Omikron-Subtyp besorgt Forscher Durchkreuzt BA.2 Deutschlands Lockerungspläne?
19.02.2022, 08:31 Uhr
Der Omikron-Typ BA.2 unterscheidet sich laut einer neuen Studie deutlich von seinen Vorgängern.
(Foto: imago images/Agencia EFE)
Bis Mitte März sollen fast alle Corona-Beschränkungen in Deutschland fallen. Doch gleichzeitig breitet sich der Omikron-Subtyp BA.2 immer weiter aus. Experten sind alarmiert, denn laut einer neuen Studie könnte die Variante nicht nur infektiöser, sondern auch gefährlicher sein.
"Wir haben den Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten", verkündet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die frohe Botschaft angesichts der sinkenden Infektionszahlen in Deutschland. Die langersehnte Normalität scheint damit zum Greifen nah. Bund und Länder bereiten weitreichende Lockerungen vor. Doch gleichzeitig breitet sich der Omikron-Subtyp BA.2 auch in Deutschland immer weiter aus. Und der soll laut einer neuen japanischen Studie nicht nur deutlich ansteckender sein, sondern auch zu schwereren Krankheitsverläufen führen.
BA.2 hat dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge in den letzten Wochen bundesweit deutlich zugelegt. Der Anteil in einer Stichprobe untersuchter Corona-Fälle sei zuletzt auf 14,9 Prozent gestiegen, heißt es im aktuellen RKI-Wochenbericht. In der Vorwoche waren es noch rund 10 Prozent. Virologin Sandra Ciesek schätzt, dass die Variante bis spätestens Mitte März das Infektionsgeschehen hierzulande bestimmen werde. In Dänemark ist BA.2 bereits dominant.
"Wir müssen BA.2 sehr gut im Auge behalten", twitterte der Intensivmediziner und Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, und verwies auf mögliche "biologische Unterschiede" des Omikron-Subtyps BA.2 zu BA.1. Diese hatte eine neue Preprint-Studie aus Japan festgestellt. BA.2 unterscheidet sich nach Angaben der Forschenden genetisch so deutlich von BA.1 und den anderen Omikron-Subtypen, dass sie sich womöglich auch unterschiedlich im menschlichen Körper auswirken. Ihr alarmierendes Resümee: "Die potenzielle Gefahr von BA.2 ist für die globale Gesundheit größer ist als die von BA.1."
Infektiöser und gefährlicher?
Um die krank machenden Eigenschaften von BA.1 und BA.2 zu untersuchen, infizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hamster mit beiden Varianten. BA.2 verursachte dabei "deutlich mehr" Schäden im Lungengewebe und den Atemwegen als BA.1. Auch das Eindringen in menschliche Zellen fällt BA.2 offenbar noch einmal deutlich leichter als BA.1. Das bedeutet: Die Variante könnte sich schneller ausbreiten und zu mehr schweren Covid-19-Verläufen und Toten führen - wenn sich die Studie bestätigt.
Allerdings sind die Ergebnisse der Tierversuche nicht unmittelbar auf Menschen übertragbar, da für die Krankheitsschwere nicht nur die Virusvariante entscheidend ist. Weitere Faktoren wie Alter, Vorerkrankungen und vor allem der Impfstatus beeinflussen, wie schwer eine Person erkrankt. Generell sind Ältere mit Vorerkrankungen stärker gefährdet. Eine dreimalige Impfung senkt das Risiko schwerer Erkrankungen jedoch deutlich. Wie die Studienautorinnen und -autoren selbst einräumen, brauche es daher klinische Untersuchungen am Menschen, um mehr darüber sagen zu können, inwiefern BA.2 wirklich pathogener ist.
Das Forschungsteam schlägt dennoch vor, BA.1 als eigenständige besorgniserregende Variante zu klassifizieren. Denn statistische Analysen hätten gezeigt, dass die Reproduktionszahl von BA.2 um den Faktor 1,4 höher ist als bei BA.1. Die Reproduktionszahl gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person im Mittel ansteckt. "Diese Ergebnisse legen nahe, dass sich BA.2 global noch stärker ausbreiten wird", schreiben die Forschenden.
Auswirkung auf Lage in Kliniken
Auch wenn die japanische Studie noch nicht von Fachleuten begutachtet wurde, liefert sie dennoch Expertinnen und Experten zufolge wichtige Erkenntnisse zur Einordnung des Omikron-Subtyps. Bislang gelte die Annahme, die BA.2-Variante unterscheide sich nicht wesentlich von BA.1, schrieb der US-Mediziner Eric Topol auf Twitter. Die neue Analyse lege nun aber nahe, dass dies möglicherweise doch der Fall ist. Bei BA.2 könnte vieles ganz anders sein, sagte auch Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dem "Standard": "Die Omikron-Schwestern unterscheiden sich in doppelt so vielen Mutationen wie etwa Delta vom Originalvirus."
Und auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach warnte eindringlich vor der neuen Omikron-Variante: Durch die voranschreitende Ausbreitung und leichtere Übertragbarkeit von BA.2 sei "eine langsamere Abnahme oder eine erneute Zunahme der Fallzahlen nicht auszuschließen", sagte er am auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem RKI. Zu einer solchen Entwicklung könnten demnach auch die geplanten Lockerungen der Corona-Maßnahmen und eine damit verbundene Zunahme von Kontakten beitragen.
Unklar ist allerdings noch, ob die Ausbreitung von BA.2 die Lage in den Krankenhäusern verschärfen wird. In Südafrika, wo der Subtyp inzwischen dominant ist, ist das zumindest nicht der Fall. Dort liegt der Anteil von Omikron-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, für beide Subtypen bei jeweils etwas über drei Prozent.
Daten aus Dänemark machen Hoffnung
Die Daten lassen sich aber nur bedingt auf Deutschland übertragen: Die Bevölkerung in Südafrika ist im Durchschnitt deutlich jünger. Zudem haben dort viel mehr Menschen bereits eine Infektion durchgemacht und so einen natürlichen Immunschutz gegen das Coronavirus erlangt. Auch in Deutschland typische Vorerkrankungen wie Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Diabetes sind im Kapstadt weniger verbreitet. Diese gelten unter anderem als Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf.
Ein Blick nach Dänemark macht jedoch Hoffnung: Wie auch in Südafrika, bestimmt auch dort BA.2 bereits das Infektionsgeschehen. Die Inzidenzen sind zwar nach wie vor sehr hoch und auch die Infektionszahlen fallen nur langsam. Allerdings ist die Lage in den Krankenhäusern entspannt. Laut einer Analyse des Statens Serum Instituts gibt es bislang keine Unterschiede bei Hospitalisierten im Vergleich zu BA.1.
Ob BA.2 die Omikron-Welle in Deutschland tatsächlich verlängern und mehr Menschen krank machen wird, lässt sich nicht voraussagen. Es sei ein denkbares Szenario, das aber nicht eintreten muss, sagt Virologin Ciesek im NDR-Podcast. "Das ist auch abhängig von den Maßnahmen und dem Verhalten der Menschen." Mediziner Topol verweist zudem auf Daten der britischen Gesundheitsbehörde UKSHA. Dessen jüngster Bericht zeige, dass der Impfschutz gegen BA.2 genauso gut sei wie gegen BA.1. Und das sei immerhin "recht beruhigend".
Quelle: ntv.de