Axt-Attentäter von Würzburg Ermittler hegen Zweifel an der Herkunft
20.07.2016, 00:37 UhrIn einem vom IS verbreiteten Video droht er "Ungläubigen", dann geht der 17-Jährige mit einer Axt auf Fahrgäste los. Jetzt gibt es Zweifel, dass der Täter wirklich aus Afghanistan stammt. In seinem Zimmer finden Beamte ein pakistanisches Dokument.
Stammt der Axt-Angreifer von Würzburg wirklich aus Afghanistan? Deutsche Ermittler bezweifeln das. In seinem Zimmer soll die Polizei ein pakistanisches Dokument gefunden haben. Das berichtet das ZDF und beruft sich dabei auf Sicherheitskreise.
Vor allem das Bekennervideo des 17-Jährigen nähre diese Zweifel, heißt es. Darauf spricht der Mann in Paschtu, einer Sprache, die am Hindukusch benutzt wird, aber deutliche Unterschiede in der afghanischen und der pakistanischen Ausprägung aufweist. Für Begriffe wie "Selbstmord", "Regierungen", "Militär", "Körper" und "Muslime" würde der Täter die pakistanische Variante benutzen. Auch seine Aussprache sei nach Einschätzung von Sprachexperten eindeutig pakistanisch.
Zudem stimme der vom IS angegebene Name des Mannes, Muhammad Riyadh, nicht mit dem Namen überein, mit dem er in Deutschland registriert wurde. Dieser laute Riaz Khan Ahmadzai. Den Ermittlern zufolge gibt es Anhaltspunkte, dass sich der Täter bei seiner Registrierung als Afghane ausgab, um seine Chance zur Anerkennung als Flüchtling in Deutschland zu erhöhen. In seinem Zimmer fand die Polizei auch ein pakistanisches Dokument.
Bekennervideo ist echt
Das bayerische Innenministerium geht indes weiter davon aus, dass der Attentäter von Würzburg aus Afghanistan stammt. "Nach unseren Erkenntnissen hat er beim Grenzübergang in Passau, beim Landratsamt in Würzburg und beim Ausländerzentralregister immer den gleichen Namen und Geburtsort in Afghanistan angegeben", sagte ein Ministeriumssprecher.
Das Innenministerium bestätigte aber auch die Echtheit des Videos. "Der Mann auf dem Video ist der Täter von Würzburg", sagte ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Herrmann selbst erklärte im Bayerischen Fernsehen: "Wir wissen, dass das Video authentisch ist". Zuvor hatte bereits Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) gesagt, dass "dieses Video aller Voraussicht nach authentisch" sei. Das gelte auch für den Abschiedsbrief des 17-Jährigen, der gefunden wurde. "Und deshalb müssen wir davon ausgehen, dass er zumindest Wert darauf gelegt hat, seine Tat in den Zusammenhang zum IS zu stellen." Inwieweit die Terrormiliz Islamischer Staat selbst involviert gewesen sei, "das muss überprüft werden", so Altmaier im ZDF.
Das Video wurde durch das IS-Sprachrohr Amak am Nachmittag verbreitet. "Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates und beginne eine heilige Operation in Deutschland", sagte der Mann in dem knapp zweieinhalb minütigem Film.
"Keinerlei Indizien" für IS-Vernetzung
Bei einer Pressekonferenz zu den Ereignissen bei Würzburg berichtete Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager, dass der Axt-Attentäter am Tag vor der Tat erfahren habe, dass ein Freund von ihm in Afghanistan ums Leben gekommen sei. Man gehe daher bei den Ermittlungen derzeit davon aus, dass er am Montag mit dem "vorgefassten Entschluss ihm völlig unbekannte Zugpassagiere zu töten" in den Zug gestiegen sei. Der Axt-Angreifer wollte sich nach Angaben der Ermittler an Nicht-Muslimen rächen, die seinen muslimischen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten.
Die Ermittler hätten am Wohn- und Tatort zuvor "keinerlei Indizien" für eine direkte Vernetzung des Angreifers mit islamistischen Organisationen gefunden, hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Mittag gesagt. Allerdings wurde im Zimmer des 17-Jährigen eine handgemalte IS-Flagge gefunden.
Fünf Menschen schwerverletzt
Der 17-Jährige war am Montagabend mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Er verletzte fünf Menschen schwer. Zwei Menschen schweben laut Würzburger Uniklinik in Lebensgefahr. Auch eine Passantin wurde bei der Attacke verletzt.
Bei dem Angreifer sei ein Text gefunden worden, der darauf hindeutet, dass sich der 17-Jährige "in letzter Zeit selbst radikalisiert hat", sagte Herrmann. Doch "das ist alles noch nicht erwiesen". Der Text drehe sich um das Leben der Muslime, wonach diese sich zur Wehr setzen müssten. Auch ein Zeuge berichtete, der Täter habe bei seinen Attacken "Allahu akbar" ("Gott ist groß") gerufen. Für alle Menschen, die in den vergangen Monaten in Kontakt mit dem Jugendlichen waren, sei diese Tat jedoch "völlig unbegreiflich". Der 17-Jährige sei als ruhiger und ausgeglichener Mensch geschildert worden. Er sei zwar ein "gläubiger Muslim" gewesen, doch "nur zu wichtigen Feiertagen in der Moschee" gewesen und "nicht jede Woche".
Herrmann sagte, es müsse nun dringend geklärt werden, wie es sein könne, "dass jemand, der nach Wahrnehmung seiner Mitmenschen bislang eigentlich eher unauffällig war und auf keinen Fall als radikal erschien, sich mutmaßlich in kurzer Zeit plötzlich umorientiert".
Eigentlich gut integriert
Der Jugendliche hatte ein Praktikum in einer Bäckerei gemacht - mit der Aussicht auf eine Lehrstelle. Er sei im Rahmen der Jugendhilfe intensiv betreut worden, sagte Sozialministerin Emilia Müller (CSU) nach Angaben einer Sprecherin. Auch Müller sagte: "Wir müssen jetzt sehr genau analysieren, wie es trotz dieser guten Voraussetzungen dennoch zu dieser Gewalttat kommen konnte.
Der Jugendliche habe am Montagabend gegen 20.00 Uhr seine Pflegefamilie verlassen. Vermutlich in Ochsenfurt sei er dann in den Zug gestiegen und habe dann "sehr schnell" Fahrgäste attackiert. Nach ersten Ermittlungen habe er seine Opfer zufällig ausgesucht.
Der Staatsschutz konzentriert sich nun darauf, das Motiv des Täters aufzuklären. Den Ermittlungen zufolge war der Jugendliche vor etwa zwei Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Seit vergangenem Jahr war er als Asylbewerber registriert. Seit März war er in einem Heim im Landkreis Würzburg untergebracht, die vergangenen zwei Wochen in einer Pflegefamilie.
Quelle: ntv.de, bad/dsi/dpa/rts