Besuch auf Robin Gibbs Anwesen Die Bee-Gees-Legende lebt weiter
26.09.2014, 16:25 Uhr
Robin Gibb im Jahr 2009.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Vor zwei Jahren starb Robin Gibb. Nun erscheint ein Album mit den finalen Aufnahmen des Bee-Gees-Sängers. Ein Besuch bei seiner Witwe Dwina auf seinem historischen Anwesen lässt Erinnerungen an den großen Musiker aufleben.
Er war einer der größten Musiker der Welt. Seine Band, die Bee Gees, schrieben Popgeschichte, verkauften mehr als 220 Millionen Platten. 2012 starb Robin Gibb mit 62 Jahren an Krebs. Jetzt erscheint sein letztes Album. Auf Einladung von Robin Gibbs Witwe Dwina dürfen wir es uns in seinem Anwesen im englischen Ort Thame anhören.

"Prebendal" heißt das eindrucksvolle, historische Anwesen, auf dem Gibb zuletzt lebte.
(Foto: Katja Schwemmers)
"Moment, ich öffne das Tor", sagt die Stimme aus der Gegensprechanlage. Gemächlich setzt sich das schwarze Eisengitter des Torbogens in Bewegung und vor uns liegt ein breiter Weg, umsäumt von saftig-grünen Baumriesen. Vom ersten Moment fühlt es sich an, als würde man in eine andere Welt längst vergangener Zeiten abtauchen - oder zumindest in die Kulisse eines gut ausgestatteten Fantasyfilms.
In "Prebendal", wie das 780 Jahre alte Gebäude genannt wird, waren schon Elisabeth I., Henry VIII. und George III. zu Gast. Priester wurden hier über die Jahrhunderte zu Bischöfen ausgebildet und die französische Nationalheldin Johanna von Orléans zum Tode verurteilt. Man sieht dem Steingemäuer seine lange Geschichte an. Zwei Raben-Skulpturen zieren den Eingang des Haupthauses.
Robin Gibbs Irische Wolfshündin Missy nimmt uns in ihrer ganzen zottelig-grauen Schönheit in Empfang. "Sein anderer Wolfshund Ollie ist Anfang des Jahres gestorben", erzählt die Haushälterin. Auf Fotos von Gibbs Beerdigung sieht man beide Tiere der weißen Kutsche mit dem Sarg folgen. Die ganze Kleinstadt Thame war an besagtem Tag im Mai 2012 auf den Beinen, um dem Musiker die letzte Ehre zu erweisen. Nun liegt der "Juliet"-Sänger gegenüber auf dem Kirchenfriedhof begraben, mit Blick auf "Prebendal".
Wie in einem Bee-Gees-Museum
Wir stehen derweil in seinem Wohnzimmer. Um den großen Feuerplatz sind Sofas gruppiert, ein wenig Tageslicht dringt durch die Spitzbogen-Fenster. Es würde uns nicht wundern, wenn gleich eine Frau mit Glaskugel durch die Tür kommt, so mystisch wirkt der Ort. Stattdessen begrüßt uns Robin Gibbs Witwe Dwina mit einem sanften Händedruck. Die blonde Frau hat eine warme, herzliche Ausstrahlung und so gar nichts von einer superreichen Popstar-Gattin.
"Wir haben alles so belassen, wie es war", sagt Dwina, angesprochen auf die unzähligen Souvenirs. Denn das Haus mutet innen wie ein Bee-Gees-Museum an: Goldene Schallplatten, Bambi-Auszeichnungen und Hunderte Fotos von Gibb mit Kollegen wie Silvester Stallone, Robbie Williams und Paul McCartney erzählen aus einem bewegten Leben. Auf einem der Bilder sieht man die drei Gibb-Brüder mit fünf Jackson-Geschwistern bei der Aufnahme der Bee Gees in die Rock and Roll Hall of Fame im Jahr 1997. "Die Erinnerungen bedeuteten Robin viel", meint Dwina.
Wie viel Robin den Menschen bedeutete, zeigt sich im Nachbargebäude. Briefe, Beileidsbekundungen und Zeichnungen verwandeln die Kapelle in eine Poststelle der Trauer - so als wäre das alles erst gestern passiert. "Eine Karte mit Genesungswünschen kam aus Bali und war nur mit 'Robin Gibb, United Kingdom' adressiert. Als sie uns erreichte, war Robin bereits tot", erzählt Dwina.
Ein ziemlich fröhliches Werk
Mit "50 St. Catherine's Drive" erscheint nun sein letztes Studioalbum, das im Titel Gibbs Geburtshaus auf der Isle of Man gedenkt. "Die Familie war arm, aber es war für Robin die Zeit, als er noch glücklich mit seinen Geschwistern zusammen war", erzählt seine Witwe. "Für ihn war immer klar, dass sein letztes Album so heißen würde." Es ist ein ziemlich fröhliches Werk für einen Toten.

