Politik

Steigende Asylbewerberzahlen Die unnötigen Kosten der Asylpolitik

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Eines der Hauptprobleme: Wie genug Unterkünfte für die große Zahl der Asylbewerber bereitstellen?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Flüchtlingszahlen schnellen in die Höhe - und damit auch die Kosten für Bund, Länder und Kommunen. Sparsamkeit und Improvisation sind nicht die beste Reaktion.

Auf den Menschen heruntergebrochen ist die Summe nicht groß. Ein Asylbewerber in Hamburg lebte im vergangenen Jahr von ungefähr 7500 Euro. In Berlin waren es nach einer stark vereinfachten Rechnung 10.700 Euro pro Jahr. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen stellen aber auch diese Summen zusehends eine Bürde dar.

2012 kosteten Asylbewerber Berlin rund 36 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr waren es bereits 131 Millionen Euro. Hinzu kommen Kosten, die der Bund trägt.

Ähnliche Entwicklungen wie in Berlin zeigen sich landauf landab. Bundesweit stieg die Zahl der Antragsteller von knapp 78.000 im Jahr 2012 auf mehr als 200.000 im vergangenen Jahr. Und in diesem Jahr zeichnet sich schon jetzt eine deutlich höhere Zahl ab. Eine Gesamtsumme der Kosten, die so entstehen, lässt sich kaum seriös beziffern, weil die Kosten vor allem bei den Kommunen stark variieren. Klar ist aber: In der Politik entsteht mehr denn je Handlungszwang. Zum einen gibt es auf allen politischen Ebenen die Bereitschaft, mehr Geld auszugeben, um der steigenden Zahl notleidender Flüchtlinge zu helfen. Andererseits geht es im Detail aber auch immer wieder darum, sparsam zu sein. Das ist beim Thema Asyl aber nicht immer eine kluge Entscheidungen.

35 Euro pro Übernachtung

Eines der Hauptprobleme: die Unterkünfte. Viele Kommunen wissen nicht, wohin mit den Asylbewerbern. Weil eigene Immobilien fehlen und Neubauten teuer sind, schließen sie in ihrer Not immer häufiger langfristige Verträge zum Beispiel mit privaten Immobilienbesitzern wie Hoteliers oder Unternehmen mit ungenutzten Gebäuden. Und das aus einer denkbar schlechten Verhandlungsposition. Einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge kassiert der Betreiber einer Traglufthalle für die Unterbringung eines Flüchtlings mehr als 27 Euro pro Tag, obwohl sonst 11 bis 16 Euro üblich wären. Angeblich verlangen einige Anbieter gar mehr als 35 Euro. Und so passiert es, dass die Unterbringung für einen Flüchtling mitunter mehr kostet, als die eines Hartz-IV-Empfängers.

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Einige Länder und Kommunen rechnen mit bis zu 500.000 Asylbewerbern in diesem Jahr.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Die Anbieter von Wohnraum sitzen oft am längeren Hebel", sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Um sich von diesem Zwang zu befreien, fordert er mehr sozialen Wohnungsbau. "Wir brauchen dringend ein Programm, und zwar nicht nur für Flüchtlinge."

Laut Mesovic reagiert die Politik noch viel zu kurzfristig. Mit Containern oder jenen Verträgen mit Privatleuten setzt sie auf provisorische Lösungen. Angesichts einer Anerkennungsquote der Asylbewerber von fast 50 Prozent zeichne sich allerdings längst ab, dass es früher oder später ohnehin mehr permanenten Wohnraum brauche.

In allzu kurzgedachten Maßnahmen erkennt Mesovic ein Muster, das sich auch auf viele andere Bereiche der Asylpolitik erstreckt. Ein aktuelles Beispiel sind Investitionen in Sprach- und Integrationskurse.

Die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz fand mit einer Anfrage an die Bundesregierung heraus, dass diese die Ausgaben für Sprachkurse kräftig gestutzt hat. Sie reduzierte ihr Budget aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) von 310 auf nur noch 180 Millionen Euro. Einen Ausgleich durch nationale Mittel stellte sie bisher nicht. Der Plan, Asylbewerber frühzeitig auf ein Leben in Deutschland vorzubereiten und ihnen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, gerät laut Deligöz so in Gefahr. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte sie: "Es ist absurd, die Tür zum Arbeitsmarkt zu öffnen, dann aber unerlässliche Sprach- und Integrationskurse unterfinanziert zu lassen."

Geld sparen mit mehr Leistungen

Es erscheint so, als würde die Politik angesichts der in die Höhe schnellenden Antragszahlen wichtige Investitionen scheuen, ohne die langfristigen Kosten zu berücksichtigen, die durch diese Versäumnisse entstehen.

So gibt sich auch das Bundesgesundheitsministerium zurückhaltend, eine Asylbewerber mit einer Chipkarte für Arztbesuche auszustatten. Eine bundesweite Regelung erscheint in weiter Ferne. Dabei war dieses Konzept in Bremen bereits ein großer Erfolg. Lange galt dort wie in den meisten Bundesländern: Asylbewerber dürfen nicht einfach zum Arzt gehen. Sie müssen jede Behandlung bei den Sozialbehörden beantragen. Was Asylbewerber abschrecken sollte, zu großzügig Leistungen in Anspruch zu nehmen, hat aber problematische Wirkungen. Erstens kam es laut Mesovic zu Fällen, in denen Menschen wegen fehlender Behandlung in ihren Unterkünften starben. Zweitens sind verschleppte Krankheiten in der Behandlung oft teurer als frühzeitig erkannte und behandelte. Drittens war in den Sozialbehörden, die sich auch mit Kranken beschäftigen mussten, mehr Personal nötig.

In Bremen führte die Einführung der Gesundheitskarte am Ende nicht zu Mehrkosten. In Hamburg, wo das Bremer-Modell übernommen wurde, konnten die Behörden nach Angaben des Senats im vergangenen Jahr sogar 1,6 Millionen Euro sparen - trotz steigender Flüchtlingszahlen.

Wenn es um das Thema Asyl gehe, drifteten die Debatten immer wieder in parteipolitische Scharmützel ab, kritisiert Mesovic von Pro Asyl. Er fordert vorausschauenderes Denken. "Man muss in Zeiten der schwarzen Null erstmal Geld in die Hand nehmen und es in Lebensläufe von Flüchtlingen investieren."

Quelle: ntv.de

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