Bohrung für Erdwärmeheizung misslingt Ganzes Dorf könnte bald unbewohnbar sein
10.07.2013, 09:51 Uhr
Die Häuser brechen förmlich auseinander wie hier im badischen Staufen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Erdwärme ist eigentlich eine gute Sache. Im Elsass lässt sich eine Familie eine Erdwärmeheizung bauen, die das ganze Dorf in Gefahr bringt. Bei der Tiefenbohrung wird eine dichte Tonschicht durchbohrt. Das einschießende Grundwasser "hebt jetzt das ganze Dorf an". Die Bewohner sind stinksauer und ihre Häuser nichts mehr wert.
Häuser in Schieflage, Fassaden voller Risse, eine eingesunkene Straße - im elsässischen Lochwiller ist der Boden in Bewegung geraten. Und die 450 Einwohner fürchten, dass ihr Dorf eines Tages gar nicht mehr bewohnbar sein wird. Nach einigem Rätselraten scheint nun zumindest die Ursache des Phänomens geklärt: Experten zufolge wurden die Schäden durch Bohrungen für eine Erdwärmeheizung verursacht. Die Bewohner sind stinksauer über den Vorfall, der sich so auch schon in Süddeutschland ereignet hat.
"Seit zwei Jahren geht alles kaputt", wettert Rodolphe Matjeka und zeigt auf die Risse an seinem Haus, einem typisch elsässischen Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert, den er 2009 erworben hat. Eine der Treppen sei "in zwei Teile gebrochen". Die angrenzende Scheune habe er abreißen lassen müssen, weil sie zusammenzubrechen drohte. Der vom Pech verfolgte Hausbesitzer hat mittlerweile ein Gericht angerufen, um Schadensersatz zu fordern. Die Reparaturen hätten ihn schon "mehrere zehntausend Euro" gekostet, klagt Matjeka.
Mehrere Nachbarn, deren Häuser ebenfalls betroffen sind, haben sich mittlerweile der Klage angeschlossen. "Zuerst meinten wir, die Neubausiedlung da oben sei schuld", erläutert Matjeka und zeigt auf einige neue Häuser auf einem Hügel. Von Fachleuten vorgenommene Messungen hätten aber die tatsächliche Ursache ausgemacht: Bohrungen für eine Erdwärmeheizung in einem nahegelegenen Garten.
Fehler auch andernorts gemacht
Dabei sei in mehr als 100 Metern Tiefe eine undurchlässige Tonschicht durchbohrt worden, erläutert einer der Experten. Das darunterliegende Grundwasser sei mit großem Druck nach oben geschossen und in eine relativ weiche Gesteinsschicht gedrungen. Durch eine chemische Reaktion mit dem Calciumsulfat des Gesteins sei Gips entstanden, der durch das Wasser angeschwollen sei und den Boden nach oben gehoben habe.

Der Boden unter der denkmalgeschützten Altstadt von Staufen ist seit Sommer 2007 in Bewegung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das gleiche Phänomen ist bereits seit 2007 im badischen Staufen im Breisgau zu beobachten, wo der Boden unter dem historischen Stadtkern ebenfalls nach einer Erdwärmebohrung in Bewegung geraten ist. Bis heute wurden in dem knapp 8000 Einwohner zählenden Städtchen mehr als 200 Gebäude beschädigt.
Im rund 33 Kilometer nordwestlich von Straßburg gelegenen Lochwiller sind die Schäden bisher nur an einigen Häusern zu sehen. Doch das Grundwasser breite sich immer weiter aus, erläutert der Experte. "Langfristig wird das ganze Dorf betroffen und immer mehr Häuser werden unbewohnbar sein."
Betroffen ist auch die Neubausiedlung. Ihr Haus neige sich immer mehr zur Seite, klagt eine junge Mutter. Auch die neuen Straßen der Siedlung schwellen an - innerhalb von drei Jahren wurde der Asphalt um rund zehn Zentimeter nach oben getrieben. Eine Straße musste bereits gesperrt werden.
Grundstückspreise verfallen
"Ich habe noch nichts festgestellt", versichert ein junger Mann, dessen Haus rund 100 Meter von der Bohrstelle entfernt liegt. Ein Opfer sei er dennoch: "In Lochwiller lässt sich kein Haus mehr verkaufen", betont er. "Ich zahle also einen Kredit für eine Immobilie ab, die nichts mehr wert ist." Noch dazu sei das Dorf ein Ausflugsziel für Schaulustige geworden. "Sonntags, nach dem Mittagessen, kommen sie, um die Risse von Lochwiller zu sehen", sagt er bitter.
Der Bürgermeister der Gemeinde, Jean-Marie Storck, will nichts zu der Angelegenheit sagen, bevor die vom Gericht bestellten Gutachter ihren Bericht abgeliefert haben. In einer ersten Stellungnahme deutet ein vom Gericht beauftragter Gutachter eine Lösung an: Das gesamte Gebiet rund um die Bohrstelle müsse abgedichtet werden, um das Ansteigen des Grundwassers zu stoppen. Doch ob das gelinge, sei nicht sicher.
Vor allem bleibt die zentrale Frage - wer wird für die Schäden aufkommen? "Ob das die Gemeinde ist, der Staat, die Bohrfirma oder der Heizungsinstallateur - ein Verantwortlicher muss ausfindig gemacht werden", fordert Matjeka. "Denn unsere Versicherungen weigern sich inzwischen, noch irgendetwas zu erstatten."
Quelle: ntv.de, Cédric Simon, AFP