Panorama

"Wir wollen keine Atomkraftwerke" Tausende protestieren in Japan

Seltenes Bild: Anti-Atom-Protest in Tokio.

Seltenes Bild: Anti-Atom-Protest in Tokio.

(Foto: dpa)

In ganz Japan gedenken die Menschen mit einer Schweigeminute der Opfer der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom 11. März, in deren Folge es zu dem schweren Atomunfall in Fukushima gekommen war. Vor dem Reaktorunglück in Fukushima gab es in Japan so gut wie keine Proteste gegen Atomkraft. Das ist heute anders.

Drei Monate nach der Atomkatastrophe in Fukushima sind in Japan tausende Menschen gegen Atomkraft auf die Straße gegangen. Allein in Tokio zogen rund 6000 Menschen am Firmensitz des Kraftwerksbetreibers Tepco vorbei.

"Wir wollen keine Atomkraftwerke", war auf den Plakaten in Tokio zu lesen. "Es ist Zeit, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen", sagte der Chef von Greenpeace International, Kumi Naidoo, vor Demonstranten im Yoyogi-Park in der japanischen Hauptstadt, die sich anschließend mit Blumen in den Händen zu einem weiteren Protestzug formierten. Einige Dutzend Gegendemonstranten, offenbar rechtsgerichtete Bürger, wandten sich gegen eine Abkehr von der Atomkraft. In ganz Japan gab es Medienberichten zufolge etwa hundert Protestaktionen gegen die Atomkraftnutzung, unter anderem in Hiroshima, das 1945 von einer US-Atombombe zerstört wurde.

"Nicht an Proteste gewöhnt"

Miyako, 14.46 Uhr: Eine Frau und ihr Enkel beten während der Schweigeminuten für die Toten.

Miyako, 14.46 Uhr: Eine Frau und ihr Enkel beten während der Schweigeminuten für die Toten.

(Foto: REUTERS)

Im Vergleich zu Deutschland ist die Anti-Atom-Bewegung in Japan trotz der Katastrophe von Fukushima noch immer winzig. "Die Menschen in Japan haben zwar auch ihre eigene Meinung", sagte der Demonstrant Reo Komazawa. "Aber sie sind nicht so dran gewöhnt wie die Deutschen, sie öffentlich zeigen."

Die jüngsten Proteste dürften den Druck der Öffentlichkeit erhöhen, der bereits zum Stillstand eines Großteils der japanischen Atomkraftwerke geführt hat. Im ganzen Land wurden zahlreiche Reaktoren nach turnusgemäßer Wartung nicht wieder ans Netz gebracht, weil zunächst strengere Sicherheitsauflagen umgesetzt werden sollen. Derzeit laufen 19 der 54 AKWs, die vor Fukushima in Betrieb waren. Kritiker warnen aber vor Stromengpässen, und viele Experten halten einen vollständigen Atomausstieg in Japan für wirtschaftlich riskant.

Diese Position wird von den AKW-Gegnern infrage gestellt: "Die Atomlobby sagt, dass die Kosten für umweltfreundliche Energie zu groß seien", sagte der 59-jährige Ingenieur Yonosuke Sawada. "Dabei ist es viel teurer, dieses Chaos zu beseitigen, und die Wahrscheinlichkeit weiterer lebensbedrohlicher Unfälle ist viel höher." Die 28-jährige Kindergärtnerin Yu Matsuda kam mit ihren beiden kleinen Kindern zur Tepco-Zentrale. "Ich möchte, dass meine Kinder draußen spielen können, ohne dass ich mir Sorgen machen muss", sagte sie.

90.000 noch immer in Notunterkünften

An vielen Stellen tut sich nichts. (Ende März und Anfang Juni)

An vielen Stellen tut sich nichts. (Ende März und Anfang Juni)

(Foto: AP)

Mit einer landesweiten Schweigeminute gedachten die Japaner der Opfer des Erdbebens der Stärke 9,0 und des anschließenden Tsunamis am 11. März. Noch immer leben mehr als 90.000 Menschen in Notunterkünften. Zwar wurden inzwischen rund 28.000 Behelfsunterkünfte für die Opfer gebaut, doch werden noch Tausende weitere benötigt. Erschwert wird dies durch noch immer herumliegende Trümmerberge.

Seit Beginn der Dreifach-Katastrophe sind rund 15.400 Tote geborgen worden, rund 8100 Menschen gelten weiter als vermisst. Die Reparaturtrupps in der Atomruine in Fukushima kämpfen weiter gegen Millionen Liter inzwischen verseuchten Wassers, mit dem die Reaktoren gekühlt werden sollen. Zugleich nimmt die Sorge der Menschen vor den weiter austretenden radioaktiven Strahlen zu. Es dürfte noch mehrere Monate dauern, bis die Situation in dem havarierten Atomkraftwerk unter Kontrolle ist.

Kann besucht Katastrophengebiet

An manchen Stellen hingegen schon. (Mitte April und Anfang Juni)

An manchen Stellen hingegen schon. (Mitte April und Anfang Juni)

(Foto: AP)

Regierungschef Naoto Kan besuchte das Katastrophengebiet im Nordosten des Landes. In der Hafenstadt Kamaishi sprach er mit örtlichen Behördenvertretern über eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Obdachlosen. Für die Hilfsmaßnahmen müsse zusätzliches Geld eingeplant werden, sagte der Ministerpräsident, der wegen des schlechten Krisenmanagements seiner Regierung unter Druck steht. "Ich werde hart arbeiten", antwortete Kan auf die Forderung eines Mitarbeiters der Fischereibehörde nach einem zusätzlichen Hilfsfonds.

Die auflagenstarke Zeitung "Yomiuri Shimbun" kritisierte die bisherige Katastrophenhilfe der Regierung in einem Kommentar als "unzureichend". Experten zufolge dürfte der Wiederaufbau des Katastrophengebietes ein Jahrzehnt dauern und umgerechnet hunderte Milliarden Euro verschlingen.

Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa

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