Merkel in Danzig Einig beim Weltkriegsmuseum
16.06.2008, 18:24 UhrDas in Danzig geplante Museum zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs soll mit deutscher Beteiligung entstehen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel bei deren Besuch in Danzig (Gdansk), Deutschland nach der Erarbeitung eines ersten Konzepts zur Mitarbeit einzuladen. Im Streit über das in Berlin geplante Vertriebenenzentrum gab es dagegen keine weiteren Fortschritte.
In der Nähe von Danzig begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Die ersten Schüsse wurden hier von einem deutschen Schiff auf ein Munitionslager auf der Halbinsel Westplatte bei Danzig abgegeben. Am 70. Jahrestag im nächsten Jahr soll in Danzig der Grundstein für ein Weltkriegsmuseum gelegt werden.
Tusk sagte, bei der Konzeption würden Kriegsbeginn und Kriegsende gleichermaßen berücksichtigt. "Das soll auch ein Zeichen unseres guten Willens für die Zukunft sein", sagte er. Merkel erklärte die deutsche Bereitschaft zu einer Beteiligung an dem Projekt. "Wenn wir gefragt werden, werden wir uns gerne beteiligen", sagte sie.
Kein Wort zu Steinbach
Ob die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach am Aufbau des Vertriebenenzentrums in Berlin beteiligt wird, ließ Merkel offen. Dazu wolle sie sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern, sagte sie. "Jetzt sind wir erstmal in der Informations- und Abstimmungsphase." Die Kanzlerin versuchte auch inhaltliche Bedenken Polens gegen das Zentrum auszuräumen. Sie habe sehr deutlich gemacht, "dass wir hier kein Umschreiben der Geschichte beabsichtigen". Die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach ist in Polen hoch umstritten.
Seit Tusks Antrittsbesuch vor einem halben Jahr hat es erste Fortschritte in dem Streit gegeben. Die polnische Regierung will sich zwar nicht direkt an dem Projekt beteiligen, eine Einbindung polnischer Historiker akzeptierte sie aber. Problematisch ist allerdings weiterhin die Besetzung des Kuratoriums. Polen will eine Beteiligung Steinbachs unbedingt vermeiden. Die Vertriebenenpräsidentin pocht dagegen darauf, dass ihr Verband vorbehaltlos in das Projekt eingebunden wird und beruft sich auf eine entsprechende Zusage Merkels.
Deutschland und Polen wollen führen
Schwerpunkt der Gespräche in Danzig war die Europapolitik. Merkel und Tusk sprachen sich trotz des irischen Neins zum EU-Reformvertrag für eine weitere Ratifizierung des Textes aus. Bei der Überwindung der Krise in der EU wollen Deutschland und Polen eng zusammenarbeiten. Beide Länder seien "fähig, eine Führungsrolle bei der europäischen Integration" zu übernehmen, sagte Tusk. Am Donnerstag beginnt in Brüssel ein EU-Gipfel, der sich mit der Krise befassen soll.
"Wir brauchen diesen Lissaboner Vertrag, um arbeitsfähig zu sein, um die EU erweitern zu können", sagte Merkel. Die Erweiterung sei gerade für die Stabilität auf dem Balkan von "ganz besonderer Bedeutung". "Der Ratifizierungsprozess muss dort fortgesetzt werden, wo er noch nicht abgeschlossen ist", sagte auch Tusk.
Auf die Frage, ob sich Polen und Deutschland in einem Europa der zwei Geschwindigkeiten nicht in unterschiedlichen Gruppen wiederfänden - wenn es durch Irlands Nein dazu käme - sagte Merkel: "Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es eine Gruppe gibt, in der Deutschland bleibt und Polen nicht ist." Tusk sprach sich kategorisch gegen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus.
Quelle: ntv.de