Merkel-Ziele nicht erreicht "Bildungsrepublik" ist versackt
27.12.2012, 09:31 Uhr
Merkel und die Ministerpräsidenten im Oktober 2008 beim Bildungsgipfel in Dresden. Die damals gesteckten Ziele wurden bislang nicht erreicht.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
2008 ruft Bundeskanzlerin Merkel die "Bildungsrepublik Deutschland" aus. Eine DGB-Untersuchung zeigt nun: Passiert ist seither kaum etwas. Kita-Plätze? Fehlen. Maßnahmen zur Reduzierung der Schulabbrecherzahl? Gibt es nicht. Nur die Zahl der Studienanfänger steigt. Doch auch hier gibt es einen Haken.
Auch vier Jahre nach dem Bildungsgipfel der Regierungschefs von Bund und Ländern ist die Verwirklichung der ausgerufenen Reformziele noch in weiter Ferne. Dies zeigt eine aktuelle Bilanzstudie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Es ist Klemms dritte Bilanz zum Bildungsgipfel.
Im Oktober 2008 hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die 16 Ministerpräsidenten der Länder auf eine umfangreiche Bildungs-Reformliste verständigt, die bis 2015 umgesetzt werden soll. Die Bundesrepublik solle zur "Bildungsrepublik Deutschland" werden, hatte Merkel damals gesagt.
Daraus ist nicht viel geworden. Die Wirtschaft klagt über Fachkräftemangel. Doch 1,56 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren gelten als "ungelernt" und sind auch nicht mehr in Fortbildungskursen. 50.000 Schüler verlassen jedes Jahr ihre Schule ohne Hauptschulabschluss. Und die Beteiligung der Erwerbstätigen an Weiterbildung geht zurück - statt wie angestrebt zu steigen.
Der DGB-Studie zufolge ist zudem die Beteiligung an Weiterbildung rückläufig, die angekündigte Halbierung der Zahl der Schulabbrecher wie auch der Ungelernten kommt nur schleppend voran, und für den weiteren Krippenausbau fehlt noch viel Fachpersonal. Als erfreulich wertet der Bildungsforscher lediglich die erheblich gestiegene Zahl der Studienanfänger - wobei dies Fragen einer ausreichenden Hochschulfinanzierung in den Ländern aufwirft.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Kitas: Nicht genug Plätze. Um den bereits ab 1. August 2013 geltenden Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für unter Dreijährige einzulösen, fehlen derzeit nicht nur 220.000 zusätzliche Plätze in Kitas oder bei Tagesmüttern sondern auch qualifiziertes Personal.
Allein für die Kindertagesstätten würden im kommenden Jahr zusätzlich 22.400 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Dafür reichten aber die Ausbildungskapazitäten bei weitem nicht aus. Zudem fehlten zwischen 22.000 und 29.000 Tagesmütter - je nachdem, ob sie jeweils drei oder vier Kleinkinder betreuen sollten.Schüler ohne Abschluss: Keine Maßnahmen in Sicht. Die Regierungschefs hatten zudem versprochen, die Zahl der Schüler ohne Hauptschulabschluss zu halbieren. Doch ein erfolgsversprechendes Maßnahmenbündel, das auch die Sonderschulen einbezieht, sei immer noch nicht in Sicht, schreibt Klemm. Nur schleppend konnte seit 2008 die Schulabbrecherzahl von 7,4 auf 6,2 Prozent eines Jahrganges reduziert werden. Das sind immerhin noch rund 50.000 junge Menschen.
Junge Leute ohne Ausbildung: Zahl geht kaum zurück. Ähnlich verhält es sich bei jungen Menschen ohne Berufsabschluss. Auch hier sollte die Zahl laut Ankündigung der Regierungschefs halbiert werden. 2008 hatten von den 20- bis 30-Jährigen 17,2 Prozent keinen Berufsabschluss und waren auch nicht mehr in Fortbildung. 2011 waren dies 15,9 Prozent oder 1,56 Millionen junge Erwachsene.
Weiterbildung: Teilnahme geht zurück. Klemm verweist zudem auf den offiziellen Bildungsbericht von Bund und Ländern, nach dem die Beteiligung an Weiterbildung unter den 19- bis 65-Jährigen nicht wie angestrebt gestiegen, sondern gesunken ist - und zwar von 44 auf 42 Prozent. Angepeilt hatten die Regierungschefs 2008 hier hingegen eine Quote von 50 Prozent.
Studienanfänger: Ziel übertroffen. Dagegen wurde die angekündigte Anhebung der Zahl der Studienanfänger auf 40 Prozent pro Jahrgang weit übertroffen. Unter Einberechnung der ausländischen Studierenden in Deutschland nehmen derzeit 50,9 Prozent eines Jahrganges eine akademische Ausbildung auf.
Den letzten Punkt bezeichnete die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock als erfreulich. Jedoch seien die Bundesländer allein hoffnungslos überfordert, den neuen Studierenden auch gute Studienbedingungen zu bieten. "Die Mittel aus dem Hochschulpakt sind nahezu aufgezehrt, die Schuldenbremse beginnt in den Ländern zu greifen", sagte Sehrbrock. Auch hier müsse der Bund endlich dauerhaft Forschung und Lehre in den Hochschulen finanzieren können.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa