Debatte über NSU-Abschlussbericht Bundestag fordert grundlegende Reformen
02.09.2013, 20:27 Uhr
Die Parteien demonstrierten im Bundestag Einigkeit.
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Der Bundestag debattiert über den Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses und ist sich einig: Dies ist eine Anleitung dafür, was sich in Deutschland ändern muss. Für Polizei und Verfassungsschutz klingen die 1300 Seiten wie ein Pflichtenheft.
Der Neonazi-Untersuchungsausschuss fordert nach dem Abschluss seiner Arbeit eindringlich, Lehren aus dem Ermittlungsdesaster im Fall NSU zu ziehen. Die Empfehlungen des Ausschusses seien ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre und dürften nicht in der Schublade verschwinden, mahnten die Obleute in einer Sondersitzung des Bundestages. Die Abgeordneten berieten dort über den Abschlussbericht des Ausschusses zur Neonazi-Mordserie. Darin fordert das Gremium grundlegende Reformen und einen Bewusstseinswandel in den Sicherheitsbehörden. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert mahnte, die Arbeit sei nicht erledigt.
Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" werden zehn Morde zwischen den Jahren 2000 und 2007 zur Last gelegt - an neun türkisch- und griechischstämmigen Männern sowie einer Polizistin. Geheimdienste und Polizei waren der Bande über Jahre nicht auf die Spur gekommen, weil sie den rechtsextremistischen Hintergrund nicht erkannten. Die Neonazis flogen erst Ende 2011 auf. Die einzige Überlebende des Trios, Beate Zschäpe, steht derzeit in München vor Gericht.
NSU als Teil der Ausbildung
Der Untersuchungsausschuss hatte Ende Januar 2012 begonnen, die NSU-Verbrechen und die gravierenden Ermittlungsfehler aufzuarbeiten. In ihrem mehr als 1300 Seiten starken Abschlussbericht fordern die Mitglieder unter anderem, den Informationsfluss in den Sicherheitsbehörden zu verbessern, mehr Menschen aus Zuwandererfamilien für die Arbeit bei Polizei und Verfassungsschutz zu gewinnen und dem Generalbundesanwalt mehr Befugnisse zu geben. Der Fall NSU soll zudem Bestandteil der Polizeiausbildung und der Einsatz von V-Leuten reformiert werden.

Auf der Tribüne: Bundespräsident Joachim Gauck (3. v. re.) und Angehörige der Opfer.
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Angehörige der NSU-Opfer, Bundespräsident Joachim Gauck und der türkische Botschafter Avni Karslioglu verfolgten die Parlamentsdebatte von der Zuschauertribüne aus. Zuvor hatten sich Mitglieder des Ausschusses mit den Angehörigen getroffen, auch Gauck kam mit ihnen zusammen. Viele Familienmitglieder der NSU-Opfer waren bei den Ermittlungen selbst Ziel von falschen Verdächtigungen geworden. Lammert entschuldigte sich dafür im Namen des Parlaments.
Strukturelles Versagen
Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) mahnte, Rechtsextremismus dürfe nie wieder so unterschätzt werden wie in der Vergangenheit. Ein Behördenversagen wie im Fall NSU dürfe sich nie wiederholen. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Stephan Stracke (CSU) betonte, die Vorlage des Abschlussberichts sei nur die erste Etappe auf einer langen Wegstrecke. "Der Beginn ist gemacht, jetzt heißt es umsetzen." SPD-Obfrau Eva Högl betonte, die Empfehlungen würden von allen Fraktionen getragen. Sie erwarte deshalb, dass sie "nicht in der Schublade verschwinden".
Die Obleute prangerten strukturelles Versagen an. Daraus seien dringend Lehren zu ziehen. Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) beklagte, die Behörden hätten die Gefahren des Rechtsextremismus kolossal und tragisch unterschätzt, nicht ausreichend zusammengearbeitet und einseitig ermittelt. Die Linke-Obfrau Petra Pau mahnte, in vielen Behörden herrsche "ein Geist (..), der Rassismus bedient". Darüber müsse die Gesellschaft grundsätzlich debattieren.
Der FDP-Obmann Hartfrid Wolff räumte zudem ein: "Es sind noch viele Fragen offen geblieben." Er plädierte dafür, die Ausschussarbeit in der nächsten Legislaturperiode fortzusetzen. Das Bundestagsgremium ist der erste von mehreren Untersuchungsausschüssen, der seine Arbeit beendet. In mehreren Landtagen geht die Aufarbeitung weiter.
Quelle: ntv.de, dpa