Vier Jahrzehnte nach Dauphin Ontario liebäugelt mit Grundeinkommen
12.03.2016, 13:18 Uhr
Die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen findet immer neue Unterstützer.
(Foto: youtube/buchtrailer/Was fehlt, wenn alles da ist?)
In einer Stadt in Kanada erblühte einst das Leben. Es gab weniger psychisch Kranke und mehr Teenager, die die Highschool abschlossen. Dauphin war "die Stadt ohne Armut". Jetzt will eine ganze Provinz das Grundeinkommmen testen.
Sozialromantik oder Zukunftsmodell? Am bedingungslosen Grundeinkommen scheiden sich die Geister. Doch inzwischen wird weltweit immer häufiger über eine Einführung diskutiert und die Fans werden immer zahlreicher. Nach den Niederlanden, Finnland und der Schweiz denkt man nun auch in Kanada über das "wichtigste Experiment unserer Zeit" (Süddeutsche Zeitung) nach.
Ontario ist eine Provinz im Südosten Kanadas. Sie ist die mit Abstand bevölkerungsreichste und nach Québec die flächenmäßig zweitgrößte Provinz des Landes. Hauptstadt und gleichzeitig größte Stadt des Landes ist Toronto. Bei der letzten Volkszählung 2006 wurden 12.160.282 Einwohner gezählt, was knapp 40 Prozent der Bevölkerung Kanadas entspricht.
Die Regierung der Provinz Ontario legte jüngst ihren Haushaltsplan für 2016 vor. Darin finden sich im Abschnitt E mit dem Titel "Auf dem Weg zu einer gerechten Gesellschaft" zahlreiche Programme, mit denen die Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen in Ontario verbessert werden sollen - unter anderem auch ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Noch ist aber nur die Rede von einem Test, den die Politiker gemeinsam mit Kommunen und Wissenschaftlern in diesem Jahr ausarbeiten wollen. Die Hoffnung ist, dass ein solches Grundeinkommen die Kosten in anderen sozialen Bereichen, etwa bei der Gesundheitsversorgung senken würde und sich so insgesamt auch auf den Staatshaushalt positiv auswirkt.
Dauphin war "die Stadt ohne Armut"
Ein festes Gehalt für jeden, auch ohne Arbeit - seit Jahren arbeiten Initiativen weltweit daran, dass aus dieser Utopie Realität wird. Ihren Ursprung hat die Idee in Kanada. 1974 beschloss die damals linksliberale Regierung, mitten im Nirgendwo, im beschaulichen Dauphin das revolutionäre Mincome-Experiment zu starten. Mit großem Erfolg: Die Arbeitslosigkeit sank, die Menschen wurden weniger häufig krank. Doch inmitten der durch die Ölkrise ausgelösten Rezession wurde das Experiment fünf Jahre nach dem Start eingestellt und geriet seitdem in Vergessenheit.
Wie genau das neue Experiment aussehen soll, ist noch nicht bekannt. Für Kanadas Familien- und Sozialminister ist das aber auch im ersten Schritt nicht die Hauptsache: "Ich denke, dass die Prinzipien, die hinter der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens stehen, das Wichtigste sind", wird Jean-Yves Duclos in der kanadischen Tageszeitung "The Globe and Mail" zitiert. Es gehe um Transparenz, Gleichheit und den Abbau von Bürokratie. Persönlich freue er sich darüber, dass sich Menschen für diese Idee interessieren.
Wo die Utopie wahr werden könnte
Andere Länder sind in ihrer Planung bereits konkreter. Zwölf niederländischer Städte wollen in diesem und dem kommenden Jahr entsprechende Experimente starten. So wurden beispielsweise in Utrecht 300 Testpersonen ausgewählt. Jede von ihnen soll 900 Euro pro Monat erhalten, für einen Zweipersonenhaushalt gibt es 1300 Euro.
Die finnische Regierung plant ebenfalls ein regionales Experiment. Die Regierung stellte 20 Milliarden Euro zur Verfügung, rund 10.000 Haushalte sollen teilnehmen. Die genaue Summe des Grundeinkommens steht hier noch nicht fest, im Gespräch sind rund 800 Euro.
Die Schweiz will im Juni dieses Jahres eine Volksabstimmung zum bedingungslosen Grundeinkommen abhalten und so die Entscheidung in die Hand der Bürger legen. Wie hoch ein solches Grundeinkommen dann wäre, ist noch nicht klar. Spekuliert wird über einen Betrag von 2500 Euro.
Auch in Deutschland gab es bereits Überlegungen, sich an einem ähnlichen Experiment zu versuchen. Allerdings überwiegen die Zweifel an der Finanzierbarkeit. Das bedingungslose Grundeinkommen taucht hierzulande lediglich bei der Piratenpartei im Wahlprogramm auf. Populär ist die Idee dennoch: Der Berliner Michael Bohmeyer rief 2014 ein Crowfunding-Projekt ins Leben, das einem Menschen ein Einkommen von monatlich 1000 Euro ermöglicht.
Quelle: ntv.de