"Intelligenter Unterhaltungsbereich" 100 Jahre Zeitvertreib mit 15 Buchstaben
21.12.2013, 06:45 Uhr
Rund um den Globus suchen Millionen Menschen täglich nach den passenden Buchstaben für die Kästchen.
(Foto: picture alliance / dpa)
1913 erscheint in der Weihnachtsbeilage der "New York World" ein neuer Knobelspaß. Auch 100 Jahre später sorgt dieser täglich bei Millionen Menschen für lustvolles Kopfzerbrechen. In einem spektakulären Fall diente das Rätsel sogar zur Verbrecherjagd.
Alles beginnt mit 31 Fragen: In der Weihnachtsbeilage der "New York World" forderte der Journalist Arthur Wynne die Leser heraus. Doch was am 21. Dezember 1913 als Abwechslung gedacht war, wird zu einem Dauerbrenner. Dabei schöpfte er aus Erinnerungen an seine Kindheit im englischen Liverpool. Dort war eine Knobelei beliebt, genannt Magisches Quadrat, bei der gleichlautende Wörter waagerecht und senkrecht in ein Gitter eingetragen werden mussten. Inzwischen sind neben die Rautenform des ersten Kreuzworträtsels unzählige weitere Varianten getreten. Und seit 1925 können auch deutschen Zeitungsleser ihr Wissen testen.
Im ersten seinem Rätsel fragte Wynne etwa nach einem Fluss in Russland (Newa), einem Vogel (Taube) und danach, wie die Menschen sein sollten (moralisch). Es wurde bald zu einer wöchentlichen Rubrik. Auch einige andere Zeitungen begannen, Kreuzworträtsel zu veröffentlichen. 1924 erschein das erste Kreuzworträtsel-Buch - inklusive Bleistift. Die Erstauflage umfasste 3600 Exemplare - letztlich wurden 100.000 Stück verkauft.
Alles in allem sei Rätseln "ein intelligenter Unterhaltungsbereich, der hilft, die Zeit zu vertreiben", sagt Rätselautor Johannes Susen zu n-tv.de. Von einem "Stück der Definition Mensch", spricht indes Stefan Heine, Rätselmacher und -forscher aus Hamburg. "Es geht darum, etwas auszufüllen, komplett fertigzumachen, sich selber zu messen - und wenn man es gelöst hat, ist es einfach ein schönes Gefühl."
Auch Rätselautoren haben Schwächen

Eine der bis dahin größten Formen des Kreuzworträtsels enthielt 2006 in Brasilien immerhin 3200 Fragen.
(Foto: REUTERS)
Und daran wird auch das digitale Zeitalter nichts ändern, ist sich Will Shortz, Rätselchef der renommierten US-Zeitung "New York Times", sicher. "Es wird sie immer geben, denn sie sind das flexibelste Rätsel, das je erfunden wurde", sagte der 61-Jährige. So lösten beispielsweise Hunderttausende Menschen das Kreuzworträtsel der "New York Times" kostenpflichtig online.
Dabei hatte sich die Zeitung lange geweigert, auf den Zug aufzuspringen. Die "absolut sinnlose Suche nach Wörtern" raube den Menschen wertvolle Lebenszeit. "Das ist keinesfalls ein Spiel und kann auch kaum als Sport bezeichnet werden", urteilte sie - und gab sich erst 1942 geschlagen. Seitdem druckt auch das Blatt die Gitter-Rätsel.
Doch egal wie - der Spaß überwiegt. Es gebe etliche Rätsel-Gruppen, die etwa zu dritt oder viert über den Fragen brüteten, sagt Susen. Mitunter verabredeten die sich und lösten die Aufgaben sogar in kleinen Telefonkonferenzen. Er selbst nehme sich täglich ein oder zwei Rätsel vor, sagt Susen. Dabei könne er auch gut damit leben, wenn nicht alle Kästchen ausgefüllt würden. Hat ein Experte wie er etwa Schwachstellen? Die Namen von Opern-Figuren und die Stammbäume in der Bibel. "Ich höre auch lieber Eminen als einen Tenor", sagte er. Fragen der Populärkultur seien nichts Schlechtes.
