Panorama

Militärregime gibt nach Hilfe kann anlaufen

Fünf Tage nach der Zyklon-Katastrophe hat die Militärregierung in Birma ihre Verweigerungshaltung aufgegeben. Die Vereinten Nationen und verschiedene Hilfsorganisationen erhielten nach eindringlichen Appellen aus der ganzen Welt die Erlaubnis, Hilfsflüge ins Land zu schicken. Eine erste Hilfslieferung des Welternährungsprogramms (WFP) ist - mit zweitägiger Verzögerung - inzwischen eingetroffen. Das WFP erklärte, die Militärjunta habe schließlich eine Landeerlaubnis erteilt. Unklarheit herrscht noch über einen geplanten US-Transportflug mit Hilfsgütern nach Birma. Er findet entgegen früheren Meldungen nun doch nicht statt. Offen ist, ob die zuvor verkündete Einreise-Erlaubnis durch die Militärjunta in Birma ein Missverständnis gewesen ist oder ob die Junta diese zurückgezogen hat.

Noch heute sollen auch zwei Flugzeuge mit Hilfsgütern des Roten Kreuzes nach Birma aufbrechen. Eine Chartermaschine und ein Linienflugzeug von Thai Airways mit Material würden voraussichtlich am Abend in Kuala Lumpur in Malaysia starten, sagte Rot-Kreuz-Koordinator Bernd Schell. "Die Genehmigungen liegen vor", betonte er. Die Maschinen sollen Plastikplanen und Baumaterial nach Birma bringen. Zunächst würden jedoch nur kleinere Ladungen in das südostasiatische Land gebracht, um zu testen, ob die Militärregierung die Materialien wie versprochen beim Roten Kreuz belasse. Bislang berichteten Hilfsorganisationen, die Junta übernehme ausländische Hilfslieferungen und verteile sie selbst. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kommen in weiten Teilen des Landes zudem kaum voran. "Auf den Flüssen kann man sich nicht fortbewegen, so viel Schutt ist da drin", berichtete Wolfgang Jamann von Care Deutschland-Luxemburg. Viele Straßen seien kaum passierbar. Zudem sitzen nach Angaben des Malteser Hilfsdienstes zahlreiche Mitarbeiter in Rangun fest.

Botschafter einbestellt

Angesichts der Verzögerungen bei den Hilfslieferungen für die Opfer des Zyklons in Birma hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den birmanischen Botschafter in Berlin zu einem Gespräch einbestellt. Nach dem Treffen in Berlin sagte Steinmeier, er habe seinen Appell wiederholt, Hilfslieferungen möglichst schnell zuzulassen.

"Ich habe ihn eindringlich gebeten, diese Botschaft seiner Regierung in Myanmar (Birma) zukommen zu lassen", sagte der SPD-Politiker. Es stünden Helfer des THW bereit, die sofort los fliegen könnten, sobald Visa erteilt worden seien. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes teilte mit, dass Deutschland bisher eine Million Euro an Hilfen angeboten habe. Sehr schwierig gestalte sich jedoch bisher der Abfluss des Geldes.

Es reicht nicht

Unterdessen zeigt der internationale Druck auf das Militärregime auch in anderen Bereichen Wirkung: Helfer aus asiatischen Ländern kämen nun leichter an Visa, berichtete Schell. Viele westliche Hilfskräfte warteten jedoch weiter auf ihre Einreiserlaubnis: "Das ist noch nicht, was wir brauchen".

Bislang verteilen rund 200 hauptamtliche und mehr als 10.000 freiwillige Rotkreuzhelfer Zelte, Wasser, Kleidung und Nahrungsmittel aus lokalen Katastrophenlagern an die Bevölkerung. Sechs ausländische Mitarbeiter unterstützen das lokale Rote Kreuz bei der Koordination der Hilfe. "Für uns fängt die Arbeit jetzt erst an", sagte Schell. "Wir rechnen mit bis zu einer Million Obdachlosen, die über Monate, wenn nicht Jahre, auf Hilfe angewiesen sein werden."

Land unter

Immer noch stehen rund 5000 Quadratkilometer Birmas unter Wasser. Um den Notleidenden zur Hilfe zu kommen, werden Schiffe, Hubschrauber und Lastwagen benötigt.

Der Zyklon "Nargis" könnte nach Einschätzung einer US-Diplomatin 100.000 Menschen das Leben gekostet haben. Allein im Bezirk von Labutta müsse mit mehr als 80.000 Toten gerechnet werden, sagte ein Armeevertreter. Die Stadt Labutta liegt im Irawadi-Delta, dem Zentrum der Verwüstungen durch den Zyklon. Dutzende der 63 Ortschaften rings um die Stadt seien ausradiert, sagte der Armeevertreter. Die staatlichen birmanischen Medien bezifferten die Zahl der Toten auf knapp 23.000, mehr als 42.000 Menschen galten demnach als vermisst.

Der Wirbelsturm war am Freitagabend vom Golf von Bengalen kommend am Delta des Irawadi-Flusses auf das südostasiatische Land getroffen und hatte auf seinem Weg nach Osten eine Schneise der Zerstörung hinterlassen.

Bilder aus dem zerstörten Land

Die Menschen in der verwüsteten Küstenregion im Süden des Landes sitzen ohne Trinkwasser und Nahrung und ohne Schutz vor der Mückeninvasion auf den Trümmerbergen ihrer Häuser und warten, berichtete ein BBC-Reporter. Ihm war es gelungen, ins Land zu reisen und eine Kamera in das Katastrophengebiet zu schmuggeln. Die Militärjunta überlegt unterdessen immer noch, ob sie ausländischen Helfern die Einreise in das abgeschottete Land erlauben soll.

Keine Alternative zu Öffnung

"Die zahlreichen Leichen stellen eine große Seuchengefahr dar", erklärt ein Diplomat in Rangun. "Hier ist eine echte Revolution gefordert", fährt er fort. "Nötig wäre eine Öffnung des Landes, die es in dem Ausmaß hier noch nie gegeben hat." Es sei noch nicht klar, ob das Regime zu der Kooperation bereit sei. Es gebe einige positive Anzeichen, aber gleichzeitig würden Visum-Anträge auch seit Tagen verschleppt, so der Diplomat.

In Deutschland hegt Khin Maung Yin, der Vereinsvorsitzende von Burma Projekt e.V., politische Hoffnungen. "Die Katastrophe ist so groß", so der Birmane gegenüber n-tv.de, "dass die Generäle, die sonst nie Mitgefühl mit der Bevölkerung empfinden, vielleicht umdenken." Die Regierung habe die Lage unterschätzt und sei nun auf jede Hilfe von außen angewiesen. Hier sieht er die Chance auf eine Annäherung zwischen oppositionellen Exil-Birmanen und dem Regime. Auch die deutsche Politik könne den Prozess fördern, so Khin Maung Yin: "Die deutsche Seite sollte neben ihrer humanitären Hilfe auch den politischen Dialog zwischen der Opposition und dem burmesischen Militär forcieren." Der Verein "Burma Projekt" arbeitet schon seit Jahren eng mit Hilfsorganisationen in Birma zusammen.

Quelle: ntv.de

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