Panorama

Rauchen, bis der Arzt kommt "Wir hören nicht auf!"

Sie rauchen, was das Zeug hält - und wollen deshalb nicht länger die hohe Tabaksteuer zahlen. "Wir bauen unseren Tabak selber an und werden eigene Zigaretten produzieren", sagt der Vorsitzende des Vereins "Deutsche Hecke", Norman Fuhrmann. Der unter der Nummer 2-VR-2043 am Amtsgericht Flensburg eingetragene Verein ist die erste Tabakanbau-Organisation in Deutschland. Vom nordfriesischen Tönning aus wollen die rauchenden Widerstandskämpfer Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) austricksen. "Wenn unser Beispiel Schule macht, könnte ein Teil der 14,4 Milliarden Euro Tabaksteuer wegfallen."

Die 400 Rauchrebellen der Deutschen Hecke wollen das Qualmen durch das Ausnutzen von Gesetzeslücken revolutionieren - und haben nun jede Menge Ärger mit Zoll und Staatsanwaltschaft. Der Knackpunkt ist Paragraf 6, Absatz 2 des Tabaksteuergesetzes: Tabakwaren, die aus selbst angebautem Rohtabak hergestellt und für den eigenen Bedarf verwendet werden, sind steuerfrei, heißt es dort.

Deshalb bekommt jedes Vereinsmitglied 99 Tabakpflanzen auf der Vereinsplantage auf den zu Portugal gehörenden Azoren. Dort lebende Mitglieder verarbeiten den Tabak zu Zigaretten "Marke Eigenbau" und wollen ab Januar 2008 vier Stangen pro Monat zum Preis von je 16 Euro an jedes Mitglied nach Deutschland schicken. Gewerblicher Handel ist den Mitgliedern untersagt, nur der Eigenbedarf darf gedeckt werden. "Wir halten unser Vorgehen für vollkommen legal", erklärt Fuhrmann.

Das sieht die für die Tabaksteuer zuständige Oberfinanzdirektion in Köln ganz anders: "Das ist schlichtweg nicht in Ordnung. Nur wenn jedes Mitglied Anbau und Fermentierung selbst durchführt, könnte man noch von Eigenbedarf sprechen", sagt Sprecher Konstantin Chlorokostas. Mit dem Finanzministerium sei das Problem noch nicht erörtert worden. "Einen solchen Fall hatten wir noch nicht, dass im Rahmen eines Vereins ein angeblicher Eigenbedarf organisiert werden soll." Bei einem Versand von Zigaretten aus dem Ausland werde zudem die deutsche Tabaksteuer fällig. Die Raucher von der Nordsee wollen die ihrer Meinung nach nicht eindeutige Rechtslage im Notfall per Musterklage klären lassen.

Zunächst hatten es die passionierten Raucher mit Tabakanbau in Nordfriesland versucht, doch die Fermentierung ging hoffnungslos schief. "Die Zigaretten sind wie Wunderkerzen abgefackelt, die waren nicht rauchbar", sagt Fuhrmann. Er ist durch die Steuererhöhungen von Marken- auf Billig-Zigaretten umgestiegen, bis zu 40 Glimmstängel zündet sich der 47-Jährige am Tag an. Auf den Azoren sei das Klima besser und das Wissen von dort lebenden Experten soll genutzt werden.

Bis die ersten Stangen mit je 200 Zigaretten eintreffen, wollten Fuhrmann & Co. das Rauchen für die Mitglieder durch den Versand von Zigaretten aus EU-Ländern, die weniger Tabaksteuer erheben, billiger machen. Polizei und Staatsanwaltschaft vermuteten illegalen Handel in großem Stil. Vor wenigen Wochen stürmte ein 35 Mann starkes Kommando mit kugelsicheren Westen die Wohnungen von Fuhrmann und des zweiten Vorsitzenden Peter Burmeister.

Steuerbetrug und Steuerhehlerei, lautet der Vorwurf. "Das ist völlig aus der Luft gegriffen", sagt Burmeister, der 20 Selbstgedrehte am Tag raucht. In ihren Dörfern bei Tönning kursierten schnell Gerüchte, dass die Raucher Menschenhandel und Schmuggel betreiben. "Die Behörden wollen uns einschüchtern, weil sie Angst haben, dass wir mit unseren Plänen im Recht sind", sagt Burmeister.

In Deutschland dürfe man pro Jahr auch 200 Liter Bier für den Eigenbedarf brauen. "Nichts anderes machen wir mit den Zigaretten." Falls die Option mit den Azoren scheitert, wollen die Freunde des blauen Dunstes heimische Flächen pachten und für die Verarbeitung des Tabaks mit Profis kooperieren. "Jetzt erst Recht", gibt Fuhrmann als Devise im Kampf David gegen Goliath aus.

Mit dem Vereinsnamen "Deutsche Hecke" schlagen sie eine Brücke zur Nachkriegszeit: Zigaretten waren "harte Devisen", gerade im Tausch gegen Lebensmittel mit den alliierten Soldaten. Der Tabak aus privaten Gärten firmierte im Volksmund als "Deutsche Hecke". Heute seien die Zeiten wieder schlecht - besonders für Raucher, meint Fuhrmann. "Ein Hartz-IV-Empfänger kann sich doch kaum noch Zigaretten leisten."



Von Georg Ismar, dpa

Quelle: ntv.de

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