Politik

Bestechung von Abgeordneten Deals in der Dunkelzone

Die Große Koalition stellt Abgeordnetenbestechung unter Strafe. Die Korruption dürfte dennoch weiter wuchern.

Die Große Koalition stellt Abgeordnetenbestechung unter Strafe. Die Korruption dürfte dennoch weiter wuchern.

(Foto: picture alliance / dpa)

Abgeordnetenbestechung soll endlich unter Strafe gestellt werden. Doch das Gesetz wird im Eiltempo durch den Bundestag gepeitscht. Und auch wenn es fertig ist, kann die Korruption der Volksvertreter im Schatten weiterwuchern.

Selbst im schönsten Parlamentsdeutsch lässt sich das Problem nicht leugnen: Die geplanten Änderungen "können in einem begrenzten Ausmaß zu einer stärkeren Arbeitsbelastung der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte führen", heißt es im Vorwort des Gesetzentwurfs. Wie hoch die Kosten genau sind, sei aber nicht feststellbar.

Zumindest die politischen Kosten dürften enorm sein. Denn in der Vorlage geht es nicht um Alltagskriminalität, sondern um die Korruption von Abgeordneten. Sie höhlt das Vertrauen in die Demokratie aus. Für viele Bürger sind Gesetzestexte oft nur noch Kopien von Lobbyistenpapieren. Und viele Politiker von Verbänden und Interessengruppen gekauft.

Im Korruptionsranking von Transparency International schneidet Deutschland zwar gut ab. Doch bei der Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung hinkt die Bundesrepublik weit hinterher. Seit elf Jahren zögert die Regierung, die UN-Konvention gegen Korruption zu ratifizieren. 170 Staaten sind dem Abkommen bisher beigetreten. Neben Deutschland und Japan haben nur wenige Länder wie Syrien, Somalia, Sudan und Nordkorea die Übereinkunft bisher nicht ratifiziert. Oder Mini-Staaten wie Tuvalu, Kiribati und Äquatorialguinea sowie Steueroasen wie Belize.

Augenwischerei für die Wähler

Auch in der letzten Legislaturperiode scheiterten mehrere Anläufe, die UN-Vorgaben endlich umzusetzen. Die Große Koalition wird Abgeordnetenbestechung nun zwar unter Strafe stellen. Doch das Gesetz wird im Eiltempo durch den Bundestag gepeitscht. Und ist bloß Schönfärberei, weil es die meisten fragwürdigen Fälle gar nicht erfasst. Schon an diesem Freitag sollen die Abgeordneten die neuen Regeln beschließen. Schneller sind nur die Griechenland-Hilfen durch das Parlament gepaukt worden. Eine öffentliche Debatte gibt es kaum. Sobald der Bundestag die neuen Vorschriften abgenickt hat, wird Deutschland das UN-Abkommen ratifizieren, teilt das Justizministerium mit.

"Als der Gesetzentwurf vergangene Woche vorgelegt wurde, gab es ein Aufatmen bei uns, dass Deutschland nun in den Kreis der Anti-Korruptionsstaaten zurückkehrt", sagt TI-Geschäftsführer Christian Humborg. "Allerdings werden nur die absoluten Minimalstandards umgesetzt". Bisher ist in Deutschland nur der Stimmenkauf bei Wahlen verboten. Künftig soll jede Handlung bei der Wahrnehmung des Mandats strafbar sein, für die ein Volksvertreter als Gegenleistung "einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt". Lobbyisten, die Abgeordnete bestechen, werden gleichermaßen bestraft.

Volksvertretern, die sich dafür bezahlen lassen, Gesetzesanträge für Lobbygruppen einzubringen, Fraktionskollegen von Vorhaben zu überzeugen oder unliebsame Gesetze zu torpedieren, drohen also künftig fünf Jahre Gefängnis oder Geldstrafe. Das Problem ist nur: Die Ermittler müssen Abgeordneten und Lobbyisten eine Absprache nachweisen. Denn bestraft werden sollen nur Parlamentarier, die "eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehmen oder unterlassen". Das steht nicht in der UN-Konvention.

Korruption wuchert im Verborgenen

Die Opposition fürchtet, dass das Gesetz durch die enge Formulierung wirkungslos wird. Denn die Korruption der Volksvertreter findet im Verborgenen statt. "Bei vielen Korruptionsfällen wird nicht über die Gegenleistung geredet, sie wird stillschweigend vorausgesetzt", sagt der Kriminalbeamte Frank Tempel, der für die Linke im Bundestag sitzt. Viele Volksvertreter haben genug offizielle Gründe, Geld von den Interessengruppen anzunehmen, für die sie sich einsetzen: Hoch dotierte Beraterverträge oder Anwaltsmandate, üppige Vortragshonorare oder lukrative Verbands- und Aufsichtsratsposten sind beliebte Mittel von Lobbyisten, um Abgeordnete ganz legal für ihre Anliegen zu sensibilisieren. Praktisch nachzuweisen sind konkrete Absprachen nur schwer.

