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Neue Väter, alte Klischees Männer entdecken die Familienzeit

Viele Väter fürchten den Karriereknick.

Viele Väter fürchten den Karriereknick.

(Foto: dpa)

Das neue Elterngeld Plus soll für mehr Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf sorgen. Bisher nehmen viele Väter nur die zwei Partnermonate und müssen sich den Vorwurf einer "Alibi-Elternzeit" gefallen lassen. Doch es liegt oft gar nicht an ihnen.

Vier von fünf Vätern nehmen zwei Monate Elternzeit. Gut zwei Drittel aller Väter verzichten gleich ganz darauf. Diese aktuelle Mitteilung des Statistischen Bundesamtes für den Herbst 2013 dürfte niemanden verblüffen. Es bleibt offenbar bei der alten Ordnung Mama-Papa-Kind, weil 100 Prozent Elternrolle mit 100 Prozent Karriere eben doch nicht vereinbar sind.

"Ich sehe das anders", kommentiert Ralph Thewes aus Berlin die statistische Tendenz, der allerdings auch seinen richtigen Namen lieber nicht online lesen will, obwohl er beweist, dass mehr möglich ist. Als Angestellter eines mittelständischen Industrieunternehmens hatte er eigentlich keine andere Wahl. Zwei Monate standen auf seinem Plan. Es wurden zehn. "Ich trat in meinem Job gerade auf der Stelle und war sehr unzufrieden. Warum also nicht etwas wirklich Sinnvolles tun?" Immer mehr Väter möchten für ihre Kinder da sein und am Familienleben aktiv teilhaben. Und das nicht trotz, sondern mit Job. Die Studie "Eltern 2015" besagt sogar, dass mit 85 Prozent generell mehr Väter für ein partnerschaftliches Erziehungsmodell stimmen als Mütter mit nur 67 Prozent. Allein die Realität sieht vollkommen anders aus. Warum eigentlich?

Sind die Mütter schuld?

"Die Einstellung des Vaters ist der eine Aspekt", weiß Eberhard Schäfer, Geschäftsführer des Väterzentrums Berlin, das sich als Verein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzt. "Die Haltung der Mutter der andere. Zwar wird die Entscheidung über die Aufteilung der Elternzeitmonate gemeinsam gefällt. Doch viele Paare reden darüber nicht miteinander." Wenn eine Mutter also selbst das erste Jahr zu Hause bleiben möchte, ist die Sache ohne einen weiteren Dialog oft entschieden.

Was keinesfalls heißen soll, dass der geringe Anteil von Männern in längerer Elternzeit auf das Konto engagierter Mütter ginge. Andersherum wird eher ein Schuh daraus: "Wenn Männer lediglich die beiden Partnermonate nehmen, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie weniger familiär engagiert wären", betont Schäfer. Eine aktuelle Studie des Instituts für sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra) liefert ergänzende Erkenntnisse. Darin heißt es, ausschlaggebend für die Länge der "Vaterzeit" seien vorrangig die Vertretungsmöglichkeiten im Job und die berufliche Situation der Partnerin.

Engagierte Papas als Unikum

So auch bei Ralph Thewes. "Meine Frau ist freiberuflich tätig. Schon in der Schwangerschaft war klar, dass sie schnell zurück ins Büro muss, um ihre Auftraggeber zu halten. Die zehn Monate waren schließlich eine bewusste Entscheidung für unseren Sohn und für den Job meiner Frau." Der Ingenieur beschreibt die Elternzeit als "die beste Wahl" seines Lebens. Aber ist sie das auch beruflich? Eberhard Schäfer vom Berliner Väterzentrum kann nur von Erfahrungen anderer Väter berichten: "Wirklich drastische berufliche Nachteile sind wohl eher selten." Eine längere Elternzeit führt offenbar nicht zwangsläufig zum Karrierestopp.

Doch ein Knick ist ebenso wenig auszuschließen. Und der kommt manchmal schleichend. Als Ralph Thewes an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, war alles beim Alten: die Kollegen, sein Schreibtisch, der defekte Wasserspender. Nur sein Aufgabengebiet hatte sich leicht geändert, seine engste Mitarbeiterin war intern versetzt worden und ein neuer Kollege teilt sich mit ihm nun, was zu tun ist. Die SowiTra-Studie zeigt auf, dass Ansehens- und Einkommensverluste wie auch schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund der längeren Elternzeit die weitere Karriere von Vätern erheblich beeinträchtigen können. Ein Paradox, denn Väter und Mütter müssten an sich beliebte Arbeitnehmer sein. "Sie arbeiten in der Regel zuverlässig, strukturiert und engagiert, eben weil es neben dem Beruf noch das Zuhause gibt, wo sie nach der Arbeit hinmöchten. Und sie agieren äußerst verantwortungsvoll, weil sie wissen, wofür sie ihr Geld verdienen", fasst Schäfer zusammen.

Gehen Beruf und Familie also doch "gar nicht" zusammen, und bleiben Mütter deshalb mehrheitlich zu Hause, weil sie es selbst wollen oder weil das bessere Gehalt, meist das des Mannes, entscheidet? Vielleicht ja. Was kann helfen? In der Familie: offener über gemeinsame Betreuungswünsche sprechen. Im Büro: mit Vorgesetzten nach Vertretungslösungen und Teilzeitmodellen suchen. Das Elterngeld Plus könnte hier neue Optionen eröffnen. Und gesellschaftlich? Ein weites Feld, solange Kinder als berufliches Leistungshindernis und engagierte Väter als Unikum betrachtet werden. Ralph Thewes bringt seinen Wunsch auf den Punkt: "Nach zehn Monaten in Elterncafés und auf Spielplätzen wünsche ich mir, dass es eine gleichberechtigtere Wahrnehmung für Väter in längerer Elternzeit gäbe. Ich habe oft gehört, wie besonders es sei, dass ich so lange zu Hause bleibe. Aber für mich war das die Realität, und dieses Lob klang immer ein wenig so, als würde mich jemand dazu beglückwünschen, dass ich mir die Schuhe selbst zugebunden habe."

Quelle: ntv.de

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