Milliardeninvestition geplant China kämpft gegen Umweltverschmutzung
31.07.2013, 15:47 Uhr
Schweinekadaver werden aus dem Huangpu Fluss in Schanghai. herausgefischt. Im März wurden 1200 tote Schweine an Land gebracht und die Kadaver dekontaminiert.
(Foto: dapd)
China bezahlt für sein schnelles Wirtschaftswachstum einen hohen Preis. Vor allem die Natur leidet. Die Umweltverschmutzung nimmt teilweise bizarre Züge an. Doch die Regierung versucht gegenzusteuern - und nimmt dafür jetzt eine astronomische Summe Geld in die Hand.
Chinas rasantes Wirtschaftswachstum sorgt in Deutschland immer noch für Bewunderung und Goldgräberstimmung. Der Markt hat deutschen Unternehmen riesige Chancen eröffnet, für manche war er angesichts der in Europa grassierenden Rezession auch die Rettung. Doch in die euphorischen Töne haben sich schon lange auch nachdenkliche Stimmen gemischt - denn die industrielle Entwicklung erkauft Peking mit einer dramatischen Umweltverschmutzung.
Nicht nur in Europa wird dies kritisiert, auch in der immer städtischer werdenden chinesischen Bevölkerung regt sich Widerstand gegen eine Wachstumspolitik um jeden Preis. Immer mehr Menschen gehen auf die Straße. Und deren Forderungen werden zumindest teilweise erhört. Das Bild vom ungebremsten chinesischen Wirtschaftswachstum um jeden Preis stimmt nicht mehr. Die Staatsführung versucht bereits seit Jahren, gegenzusteuern. Die Meldungen über Umweltkatastrophen reißen jedoch nicht ab.
In den vergangenen Monaten sorgte vor allem Smogalarm in Millionenstädten wie Peking und Tausende tote Schweine im Stadtfluss von Schanghai weltweit für Aufsehen. Jetzt berichtet eine chinesische Zeitung über eine Fabrikanlage in der Provinz Hunan, in deren Umgebung seit ihrer Stilllegung vor rund vier Jahren mindestens 26 Menschen an Vergiftungen durch Cadmium gestorben sind. Hunderte weitere Anwohner seien erkrankt, so die Tageszeitung "China Youth Daily". In Bodenproben aus der Umgebung der im Jahr 2009 stillgelegten Chemieanlage lag die Cadmiumkonzentration demnach teils 300fach über dem zulässigen Grenzwert.
20 sollen an Krebs gestorben sein
Dem Bericht zufolge waren acht der Todesopfer jünger als 60 Jahre. Insgesamt 20 Menschen starben demnach an Krebs. Zudem hieß es, in der Region geborene Kinder kämen mit Missbildungen zur Welt. Die Zeitung sprach von "einer der zehn schlimmsten Fälle von Umweltverschmutzung des Landes".
Auch in ländlichen Regionen wird die Umweltverschmutzung zu einem immer größeren Problem. "Mit der Industrialisierung, der Urbanisierung und der Modernisierung der Landwirtschaft ist die Situation für ländliche Gegenden ernst geworden", heißt es im Jahresbericht des Umweltministeriums in Peking. Vor allem der Bergbau und die steigenden Vieh- und Geflügelbestände hätten die Situation im vergangenen Jahr verschlechtert. Experten gehen davon aus, dass Chinas Landwirtschaftsbetriebe mittlerweile stärker zur Verschmutzung der Umwelt beitragen als die Metropolen.
Die Versorgung der Bevölkerung ist in dem riesigen Reich jedoch seit jeher eine schwierige Aufgabe. China stellt laut WWF 22 Prozent der Weltbevölkerung, verfügt aber nur über 9 Prozent der weltweit landwirtschaftlich nutzbaren Fläche und 6 Prozent der Süßwasservorräte. Und Unwetter können schonmal 20 Millionen Tonnen Weizen vernichten, wie Mitte des Monats gemeldet wurde.
283 Milliarden Euro gegen Umweltverschmutzung
Es sprechen also auch ganz praktische Gründe dafür, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen. Gleichzeitig mit der Nachricht über die 26 Cadmium-Toten wird bekannt, dass die Regierung umfangreich in den Umweltschutz investieren will.
Für Maßnahmen zur Energieeinsparung und zur Senkung von Umweltbelastungen seien innerhalb von fünf Jahren Ausgaben von 2,3 Billionen Yuan (rund 283 Milliarden Euro) geplant, berichtete die Tageszeitung "China Daily". Der Plan sei schon vom Staatsrat gebilligt worden. Die Ausgaben seien zusätzlich zu den geplanten Investitionen von 1,85 Billionen Yuan in erneuerbare Energien vorgesehen.
Der Anteil nicht-fossiler Energie am Gesamtverbrauch solle auf 15 Prozent steigen, sagte der Vize-Direktor der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, Xie Zhenua.
Seit längerem bemüht sich China auch darum, die Verwüstungen der Industrialisierung zumindest zu lindern – zum Beispiel im Bergbau. Das größte Kohleförderland der Welt investiert nach Darstellung eines deutschen Experten Milliarden Euro in die Renaturierung alter Bergbauflächen. Das gelte zum Beispiel für das älteste chinesische Steinkohleabbaugebiet Xuzhou im Osten des Landes, sagte der deutsche Bergbauexperte und Präsident der Bochumer Technischen Fachhochschule (TFH) Georg Agricola, Prof. Jürgen Kretschmann, der dpa.
Erste Erfolge
Trotz wiederholter Schreckensmeldungen zeigen die Maßnahmen erste Erfolge. Die Luftqualität sei im vergangenen Jahr in den Städten weitgehend stabil geblieben, teilte das Umweltministerium mit. In Peking habe sich der Zustand sogar verbessert. Auch bei der Wasserqualität habe es 2012 Fortschritte gegeben. Nur noch jede zehnte Wasserprobe sei sogar für einen Einsatz in der Industrie unbrauchbar gewesen. Im Jahr zuvor war es noch fast jede siebte.
Bereits 2005 verabschiedete China ein Fördergesetz, das sich laut Bundesumweltministerium am Erneuerbare-Energien-Gesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung orientierte. China wurde rasch führend in der Solarenergietechnik und stach dank niedriger Preise deutsche Konkurrenten aus. Die Einigung im Streit um die Einfuhr chinesischer Solarpaneelen zeigt, wie hart die Konkurrenz aus Fernost ist – denn bei den Beschlüssen vom Montag handelt es sich auch um Schutzzölle für die europäische Solarzellenhersteller.
Dass die Chinesen es mit dem Umweltschutz ernst meinen, zeigt auch ein neues Gesetz, das im Juni in Kraft trat. Umweltverschmutzer können künftig auch zum Tode verurteilt werden. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, die neuen Rechtsvorschriften ermöglichten eine strengere und konsequentere Ahndung von Umweltstraftaten. "In schwersten Fällen kann die Todesstrafe verhängt werden." Zudem sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um Umweltvergehen zeitnah aufzuklären.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/rts/AFP