"Verschwenderisch, schwul, aber nicht verrückt" Ludwig II. erregt die Bayern-Seele
13.06.2011, 07:48 Uhr
Der Streit um Ludwig II. wird, das macht vielleicht gerade seinen Reiz aus, immer weiter gehen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Am 13. Juni gedenken die Bayern des 125. Todestages ihres Märchenkönigs. Ludwig II. starb mit nur 40 Jahren unter Umständen im Starnberger See, die bis heute ungeklärt sind. War es ein Unfall? Selbstmord? Oder gar Mord? In der offiziellen Version ertrank Ludwig kurz nach seiner Entmündigung wegen geistiger Umnachtung. Psychiater bezweifeln, dass Ludwig geisteskrank war. Der Hirnforscher Heinz Häfner ist sich sicher, dass ihn seine Familie durch diese Diagnose loswerden wollte. Es gebe genügend Beweise, dass Ludwig II. homosexuell gewesen sei, aber keineswegs geisteskrank.
n-tv.de Herr Professor Häfner, in Ihrem Buch "Ein König wird beseitigt – Ludwig II. von Bayern" verfolgen Sie zwar nicht die These, Ludwig könnte Opfer eines Komplotts geworden sein. Sie sprechen aber davon, dass der König zunehmend zur Belastung für seine eigene Familie wurde. Ist das im Grunde nicht das Gleiche?
Heinz Häfner: Mit solchen Aussagen muss man vorsichtig sein. Bereits im Landtagsausschuss 1886 – also dem Untersuchungsausschuss zum Tode Ludwigs – war festgehalten worden, dass es im Leben des Königs "außerordentlich peinliche Dinge" gegeben habe, die man besser verschweige, um das Ansehen des Königs nicht zu belasten. Dabei ist es nicht eindeutig, ob es nur die Homosexualität des Königs war. Sehr viel wahrscheinlicher ist damit der Hinweis gemeint, dass der König junge Reitersoldaten missbraucht hat. Diese Tatsache ist schon damals sehr viel ernster behandelt worden als die seiner Homoerotik. In meinem Buch habe ich bereits dargelegt, dass Ludwig II. nicht der einzige deutsche Fürst dieser Zeit war, der homoerotisch aktiv war. Es war zu selben Zeit auch König Karl I. von Württemberg (1823-1891), der sein Regierungsamt mehr vernachlässigte als Ludwig II. König Karl ging mit seiner Homosexualität allerdings viel offener um als Ludwig. Er ließ sich sogar gemeinsam mit seinem Liebhaber in der Öffentlichkeit blicken, bis dies seiner Familie zu viel wurde. Und auch er hinterließ seinen Nachkommen einen riesigen Schuldenberg.
Sie haben in Ihrem Buch nachgewiesen, dass Ludwig II. keineswegs geistesgestört war.
Das ist eine Formulierung, die der Wissenschaftler so nicht gebrauchen würde. Wir haben eindeutig darlegen können, dass die Annahme einer Geisteskrankheit nicht vertretbar ist. Das Hauptmotiv, weswegen Ludwig II. entmündigt und entmachtet wurde, ist Geld. Die zunehmende und scheinbar unbegrenzte Verschuldung der Kabinettskasse belastete am Ende auch das Budget das Königsfamilie. Er hat seine Familie finanziell im Hinblick auf Einkommen und Vermögen fast ruiniert. Die Familie musste seine Schulden bis zum Jahr 1901 abzahlen. Dies gelang nur durch ein Abkommen Ludwigs mit dem Komponisten Richard Wagner, der ein Teil seiner Opern-Tantiemen der Familie Ludwigs und dessen Erben zufließen ließ. Wagner war ja praktisch von Ludwig vor dem Untergang bewahrt und wieder aufgebaut worden.
Sie sprechen von den Schulden, die sich durch den Aufbau seiner Schlösser wie Neuschwanstein angehäuft haben. Sind die Bauten Spiegel seiner Seele?

Ludwig II. ist zu verdanken, dass Bayern eine Sonderrolle in Kaiserreich behalten konnte.
(Foto: dapd)
Ludwig hatte durchaus Probleme mit seiner Umwelt, er hatte Angst davor, von anderen wegen seiner Neigungen verachtet zu werden. Er war ein Einzelgänger, ging in den Wäldern spazieren und baute sich dort seine Scheinwelt auf. Er wollte sich eine Welt schaffen, in der er sein absolutes Königreich von Gottes Gnaden leben konnte. Nach dem Verlust der Souveränität an das Deutsche Kaiserreich 1871 wurde das allerdings zunehmend schwierig, wenn nicht gar unmöglich. In seinen Schlössern materialisierte er also seine königlichen Visionen.