In den 60er- und 70er-Jahren feierten die Bee Gees - Robin, Barry und Maurice Gibb (v.l.) - große Erfolge auf der ganzen Welt.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Sein Sohn Robin-John gesellt sich zu uns. Drei Songs hat der komplett in Schwarz gekleidete 29-Jährige mit seinem Vater zusammen geschrieben, sogar ein Duett der beiden gibt es auf der Platte. "Einige der Labels, die das Album herausbringen wollten, fehlte die dem Anlass entsprechende Schwermut in den Liedern. Aber wir wollten die Stücke so poppig belassen, wie mein Vater es gewollt hätte", meint er.
Den emotionalen Song "Sydney" schrieb Gibb nur wenige Monate vor seinem Tod am iPad oben in seinem Schlafzimmer. "Es ist das Lied, das er sich für eine Reunion mit seinem Bruder Barry ausgeguckt hatte. Es war sein sehnlichster Wunsch, noch einmal mit Barry eine Platte als Bee Gees aufzunehmen. Er wollte das unbedingt und sprach jeden Tag davon", meint Dwina. "Als mein Vater seine Krebsdiagnose erhielt, war das seine größte Sorge: Dass die Zusammenarbeit mit Barry nicht mehr klappen würde", fügt Robin-John hinzu. Er sollte recht behalten.
An seinem Sterbebett kam es zu innigen Szenen zwischen Barry und Robin Gibb. "Egal, was war, egal, was für Probleme die beiden miteinander hatten, letztlich haben sie sich geliebt", weiß Dwina. Schwierig soll das Verhältnis erst geworden sein, als 2003 Maurice, Robins Zwillingsbruder, starb. "Jeder der beiden ging mit der Trauer anders um. Barry zog sich zurück, Robin dagegen ließ die Welt an seinem Schmerz teilhaben und wollte immer weitermachen mit den Bee Gees."
Eine neue Leidenschaft
Hat die Familie noch Kontakt zum letzten lebenden Gibb-Bruder? "Barry hat jüngst Tribut-Konzerte im Gedenken an seine drei Brüder in Amerika und Großbritannien gespielt. Aber Robin-John und ich sind nicht hingegangen. Es war einfach zu früh. Ich glaube, ich wäre zusammengebrochen. Barry hat das verstanden." Gibb Junior wirft ein: "Es ist schon paradox: Als mein Vater mit ihm auf Tour gehen wollte, fühlte sich Barry nicht danach. Aber nun, nach seinem Tod, gibt er Konzerte." Dwinas ausgleichendes Gemüt bewährt sich auch diesmal: "Ich denke, die Konzerte sind Barrys Weg, mit dem Schmerz und dem Versäumnis umzugehen."
Robin Gibb selbst trug sein Schicksal mit Fassung und Verdrängung. "Er hat sich anfangs geweigert, überhaupt mit Ärzten zu sprechen und weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen. Er hat Behandlungstermine sausen lassen. Das hat mich wirklich wütend gemacht", so seine Witwe. Und doch sei nicht alles schlecht gewesen in seinen letzten Lebensmonaten, es habe viel Musik im Haus gegeben und Gibb habe ganz neue Interessen entwickelt: "Er begann zu fliegen!", sagt Dwina und lächelt.
Gibb hatte sich einen Flugsimulator in seinem Zuhause eingerichtet. Er lernte, wie man Flugzeuge landet. Außerdem fing er an, Helikopter zu benutzen, obwohl er darauf vorher nur im Ausnahmefall zurückgegriffen hatte: Mal ließ er sich nach Wales fliegen, immer öfter zu Behandlungen ins 50 Meilen entfernte London. "Aufgrund seiner Krankheit hatte er Bluttransfusionen. Ich sagte scherzhaft zu ihm: 'Einige der Blutkonserven müssen von einem Piloten stammen!' Weil er wirklich ständig fliegen wollte", erinnert sich Dwina.
Über den Tod haben die beiden nie gesprochen. Auch über ein Leben danach wurde im Hause Gibb nie philosophiert, obwohl der Songwriter durchaus spirituell veranlagt war. "Er meinte immer: 'Es stört mich nicht, wenn es so etwas wie Reinkarnation gibt, solange ich dann als Robin Gibb auf die Erde zurückkomme.'" So klingen die Worte eines glücklichen Mannes.
Das Album "50 St. Catherine's Drive" erscheint am 26. September - bei Amazon bestellen oder bei iTunes herunterladen
Quelle: ntv.de