ein: Wer nicht nach seinem Tod im Fegefeuer schmoren wollte, musste nur ein paar Dukaten für seine Sünden lockermachen - und die Sünde war getilgt! Ein Meineid kostete 9 Dukaten, der Raub von Kircheneigentum die gleiche Summe. Mord war etwas günstiger zu haben - schon für 8 Dukaten. Sollte man denjenigen noch gar nicht umgebracht haben, so konnten die acht Dukaten auch als Vorauszahlung geleistet werden. Die Hälfte des Geldes erhielt der Papst für den Neubau des Petersdoms, die andere Hälfte der ewig klamme Albrecht.
Konservativ wie die Mentalität in und um Jüterbog ist auch das, was hier auf den Tisch kommt, bodenständig und geprägt von der Landschaft: Wild und Pilze aus den Wäldern, Forelle aus den Flämingfließen und Lamm von den Heideflächen. Nicht wegzudenken aus der regionalen Küche sind die "Fläming Knollen”, jedermann als Kartoffeln bekannt. Kulinarisch Interessierten bietet das Tourismusgewerbe eine "Kartoffeltour” an, zu der sich mehrere Gasthäuser zusammengeschlossen haben. Probieren kann man dabei zum Beispiel eine "Knollen-Blutwurst-Pfanne”:
Zutaten (4 Personen):
700 g festkochende Kartoffeln
300 g Blutwurst (maximal 4 cm Durchmesser)
50 g Schinkenwürfel
1 große Zwiebel
1 Stück Meerrettichwurzel
frisches Rosmarin, Salz, Pfeffer, Öl
Zubereitung:
Die gewaschenen Kartoffeln in der Schale in Salzwasser garen und abkühlen lassen. Pellen und in Scheiben schneiden. Zwiebel schälen und würfeln. Die Rosmarinnadeln (etwa von 1 bis 2 Zweigen) hacken.
Die Blutwurst (evtl. von der Pelle befreien) in Scheiben schneiden, die genauso dick sein sollten wie die Kartoffelscheiben.
3 EL Öl in einer Stielpfanne erhitzen, die Blutwurst darin anbraten und herausnehmen.
Dann in der Pfanne die Kartoffeln anbraten. Etwas später Schinken- und Zwiebelwürfel sowie die zerkleinerten Rosmarinnadeln dazugeben. Mit Salz und Pfeffer würzen.
Kurz vor Ende der Bratzeit die Blutwurst wieder in die Pfanne geben, alles vermischen und noch einmal kurz erhitzen. Vom Herd nehmen und etwas von der geschälten Meerrettichwurzel über das Gericht raspeln.

Zu den drei erhaltenen Stadttoren Jüterbogs gehört das Zinnaer Tor.
(Foto: Wikipedia/Markus Schweiss)
Viel Spaß wünscht Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de