Geheimdienst nutzte gespeicherte Daten BND wusste wohl lange von "Prism"
15.07.2013, 01:22 Uhr
Der BND wusste offenbar seit langem von den Aktivitäten des großen Bruders.
(Foto: dpa)
Wie informiert war der BND über die Spähaktionen der USA? Offenbar recht gut, glaubt man einem Medienbericht. Mehr noch: Der BND soll sogar die US-Geheimdienste um Daten gebeten haben. Grüne und Linkspartei fordern einen Untersuchungsausschuss.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat nach einem Zeitungsbericht in den vergangenen Jahren immer wieder die US-Geheimdienste um Hilfe gebeten, wenn deutsche Staatsbürger im Ausland entführt waren. Dabei sei es ganz konkret um die Abfrage gespeicherter Kommunikationsvorgänge deutscher Staatsbürger gegangen, berichtete die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf US-Regierungskreise. Ein solches Vorgehen würde darauf hinweisen, dass zumindest der BND seit Jahren von der umfangreichen Datenspeicherung durch die National Security Agency (NSA) weiß, schrieb das Blatt.
Nach "Bild"-Informationen bat der BND bei Entführungen deutscher Staatsbürger unter anderem in Afghanistan und im Jemen die US-amerikanischen Dienste u m Hilfe. Dabei sei es darum gegangen, auf die letzten Telefon- und Mailkontakte der Entführten zuzugreifen, um zu erfahren, wo sie sich vor ihrer Entführung aufgehalten, mit wem sie kommuniziert hätten und wo sie hin wollten.
Die NSA dürfe in einer lebensbedrohlichen Lage 72 Stunden lang ohne richterlichen Beschluss auf alle Kommunikationsdaten eines Entführungsopfers zugreifen und diese auswerten. Die Daten der NSA seien so mehrfach in die Arbeit deutscher Krisenstäbe eingeflossen, um entführte Deutsche zu befreien.
BND weiß seit Jahren von nahezu totaler Datenerfassung
US-Regierungs- und Geheimdienstkreise betonen laut "Bild", dass der BND seit Jahren von der nahezu totalen Datenerfassung wisse, in Gefahrenlagen darauf habe zugreifen können und dies auch aktiv getan habe. Auf Anfrage, ob der BND bei Entführungsfällen in der Vergangenheit die US-Dienste um Hilfe gebeten und gezielt nach Kommunikationsdaten deutscher Staatsbürger gefragt habe, sagte ein Regierungssprecher der Zeitung: "Es ist bekannt, dass es zwischen den deutschen Nachrichtendiensten und US-Diensten eine langjährige Kooperation gibt. Zu Einzelheiten dieser Kooperation nimmt die Bundesregierung in der Öffentlichkeit nicht Stellung, sondern nur vor dem dazu eingerichteten Parlamentarischen Kontrollgremium."
Aus US-Regierungskreisen habe "Bild" ebenfalls erfahren, dass "Prism" und eine Reihe anderer streng geheimer Programme nahezu alle elektronische Kommunikation von Nicht-Amerikanern im Ausland aufzeichnen, auch in Deutschland. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte auf seiner USA-Reise gesagt, dass "Prism" gezielt nach Inhalten "zu Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und organisierter Kriminalität" suchen würde.
Anders als von Friedrich dargestellt, speicherten Programme wie "Prism" aber flächendeckend alle Inhalte von elektronischer Kommunikation. Das habe "Bild" von mehreren Quellen erfahren, die mit den Programmen vertraut sind. Die Inhalte würden in der Regel nach drei bis sechs Monaten gelöscht. Die sogenannten Metadaten (Wer hat wem wann gemailt? Was stand in der Betreffzeile?) würden hingegen für immer gespeichert. Die US-Dienste bezeichneten diese Methode der Vorratsdatenspeicherung als "Warehousing".
Ruf nach Untersuchungsausschuss
Die Opposition verschärfte inzwischen den Druck auf die Bundesregierung. Grüne und Linkspartei fordern einen Untersuchungsausschuss des Bundestags, um das wahre Ausmaß der vermuteten NSA-Aktionen in der Bundesrepublik und eine mögliche Beteiligung deutscher Stellen offen zu legen.
"Die gesamte deutsch-amerikanische Schnüfflerkooperation seit der Jahrtausendwende muss aufgeklärt werden", sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping der "Passauer Neuen Presse". Der Grünen-Sicherheitspolitiker Omid Nouripour ergänzte in dem Blatt: "Ein Untersuchungsausschuss zur Spähaffäre ist eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode." Er räumte ein, dass man "genauso schonungslos" klären müsse, was Rot-Grün nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von der Arbeit der amerikanischen Geheimdienste wusste oder billigte.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele forderte wegen der Spähaffäre eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Geheimdienst-Ausschuss des Bundestags. "Die Kanzlerin selbst muss vor das Parlamentarische Kontrollgremium", erklärte Ströbele. Sie dürfe sich nicht hinter den zuständigen Ministern verstecken. "Sie selbst muss die Verantwortung für das Versagen ihres Kanzleramts bei der Wahrung der Bürgerrechte übernehmen".
Das Parlamentarische Kontrollgremium berät bereits an diesem Dienstag in einer Sondersitzung über die Ausspähaffäre. Dort soll Innenminister Hans-Peter Friedrich darüber Auskunft geben, was er bei seiner jüngsten Washington-Reise erfahren hat.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP