Politik

Interview mit Piratin Nocun "Es hat Spaß gemacht, auszuteilen"

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Katharina Nocun ist seit vier Monaten politische Geschäftsführerin der Piratenpartei. Zuvor war sie in Niedersachsen angetreten, wo die Piraten 2,1 Prozent holten.

(Foto: cc-by-sa Miriam Juschkat)

Für die Piratenpartei war die bundespolitische Bühne neu, die Fünf-Prozent-Hürde wird sie wohl nicht überspringen. Geschäftsführerin Katharina Nocun hat diese Erfahrung bereits gemacht. Im Interview von n-tv.de berichtet sie schon jetzt, was im Wahlkampf falsch gelaufen ist und wie es nach dem 22. September weitergeht.

n-tv.de: Sie sind erst seit vier Monaten im Vorstand der Piratenpartei und haben jetzt den Bundestagswahlkampf  angeführt. Haben Sie sich wohlgefühlt in dieser Rolle?

Katharina Nocun: Es hat mir extrem Spaß gemacht, im Zuge des NSA-Skandals gegen das Innenministerium und die Politiker auszuteilen. Ich bin Bürgerrechtlerin und durch den Skandal kamen all die Themen auf den Tisch, wegen denen ich bei den Piraten eingetreten bin. Ungewohnt waren für mich Fernsehauftritte. Das Print-Medium ist mir vertraut, Gastbeiträge schreibe ich sehr gerne. Ich wollte häufiger TV-Auftritte an andere Kandidaten abgeben, aber das haben die Sendungen nicht akzeptiert.

An den Umfragewerten Ihrer Partei hat sich in den vergangenen Monaten nichts getan. Was ist falsch gelaufen im Wahlkampf?

Wir brauchen mehr Zeit, um Vertrauen wieder aufzubauen. In den vergangenen zwei Jahren waren wir überfordert damit, als 12-Prozent-Partei gehandelt zu werden. Das ist eine ganz normale Entwicklung, wie sie die Grünen auch durchgemacht haben. Wir hätten im Wahlkampf auch stärker polarisieren müssen, über den NSA-Skandal ist noch viel zu wenig gesprochen worden.

Das heißt, es lag nicht an falschen Themen, sondern daran, dass die Wähler den Piraten nicht vertrauen?

So einfach ist es auch nicht. Es hängt zum Beispiel auch damit zusammen, dass wir nur einen Bruchteil des Budgets anderer Parteien haben. Die Piratenpartei hat nur eine Handvoll fest angestellte Mitarbeiter. Wir beschäftigen keine Spin-Doktoren und Werbeagenturen. Unsere Arbeit ist eher wie die einer Graswurzelbewegung.

Auf den Wahlplakaten, auf denen Sie abgebildet sind, steht gar nicht Ihr Name. Warum?

Wir haben auf den Plakaten nicht nur Spitzenkandidaten abgebildet, sondern auch einfache Mitglieder, Leute aus Arbeitsgemeinschaften oder die an unserem Programm mitgearbeitet haben. Unsere Politik soll mit weniger Hierarchien auskommen. Auf den Plakaten zeigen wir, dass wir ganz normale Menschen sind. Die abgebildeten Menschen stehen für die Themen und haben sich die Slogans selbst ausgedacht. Ich habe mir zum Beispiel den Spruch "zuhören statt abhören" gewählt.

Sie hatten im Wahlkampf viel Kontakt mit Politikern anderer Parteien. Wie hat sich Ihr Bild von der Politik dadurch verändert?

Nicht viel. Ich komme aus der Bürgerrechtsbewegung und kenne viele Politiker, auch aus den Vorständen anderer Parteien. Ich wusste bei meiner Kandidatur für den Bundestag, auf was ich mich einlasse: Abgeordneter zu sein, ist mindestens ein 60-Stunden-Job, das kann man nur mit Herzblut machen.

In Ihrer Partei gibt es viel Verachtung gegenüber Politikern. Bei Ihnen nicht?

Ich kenne viele Abgeordnete, gerade Netzpolitiker, die gute Arbeit machen und vernünftige Positionen vertreten. Nur können die sich derzeit nicht durchsetzen. Als wir in den Umfragen über 10 Prozent standen, sprachen auf einmal die Vorsitzenden mit den Netzpolitikern über Themen wie Bürgerrechte, Datenschutz und Transparenz. Das ist jetzt wieder verloren gegangen, weil wir in den Umfragen abgesunken sind. Mit der Zweitstimme für die Piraten stärkt man also auch die guten Köpfe in anderen Parteien.

Sie sind auch schon in Niedersachsen angetreten, haben den Einzug in den Landtag aber verpasst. Wie ist jetzt, neun Monate danach, die Stimmung in Ihrem Landesverband?

Bei unserem ersten Ortsverbands-Treffen nach der Wahl war die Stimmung sehr gelöst, als wäre ganz viel Druck von uns gefallen. Wir haben dann einfach weiter konstruktiv Kommunalpolitik gemacht. Zum Beispiel wollen wir, dass die Stadtratssitzungen ins Internet übertragen werden. Die Mitgliederzahl entwickelt sich jetzt wieder positiv.

Sie hatten dann doch etwas Angst davor, Verantwortung im Landtag übernehmen zu müssen?

Nein, das gar nicht. Ich hätte mich unglaublich darauf gefreut, Abgeordnete zu werden. Ich hatte schon Änderungsanträge für die Geschäftsordnung ausformuliert. Es gab schon eine Finanzordnung für die Fraktion. Wir waren sehr, sehr gut vorbereitet und sind das auch jetzt für den Bundestag. Aber für die Basis ist der Wahlkampf natürlich sehr stressig. Wir plakatieren, wir machen Infostände, wir verteilen Flyer, weil wir uns Postwurfsendungen nicht leisten können. In Niedersachen standen viele von uns bei fünf Grad stundenlang am Wahlkampfstand. Das ist auch einfach körperlich anstrengend.

Was passiert mit den Piraten, wenn sie nicht in den Bundestag kommen?

Wir werden weitermachen. Als nächstes stehen Kommunalwahlen in Bayern an und einige Landtagswahlen. Bei der Europawahl im kommenden Jahr werden wir den Einzug wahrscheinlich schaffen. Und zwar nicht nur in Deutschland, es gibt in den EU-Staaten schon mehr als 20 Piratenparteien. Und in vier Jahren stehen wir wieder auf der Matte und werden Bundestagwahlkampf machen – unabhängig davon, ob wir jetzt einziehen oder nicht. Wir haben 30.000 Mitglieder. Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Mit Katharina Nocun sprach Christoph Herwartz

Quelle: ntv.de

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