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Blut und Faust von Donald Trump Dieses Foto entscheidet die Wahl

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Vuccis Foto von Donald Trump wird in die Bildgeschichte eingehen.

Vuccis Foto von Donald Trump wird in die Bildgeschichte eingehen.

(Foto: Evan Vucci / AP / dpa)

Der kriegserfahrene Fotograf Evan Vucci hat ein Foto gemacht, das die US-Wahlen vorzeitig entschieden haben dürfte: Es ist eine Bildikone für die Geschichtsbücher.

Donald Trump wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wegen dieses Fotos. Es ist ein perfektes Bild, in absolut jeder Hinsicht. Aufgenommen hat das Bild Evan Vucci. Sein Auge hat schon früher ikonische Bilder produziert, er hat den Pulitzer-Preis erhalten und ist erfahrener Kriegsfotograf.

75 Sekunden nach dem Schuss gelingt ihm das Foto. Dafür musste er erst einmal um die Bühne herumlaufen: "Was machen sie als Nächstes?", habe er sich gefragt und dann den einzigen Fluchtweg für Trump abgepasst. Seine Erfahrung aus dem Irak und Afghanistan habe ihm geholfen, ruhig zu bleiben, sagt der Fotograf im Gespräch mit CNN. Und: "Komposition und Licht müssen stimmen".

Unbändiger Siegeswillen

Doch auch die Technik spielt eine Rolle: Heutige Kameras haben einen Klappbildschirm, der das Fotografieren oberhalb der Sichtachse erleichtert. Sie können in hoher Auflösung schnelle Bildfolgen praktisch ohne Begrenzung schießen, dabei krallt sich der Autofokus an den Augen des Motivs fest. Wer sich anschaut, wie Vucci an dem Tag arbeitet, sieht, dass auch diese Dinge eine Rolle spielen.

Das berühmte Foto ist einerseits das Werk eines großen Fotografen, aber es konnte andererseits nur aufgrund der Geistesgegenwart des Ex-Präsidenten zustande kommen. Nachdem er am Ohr getroffen wurde, stürzen sich die Personenschützer auf Trump, um sich weiteren Projektilen in den Weg zu stellen. Sie wollen Trump aus der Schusslinie ziehen, aber der ruft "wartet, wartet". Obwohl er gerade um wenige Zentimeter einen tödlichen Kopfschuss verpasst hat, will Trump jetzt die Faust recken und "Kämpft! Kämpft! Kämpft!" rufen.

Das erfordert Geistesgegenwart, einen unbändigen Siegeswillen und immerhin auch Mut: Trump kann zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, ob der Schütze noch weitere Kugeln abfeuern kann. Er weiß, dass ihn die Menge kaum hören kann, aber er weiß, dass man "fight!" von den Lippen lesen kann. Trump ist der König der Medienkompetenz, ein beispielloser Bilderdompteur. Kommunikation bedeutet, im entscheidenden Moment das Zielpublikum hinter sich zu vereinen. Das macht den "defining moment" aus. Trumps Medieninstinkte sind voll da. Das muss selbst seinen intimsten Feinden Respekt abnötigen.

Ein Bild, eine Botschaft

Ein Bild ist ikonisch, wenn es eine Botschaft verkörpert und - das ist wichtig - sonst gar nichts. Ein Bild, das ohne Erklärungen auskommt. Ein Bild, das das kulturelle Gedächtnis der Menschen stimuliert und zugleich ästhetischen Prinzipien folgt.

Ein Foto kann auf interessanteste Weise die Realität abbilden, ohne diese Kriterien zu erfüllen. Das Foto etwa, auf dem der Flug der Gewehrkugel zu sehen ist, wird schnell wieder vergessen sein: Man muss es erklären, um es zu fühlen. Vuccis Foto von Donald Trump wird für immer in die Bildgeschichte eingehen.

*Datenschutz

Das Foto ist aus der "Heldenperspektive" fotografiert, schon aus technischen Gründen: Also von unten, wo die Fotografen standen, sodass Trump in den Himmel zu ragen scheint. Es ist fast nichts zu viel auf dem Bild: Auf manchen Varianten anderer Fotografen sieht man Teleprompter oder einen Teil des Geländers recht tief ins Bild ragen, Ablenkungen, die die visuelle Wucht beschränken - weshalb Fotografen wie Vucci solche Störer vermeiden oder, sofern es nicht um Pressefotografie geht, mit Photoshop entfernen.