"Wenn zum Beispiel Lena einen Grand Prix gewinnt, dann kommt die natürlich dazu", sagt auch Heine. "Was immer mehr wegfällt, sind diese alten Griechen und so Sachen, die man dann nicht mehr kennt. Es gibt auch Worte, die einfacher werden. 'Tsunami' kannte vor dem großen Tsunami in Südostasien keiner, da musste man dann die Schwierigkeit herabsetzen", sagt Heine.
Dreifaches Jubiläum
Bei Susen brach das Fieber in den 80er Jahren aus. Nach dem Studium fragte ein Verlag an - und seitdem entwirft er selbst Kreuzworträtsel. Dabei stellte er fest, dass die Rätsel in der DDR keine Pluralformen abfragten und Umlaute nicht auflösten. Dies habe sich bin einigen Heften auch über die Wende hinweg erhalten. Doch sieht Susen darin "kein besonderes Qualitätsmerkmal".
Inzwischen erstellt Susen auch die Aufgaben für die Deutsche Meisterschaft. In diesem Jahr mussten sich die etwa 40 Eingeladenen durch vier Runden rätseln. Im Finale löste dann Birgit Ely die Aufgaben am schnellsten und verwies ihre drei Konkurrenten auf die Plätze.
In diesem Jahr stand natürlich das 100. Jubiläum im Mittelpunkt der Meisterschaft. Doch es war nicht der einzige Feiergrund. Das sogenannte Schwedenrätsel, bei dem die Fragen nicht unter dem Rätsel sondern im Kästchen stehen, wurde 50. Und Susen kann sogar noch einen draufsetzen: Das Sudoku in Deutschland wurde 20. Susen brachte es dereinst aus New York mit. Allerdings dauerte es dann noch einige Jahre, bis es sich durchsetzte.
Heine sieht einen Grund für den Sudoko-Hype darin, dass man keine Wissen bäuchte. "Man kann sich nicht blamieren, ein Sudoku kriegt man komplett ausgefüllt oder gar nicht. Ein Kreuzworträtsel kriegt man selten ganz voll und das widerspricht dem, was man will, nämlich etwas ganz auszufüllen und fertig zu bekommen."
Und mitunter bringt ein fertig gelöstes Rätsel eben nicht nur Freude. So mussten Leser der britischen Zeitung "Guardian" im Januar erfahren, dass John Graham, der seit mehr als 50 Jahren die Crosswords für das Blatt erstellte, schwer an Krebs erkrankt war. Diagnose und Behandlungen hatte er als Suchbegriffe im Rätsel eingebaut - und darüber seine treuen Leser informiert. Ende November starb er 92-jährig.
Einer der größten Kriminalfälle der DDR
In der DDR dagegen standen Kreuzworträtsel Anfang der 80er Jahre im Mittelpunkt eines der größten Kriminalfälle des Landes: Im Januar 1981 verschwand nach einem Kinobesuch ein siebenjähriges Kind in Halle. Zwei Wochen später wurde die Leiche des Jungen in einem Koffer an der Bahnstrecke Halle-Leipzig gefunden. Ebenfalls in dem Koffer lagen Zeitungen mit teilweise gelösten Kreuzworträtseln. In den kommenden Monaten entwickelte sich die Suche nach dem Mörder zu einem der größten Kriminalfälle der DDR. Im November wurde dann ein Verdächtiger festgenommen.
Zuvor waren mehr als 550.000 Schriftproben gesammelt - unter anderem über extra dafür in Zeitungen gedruckte Kreuzworträtsel. Diese brachten die Ermittler auf die Spur einer Frau, über deren Vernehmung die Polizei auf den Täter stieß. 1999 kam der Mann dann frei. Und Anfang dieses Jahres verstarb der Mann dann, der zuletzt verheiratet in Magdeburg lebte. Der Fall diente auch als Vorlage für eine Folge der Krimireihe "Polizeiruf 110".
Für Aufregung sorgte zu Jahresbeginn angeblich autobiografische gefärbte Buch Kerstin Apels, der damalige Freundin des Täters. Darin wird der Mordtag im Januar 1981 geschildert - mit der Erzählerin als Komplizin. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin neue Ermittlungen auf.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP