Reisfelder voll Leichen Birmanern geht Kraft aus
09.05.2008, 15:21 UhrDie dreieinhalb Meter hohe Flutwelle hat sie überrascht. Die Familie von Myo Sandar Tun hatte sich vor dem Zyklon gerade auf das Dach eines Lagerhauses in Labutta im Irrawaddy-Delta gerettet. Doch dann kamen die Wassermassen, die sie fortrissen. Etwa 50 Verwandte hat die Birmanin durch den Zyklon "Nargis" verloren, darunter ihre Mutter und ihren Großvater. Erst nach Tagen erfuhr sie vom Schicksal ihrer Angehörigen. Nur ein Überlebender sei gefunden worden. "Die anderen waren weg", erzählt die 32-Jährige in der Hafenmetropole Rangun.
Es ist ähnlich wie beim Tsunami. Jeden Tag gibt es für die Menschen neue Hiobsbotschaften. Nur 30 Kilometer von Rangun entfernt beginnt das Grauen. Leichen treiben in Reisfeldern, im Katastrophengebiet sollen sich die Toten an den Stränden türmen und in Bäumen hängen. Nur wenig ist über die Lage im Irrawaddy-Delta bekannt. "Ich denke, was wir in den Medien sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt Birke Herzbruch, Koordinatorin der Hilfsorganisation Malteser International.
Behörden machen alles nur noch schlimmer
Umso schlimmer ist es für die Helfer, dass sie immer noch nur schwer ins Katastrophengebiet kommen. Die Behörden verweigern die nötigen Reisegenehmigungen. Der Druck auf das Militärregime wächst. Viele Hilfskräfte warten im Ausland weiter auf ein Visum. Wenn sie es ins Land geschafft haben, ist ihre Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt. Da wirkt es wie Hohn, wenn das Staatsblatt "Neues Licht von Birma" neben Fotos von Lebensmitteltransporten einen Dank an die internationalen Organisationen für die Hilfe in der Not abdruckt.
In Rangun sind die Aufräumarbeiten zwar vorangeschritten. "Aber auch hier gibt es Gegenden mit Menschen, die immer noch auf Hilfe warten", sagt Herzbruch. Die Zeit drängt: 120.000 Flüchtlinge harren allein in der Stadt Labutta aus. "Die Leute haben keine Kraft mehr", sagt Joakim Cotting von der Hilfsorganisation ADRA, die zusammen mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen im Krisengebiet Lebensmittel verteilt.
Es geht ums nackte Überleben. Die Menschen müssen sich fürs erste mit einfachen Plastikplanen begnügen. Wie hoch die Zahl der Toten wirklich ist, wird man wohl nie genau wissen. Myo Sandar Tun, die ihre Familienangehörigen noch nicht einmal begraben kann, hat trotz ihres Schicksals die Kraft gefunden, zur Arbeit zurückzukehren. Nun hilft sie selbst Menschen in Not.
Von Johanna Marten, dpa
Quelle: ntv.de