Politik

Antisemitismus-Kritik gegen die Linke Bartsch legt sich mit Vorstand an

Der Linkspartei wird seit Wochen von namhaften Wissenschaftlern und auch dem Zentralrat der Juden Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit vorgeworfen. Fraktionsvize Bartsch zeigt erstmals Verständnis für die Kritik und stellt sich damit gegen die Parteiführung. Hintergrund der Debatte sind mehrere Vorfälle in den vergangenen eineinhalb Jahren.

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Die Partei, die sich soziale Kompetenz auf die Fahne schreibt, muss sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe wehren.

(Foto: dpa)

Seit Wochen wehrt sich die Linkspartei gegen Vorwürfe antisemitischer Tendenzen in ihren Reihen. Der Zentralrat der Juden warf der Partei sogar einen "blindwütigen Hass gegen Israel" vor. Jetzt zeigte erstmals Fraktionsvize Dietmar Bartsch Verständnis für die Kritik. "Zentralratspräsident Dieter Graumann hat uns etwas ins Stammbuch geschrieben, das wir sehr, sehr ernst nehmen sollten", sagte Bartsch der "Mitteldeutschen Zeitung". Die Partei habe an dieser Stelle ein Problem. Mit der jüngsten Resolution der Fraktion habe man zwar angemessen darauf reagiert. Die Position müsse sie jetzt auch eingehalten werden.

Bartsch widersprach damit dem Parteivorsitzenden Klaus Ernst, der Graumanns Kritik als "vollkommen unangemessen" zurückwies. Ernst forderte Graumann auf, "die Niederungen der Parteipolitik schnell wieder zu verlassen". Graumann hatte in der "Süddeutschen Zeitung" vom Montag den Vorwurf erhoben, es seien heute vor allem Parteimitglieder aus dem Westen, "die ihren geradezu pathologischen, blindwütigen Israel-Hass ausleben".

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Szene aus der Jerusalemer Altstadt.

(Foto: AP)

Der thüringische Linksfraktionschef Bodo Ramelow sprach sich derweil dafür aus, die Anerkennung des Existenzrechts Israels im Parteiprogramm zu verankern. Auch die historische Bedeutung des Holocaust und die deutsche Verantwortung dafür müssten erwähnt werden, sagte Ramelow der "Zeit". Die Linke will ihr Programm auf einem Parteitag im Oktober beschließen. Im aktuellen Entwurf des Vorstands taucht Israel nicht auf. Parteichef Ernst zeigte sich offen für den Vorschlag: "Wir werden ihn in der weiteren Programmdebatte diskutieren." Das Existenzrecht Israels und das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat stehe in den Programmen aller Bundestagsparteien.

Kritiker, aber keine Hasser

Auch Sachsen-Anhalts Linken-Landeschef Matthias Höhn wies Graumanns Kritik zurück: "Wir haben in der Partei zum Teil unterschiedliche Positionen zum Nahost-Konflikt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Aber pathologische Israel-Hasser haben wir nicht." Eine Grenze sei das Existenzrecht Israels. "Ich kenne niemanden, der das in Abrede stellt." Es seien deutliche Worte gefallen. "Wir sollten da nicht permanent in die Verlängerung gehen."

Der Linksfraktionschef in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, sagte dem Blatt: "Wir müssen uns nicht alle Schuhe anziehen, die man versucht, uns anzuziehen." Allerdings sei bei dem Thema in letzter Zeit "nicht immer die notwendige Sensibilität aufgebracht worden". Insofern sei die Resolution richtig gewesen.

Wissenschaftler untermauern die Vorwürfe

Sozialwissenschaftler aus Gießen und Leipzig hatten der Linkspartei kürzlich in einer Studie eine Zunahme von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit in den eigenen Reihen vorgeworfen. Auf der Internetseite des Linken-Kreisverbands Duisburg führte ein Link zu einem Aufruf zum Boykott israelischer Produkte unter der Überschrift "Nie wieder Krieg für Israel".

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Gysi redet vor allem seinen West-Genossen ins Gewissen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Anfang Juni wandte sich nach dem Parteivorstand auch die Fraktion in einer Resolution gegen Antisemitismus. "Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Partei heute und niemals einen Platz", hieß es in dem Text, der innerparteilich allerdings für Kontroversen sorgte. Zwar wurde der Text in der Fraktion einstimmig beschlossen, zuvor hatten allerdings einige Abgeordnete den Raum verlassen. Die Fraktion will sich noch im Juni ein weiteres Mal mit dem Thema befassen. Damit will sich die Fraktion nach den Worten von Parteichef Ernst "gegen die inflationäre Verwendung des Begriffs Antisemitismus wenden".

Befreiungsschlag bislang ohne Wirkung

Die Antisemitismus-Debatte war vor vier Wochen von einem Aufsatz zweier Wissenschaftler mit der Überschrift "Antisemiten als Koalitionspartner?" ausgelöst worden. Der "antizionistische Antisemitismus" sei in der Linken inzwischen zu einer "weitgehend konsensfähigen Position" geworden, heißt es darin. Als Antizionisten werden Gegner eines jüdischen Staates in Palästina bezeichnet.

Der Zeitungsartikel Graumanns geht in eine ähnliche Richtung. Es gebe eine Reihe von Äußerungen und Taten, die "mehr als nur ein wenig antisemitische Züge aufweisen", schreibt er. Zwar gebe es einige Spitzenpolitiker wie Fraktionschef Gregor Gysi, die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping und die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, die die Partei "aus dem Kerker des Israel- Hasses" befreien wollten. "Aber der große Befreiungsschlag ist einstweilen spektakulär missglückt."

Hintergrund der Debatte sind mehrere Vorfälle in den vergangenen eineinhalb Jahren. Im Januar 2010 waren drei Parlamentarier am Holocaust-Gedenktag bei der Begrüßung des israelischen Präsidenten Schimon Peres im Bundestag demonstrativ sitzengeblieben. Eine Bundestagsabgeordnete war öffentlich mit einem Schal aufgetreten, der die Nahost-Region ohne den Staat Israel zeigt. Und Duisburger Linke hatten im Internet zum Boykott von Waren aus Israel

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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