Trump, der Erlöser

Die Botschaft des Bilds ist simpel: Trump ist der unbeugsame Kämpfer gegen skrupellose Feinde, die ihn und seine Anhänger umzingeln, ein Erlöser. Ein Kämpfer reckt die Faust, die Gefahr ist erkennbar durch Blut und die ihn umringenden Secret-Service-Leute. Und er leidet. Für wen? Amerika natürlich, erkennbar am wehenden Sternenbanner im Hintergrund.

Das alles verleiht Trump auf dem Foto eine geradezu messianische Aura. Damit ist das Bild auch sehr stimmig, jedenfalls für Trumps Anhänger. Die besonders fanatischen stellen den Ex-Präsidenten ohnehin gern in schwülstigen Bildern als Superhelden dar - oder eben gleich als Erlöser: Unter evangelikalen Christen wird Trump zum Kämpfer in einem Heiligen Krieg für Christentum und Amerika stilisiert. Diese Leute werden dieses Foto als Bestätigung ihrer Fantasien werten. Er wird schon mit dem "Matrix"-Helden Neo verglichen, einem anderen Erlöser, der Kugeln mit einer Handgeste stoppen kann.

Die Einfachheit und Ästhetik des Bilds reicht bis hin zur Farbpalette: schwarz, weiß, rot, orange und blau - mehr gibt es nicht. Die Farben der US-amerikanischen Flagge spiegeln sich im Blut und im Rednerpult und im Blau des Himmels. Man hätte es so malen müssen, wäre es denn ein Gemälde. Auf dem berühmten Werk "La Liberté" von Eugène Delacroix etwa spiegeln sich auch die Farben der französischen Trikolore in Kleidungsstücken und Pulverdampf.

"Die Freiheit führt das Volk" entstand 1830.

"Die Freiheit führt das Volk" entstand 1830.

(Foto: Shonagon 2024-05-02, Wikimedia)

Geschenk für die Republikaner

Dass dieses Foto nun zum Wahlkampfartikel wird, liegt auf der Hand. Es wird auf T-Shirts und Tassen gedruckt wie ehemals Shepard Fairey's "Hope"-Schablonendruck. Für die Republikaner ist es ein Geschenk: Erst hat die Zeitgeschichte der Erzählung über einen tattrigen Joe Biden recht gegeben, jetzt verleiht sie Trump Heldenstatus.

Das "Hope"-Poster prägte den Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama 2008.

Das "Hope"-Poster prägte den Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama 2008.

(Foto: Wikimedia)

Mittelfristig könnte sich auf Basis dieses Fotos eine noch viel weiter greifende Erzählung ausbreiten: Dass nämlich die Desinformationsvorwürfe der amerikanischen Linken lediglich kalkulierte Stiche gegen das Trump-Lager gewesen seien. Der Zufall will es, dass ich gerade in den Vereinigten Staaten bin. Als ich dort meiner teilamerikanisierten, eher den Demokraten zuneigenden Familie das Trump-Foto zeige, ist deren erste Reaktion: "Das ist doch eine Inszenierung!" (Zu diesem Zeitpunkt war praktisch nichts bekannt über die Umstände.)

Das Foto ist einfach zu ikonisch, um wahr zu sein - aber es ist wahr. Darin liegt die eigentliche Wucht zugunsten des Trump-Lagers. Alles, was man sich dort zusammengesponnen hat, scheint auf einmal wahr zu werden.

Trumps medialer Schatten

Wie geht es weiter? Der Attentatsversuch auf Trump wirft einen gewaltigen medialen Schatten auf die demokratische Kampagne, aus dem herauszutreten kaum noch vorstellbar ist. Im August findet der Nominierungsparteitag der Demokraten statt, auf dem sie ihren Kandidaten offiziell nominieren werden. Sie haben also womöglich gerade Zeit gewonnen, sich nach den katastrophalen Biden-Auftritten neu zu sortieren. In den kommenden Wochen dreht sich ohnehin alles um das Blut und die Faust von Donald Trump.

Dass ein Foto eine derart wichtige Wahl entscheiden könnte, ist für sachorientierte Beobachter ein harter Schlag. Es ist aber, zumal nach der Niederlage Armin Laschets wegen eines Lach-Bilds im vergangenen Bundestagswahlkampf, nicht das erste Mal.

Quelle: ntv.de

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