Im Abschlussbericht der Untersuchungskommission 1886 hieß es, dass seine Geisteskrankheit bereits 20 Jahre zuvor, also etwa zur Zeit seines Amtsantritts, eingesetzt habe.
Für diese skurrile Behauptung gibt es keine Anhaltspunkte. Klar ist aber, dass von interessierter Seite Wert darauf gelegt wurde, zu behaupten, dass er immer schon geisteskrank war. Selbst in soliden historischen Werken bis hinein in die Gegenwart finden sich Formulierungen, dass der König nicht regierungsfähig war und das bayerische Königreich in einer kritischen Zeit keinen regierungsfähigen König hatte. Das ist inzwischen durch eindeutige Beweise widerlegt.
Durch welche?
Der Historiker Manfred Botzenhart hat die politische Arbeit des Königs an neuen Quellen untersucht und dabei belegt, dass Ludwig politisch viel aktiver war als bisher bekannt. Er hat ihn dabei verglichen mit der politischen Aktivität seiner Zeitgenossen in Regierungspositionen. Eines seiner wesentlichen Prinzipien war das monarchische Prinzip, die Rechte des Königs als Regierungsspitze zu erhalten. Auch ist es ihm zu verdanken, dass Bayern eine Sonderrolle im Kaiserreich behalten konnte. Er hat seine administrativen Aufgaben verlässlich erledigt, jeder Verwaltungsakt war ihm bekannt und von ihm gegengezeichnet. Ein Beweis dafür sind die sogenannten Signatenbücher, in denen diese Vorgänge festgehalten wurden. Ein Geisteskranker wäre damit sicher überfordert gewesen.
Hat sich Ludwig im Laufe seiner 20 Regierungsjahre politisch entwickelt?
Ja, auch dafür gibt es Beweise. Der Historiker Franz Merta analysierte die Gesetzgebungen Ludwigs über die gesamte Regierungszeit hinweg. Er stellte fest, dass Inhalte und Formulierungen der Befehle nicht nur von vornherein als vernünftig und nachvollziehbar zu bewerten sind, sondern dass im Laufe der Zeit eine größere systematisch Ordnung zu erkennen ist. Dies ist ein Beweis dafür, dass Ludwig erfahrener wurde im Umgang mit Gesetzen. Zudem hat er die Musikakademie und Technische Universität München gegründet. Er galt selbst als Tüftler und Bastler, er förderte moderne Technologien und viele andere kulturelle Bereiche.
Aus dem Hause Wittelsbach hieß es unlängst, es gebe zu Ludwig II. keine neuen Erkenntnisse, Geheimakten würden nicht zurückgehalten und es sei ohnehin schon alles über den "Kini" gesagt worden. Heißt das, weitere Forschungen sind nicht erwünscht?

Prof. Heinz Häfner ist Gründer des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim.
(Foto: ZI)
Genau das heißt es und das geschieht in guter Tradition. Schon der erste Biograf des Königs, Gottfried von Böhm, stand als Zeitgenosse Ludwigs dem Hause Wittelsbach sehr nahe. Er wies bereits damals darauf hin, dass die Beweislage unabänderlich und die Aussagen der Zeugen nicht mehr zugänglich seien. Diese Politik setzt sich bis heute fort. So hat uns Franz von Bayern den Zugang zum geheimen Hausarchiv verwehrt. Uns blieb nur, eine beispielslose detektivische Archivarbeit zu entwickeln. Wir haben an vielen Stellen im In- und Ausland Material gefunden – auch solches, was bis dahin gar nicht bekannt war. Der Herzog war nach Erscheinen meines Buches so erbost, dass er mir auf Lebenszeit den Zugang zu seinen Archiven verbot.
Das kann doch auch eine schöne Bestätigung für Sie sein ...
… und natürlich ein dankbarer Beleg, dass etwas dran sein muss, an dem, was wir erarbeitet haben. Wenn ohnehin schon alles bekannt wäre, wie Herzog Franz behauptet, dann hätte man die Archive ja auch öffnen können.
Quelle: ntv.de, Mit Heinz Häfner sprach Peter Poprawa