Panorama

Immer wieder gleiche Verhaltensmuster Frühwarnsystem gegen Amokläufe

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Kriminalpsychologe Jens Hoffmann hat ein Computerprogramm entwickelt, mit dem das Risiko für einen Amoklauf angezeigt werden soll.

(Foto: dpa)

Erfurt, Winnenden, Ansbach: Drei Städte - drei Amokläufe. Lässt sich so etwas verhindern? Der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann von der Technischen Universität Darmstadt bejaht das.

Mit einem Team hat er ein Computerprogramm entwickelt, mit dem ein Risiko für einen Amoklauf angezeigt werden soll. "Unser Motto lautet: Erkennen, Einschätzen, Entschärfen", sagt der 40-Jährige. "Auf die Idee gebracht haben mich Kollegen aus den USA." Den Anstoß gab dann Erfurt. Dort hatte ein 19-Jähriger 2002 an einem Gymnasium 16 Menschen und sich selbst getötet.

Das Prinzip klingt einfach: Das Dynamische Risiko-Analyse-System, kurz DyRiAS, ist mit 32 Warnsignalen aus vielen Amokläufen gefüttert. Dazu zählt, dass jemand zum Beispiel Waffen zeigt, Lebenskrisen hat oder große Verzweiflung offenbart, Suizidabsichten äußert oder sich etwa mit anderen Gewalttätern beschäftigt oder gar identifiziert. Fällt nun ein Schüler auf, werden Informationen über ihn anhand von Fragen mit den Warnsignalen der wirklichen Amokläufe verglichen. Das dauert etwa ein bis zwei Stunden.

Nicht für Privatpersonen gedacht

Seit März dieses Jahres gibt es die Software als Test. "Zwei Risikofälle sind damit schon entdeckt worden", sagt Hoffmann. Die Endversion soll im November vorliegen. Die rund 100 Interessenten dafür kommen hauptsächlich aus Deutschland und der Schweiz. Gedacht ist DyRiAS für Schulpsychologen, Lehrer, Polizisten und Beratungsstellen - nicht für Privatpersonen, um Missbrauch auszuschließen. Für ein Krisenteam an einer Schule kostet die jährliche Lizenz 845 Euro, für das Programm gibt es Schulungen.

"Eine Checkliste allein genügt nicht", erklärt Hoffmann den Aufbau. Bei DyRiAS müssen die Fragen zwar auch mit "Ja", "Nein" oder "keine Informationen" beantwortet werden. Die Software verknüpfe aber Risikomerkmale miteinander, ermögliche eine Gewichtung und eine bessere Analyse der Situation. DyRiAS bietet zudem zur Veranschaulichung konkrete Fallbeispiele. Psychologen äußern sich in Videos, es gibt Fachliteratur.

Sehr in die Tiefe gegangen

Wichtig sei, wie bedeutend einzelne Hinweise sind und wie sie mit anderen zusammenhängen. "Es ist nicht allein wichtig, ob jemand gemobbt wird, sondern, ob ihn das extrem belastet. Hat er das Mobbing verarbeitet, ist dieser Punkt nicht mehr gefährlich", erklärt Hoffmann. "Hier und da sich ein Gewalt-Video anzusehen ist nicht entscheidend, aber schon, wenn es jemand Tag und Nacht macht."

Gefährlich kann es werden, wenn Größenfantasien und Drohungen ("Ihr werdet Euch alle noch über mich wundern") mit Hoffnungslosigkeit oder Suizidabsichten zusammentreffen. "Dann hat es eine Bedeutung", sagt der Psychologe. "Dann wollen viele als "Rächer" in die Medien kommen."

"Bei der Auswertung von Amokläufen sind wir sehr in die Tiefe gegangen", schildert Hoffmann. "Wir haben Tagebücher gelesen und uns Zeugenaussagen angeschaut. Wir fanden immer wieder das gleiche Verhaltensmuster", sagt Hoffmann. "DyRiAS ist aber keine Persönlichkeitsanalyse nach dem Motto "Der ist so und der bleibt so".

Quelle: ntv.de, Joachim Baier, dpa

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