Einige Abgeordnete, die die neuen Bestechungsregeln ausarbeiten, haben womöglich selbst Erfahrung mit Interessenkonflikten: Dietrich Monstadt (CDU) ist Rechtsanwalt in Schwerin und Mitglied im Rechtsausschuss, wo die Reform beraten wird. Im März 2013 wetterte Monstadt in einer Ärzteverbandszeitung gegen die "übereifrigen Forderungen", Ärztekorruption unter Strafe zu stellen. Monstadt widersprach sogar der Landesjustizministerin, seiner eigenen Parteifreundin, die dafür war. Laut einem NRD-Bericht soll Monstadts Kanzlei damals die Helios-Kliniken vertreten haben, einen der größten privaten Krankenhaus-Konzerne. Monstadts Kanzlei will dazu keine Stellung nehmen: Man sei gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet über etwaige Mandatsverhältnisse in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Firmen bedanken sich nachträglich

Noch schwieriger wird es, wenn Firmen und Verbände Parlamentarier erst nachträglich belohnen: Solche "Dankeschön-Vorteile" sollen erlaubt bleiben. Auch mit diesem Problem kennen sich einige Parlamentarier, die mit der Reform der Abgeordnetenbestechung befasst sind, bestens aus: Ronald Pofalla (CDU) war bis Ende 2013 Chef des Bundeskanzleramtes und hatte als solcher auch mit der Bahn zu tun. Wie Monstadt sitzt er im Rechtsausschuss, wo die Vorlage beraten wird. Laut Medienberichten will er in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln, wo ihm ein Millionengehalt winkt.

Der Konzern hat Pofallas Wechsel bislang nicht bestätigt. Pofalla will zu den angeblichen Plänen keine Stellung beziehen. Weder Dietrich Monstadt noch Ronald Pofalla waren am Montag bei der öffentlichen Anhörung zum neuen Korruptionsgesetz im Rechtsausschuss anwesend. Pofalla will sich dazu nicht äußern. Monstadt beruft sich auf Terminkonflikte. Die Sitzung war kurzfristig anberaumt worden.

Verboten sein soll künftig auch nur die Annahme ungerechtfertigter Vorteile. Alles, was die Verhaltensregeln den Parlamentariern nicht ausdrücklich verbieten, wäre aber weiter erlaubt. Bewährte "parlamentarische Gepflogenheiten" dürfen nicht kriminalisiert werden, findet die Große Koalition - allseits akzeptierte Formen der politischen Korruption werden also nicht unter Strafe gestellt. Spenden zur politischen Landschaftspflege etwa oder das Anfüttern von Politikern durch lukrative Verbandsposten. Auch Spenden direkt an einzelne Abgeordnete bleiben erlaubt: Sie müssen erst ab 5000 Euro überhaupt dem Bundestagspräsidenten gemeldet werden. Was geht und was nicht, kann zudem jeder Gemeinderat und Landtag unterschiedlich festlegen.

"So dämlich wird niemand sein"

Union und SPD rechtfertigen die vielen Einschränkungen damit, dass das Gesetz andernfalls zu schwammig bleiben würde. Und Staatsanwälte den Abgeordneten sonst womöglich wegen jeder Einladung zum Essen hinterherschnüffeln. "Es ist nicht so, dass wir anfangen würden wild zu ermitteln", sagt Renate Wimmer, Oberstaatsanwältin aus München. "Wir sind es gewohnt, mit unklaren Rechtsbegriffen umzugehen". Weil aber schon die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens für Politiker verheerend sein kann, will die Union eine weitere Hürde einbauen: Nur Staatsanwälte an Oberlandesgerichten sollen bei Korruptionsverdacht gegen Abgeordnete ermitteln dürfen.

"Es ist nicht auszuschließen, dass das Gesetz politisch missbraucht wird, gerade vor Wahlen", warnt auch Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Staatsrecht in Würzburg. Für ihn ist der neue Bestechungsparagraph reine Symbolpolitik: "Die klaren Fälle wird es kaum geben, weil niemand so dämlich sein wird, sich dabei erwischen zu lassen." Der Rest werde sich weiter in der Grauzone abspielen. Das Gesetz sei ein "untauglicher Versuch, mit strafrechtlichen Mitteln Regeln dafür aufzustellen, was sich politisch gehört und was nicht".

Schwarz bietet eine andere Lösung an: Nicht die Strafen für politische Korruption müssten verschärft werden. Sondern die Möglichkeit, sie aufzudecken: Dafür sollten die Transparenzregeln für Nebeneinkünfte von Abgeordneten ausgeweitet werden. Das ist bislang aber nicht in Sicht.

Quelle: ntv.de

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