Gazproms Größenwahn wird gestutzt Kreml spricht ein Machtwort
21.05.2010, 12:43 Uhr
Die Speerspitze soll gekappt werden.
(Foto: dpa)
Die Gigantomanie ist groß - genauso wie die Empörung inerhalb und außerhalb Russlands. Nun greift Kremlchef Medwedew ein und stoppt den Bau eines riesigen Gazprom-Wolkenkratzers in St. Petersburg.
Nach Kritik des UNESCO-Weltkulturerbe-Komitees hat Kremlchef Dmitri Medwedew den Bau eines 400 Meter hohen Wolkenkratzers in der russischen Stadt St. Petersburg gekippt. Die Arbeiten für die neue Konzernzentrale des weltgrößten Gaskonzerns Gazprom im historischen Zentrum würden gestoppt, schrieb die Zeitung "Kommersant". Es solle nun eine neue Bauhöhe ausgelotet werden. Das Blatt berief sich auf einen Brief der Kremlverwaltung an die Baubehörden sowie die Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko, die das bei Bürgern umstrittene Vorhaben genehmigt hatten. Medwedews Machtwort gilt als kulturpolitische Sensation.
"Gazprom, geh nach Hause": Zahlreiche Russen wehren sich gegen die Baupläne des Konzerns in St. Petersburg.
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Der russische Präsident entschied sich nach Darstellung des "Kommersant" fürs Eingreifen, nachdem UNESCO-Experten im März die Baustelle besucht und erneut gegen die Zerstörung des Stadtbildes protestiert hatten. Demnach habe wohl die drohende Aberkennung des Welterbe-Titels für das Zentrum der zweitgrößten Stadt Russlands zu dem Sinneswandel geführt. Das Komitee hatte bereits auf seiner Sitzung im vergangenen Jahr eine Resolution gegen die Pläne für das sogenannte "Ochta-Zentrum" an die russische Regierung verabschiedet.
Die Stadt am Finnischen Meerbusen hatte die Kritik der Denkmalschützer zurückgewiesen. Gouverneurin Matwijenko hatte erklärt, dass St. Petersburg sich für den Welterbe-Titel nichts kaufen könne. Er sei nur ein "schönes Schleifchen". Der Präsident habe nun aber angeordnet, sich an internationale Vereinbarungen zum Kulturerbe zu halten, sagte der Leiter der russischen Denkmalschutzbehörde, Alexander Kibowski.
Baukosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro
Die Petersburger Regierung hatte den 400-Meter-Turm als neues Machtsymbol Russlands genehmigt, obschon im alten Stadtkern die maximale Gebäudehöhe bei 40 Metern liegt. Der Wolkenkratzer in der Form eines gläsernen Pfeils sollte nach den bisherigen Plänen rund 1,3 Milliarden Euro kosten und bis 2016 fertigstellt werden.
Der wie eine Speerspitze in den Himmel ragende Turm soll nach dem Willen der Initiatoren den Stolz der Energiegroßmacht Russland deutlich machen. Denkmalschützer hoffen nun, dass das malerische Bild der von goldenen Kuppeln und prunkvollen Zarenpalästen geprägten Millionenmetropole, dem früheren Leningrad. bewahrt bleibt. Peter der Große gründete 1703 die Stadt, die auch "Venedig des Nordens" genannt wird, am Ufer der Newa.
Quelle: ntv.de, dpa