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Das Innenministerium arbeitet noch an einem Entwurf für ein Einwanderungsgesetz, doch die FDP legt bereits vor - zumindest ein Eckpunktepapier. An dem Konzept gibt es im Plenum viel Kritik - aber auch Lob anderer Fraktionen.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae zeichnet ein Bild, nach dem in Deutschland das Chaos herrscht. "Die Bundesregierung taumelt vor sich hin. Es gibt keine ordnende Hand. Die Planlosigkeit hat Methode", sagt er, als er den Antrag der FDP, eine Art Konzept für ein Einwanderungsgesetz vorstellt. Die Union habe sich gegen ein solches Gesetz lange gewehrt, Linke, SPD und Grüne hätten die Diskussion lange gescheut, weil sie sich in eine Art "Multi-Kulti-Rausch" befunden hätten. Der von der FDP nun eingebrachte Antrag soll die Basis sein für ein Gesetz, dass die Fragen von Zuwanderung und Asyl gewissermaßen "aus einem Guss" löst, so wünscht es sich die FDP.
Doch was will die Partei genau?
Asyl:
Die FDP will den Zugang zu Schutz und Asyl durch legale Fluchtwege stärker regeln, etwa durch Resettlement-Programme des UN-Flüchtlingshilfswerks oder humanitäre Visa nach Schweizer Vorbild. Dabei können politisch Verfolgte bei Auslandsvertretungen gewissermaßen einen Antrag auf Asyl stellen. Außerdem will die Partei einen neuen Status etablieren, der dem vorübergehenden Schutz dient. Er soll nach Identitätsfeststellung schnellen Zugang zu Integrationskursen und zum Arbeitsmarkt bieten und im Zweifel länger gelten, als die Bedrohungssituation im Heimatland anhält. Die FDP ist gegen einen Familiennachzug - ausgenommen Härtefälle.
Asylverfahren:
In zentralen Unterbringungseinrichtungen sollen alle mit dem Asylverfahren befassten Behörden vertreten sein, das komplette Anerkennungsverfahren soll in den Einrichtungen abgewickelt werden. Sprach- und Intergrationskurse sollen ebenfalls in den Unterbringungen angeboten werden. Kommen die Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten, soll innerhalb einer Woche über das Verfahren entschieden werden.
Abschiebungen:
Die FDP will verhindern, dass Ausreisepflichtige untertauchen, fragwürdige Atteste vorlegen oder andere "typische Probleme", wie es in dem Antrag heißt, die Abschiebung verhindern. Einwanderer, die zu mindestens einem Jahr Gefängnisstraf verurteilt oder als Gefährder eingestuft wurden, sollen "zügig" abgeschoben werden, ebenso Personen die dauerhaft mit falschen Identitäten täuschen.
Einwanderung in den Arbeitsmarkt:
Die FDP fordert eine Anpassung des Bluecard-Systems für die Einwanderung. Die Gehaltsgrenzen etwa seien "unrealistisch", heißt es. Die Grenze liegt derzeit bei einem Jahreseinkommen von 50.800 Euro, ist bei sogenannten Mangelberufen jedoch etwa 10.000 Euro niedriger. Mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild sollen gewissermaßen Fachkräfte "nach Maß" angeworben werben. Gut integrierten Flüchtlingen soll die Chance eines "Spurwechsels" gegeben werden. Ausbildungsstellen sollen auch von Ausländern besetzt werden können, eine Vorrangregelung soll entfallen. Selbstständige, die in Deutschland tätig werden wollen, sollen von einer geringeren, verpflichtenden Investitionssumme profitieren. Ausländerbehörden und Visa-Stellen der deutschen Botschaften sollen "Service-" bzw. "Welcome-Center" werden, mit ausgewählten Staaten sollen Anwerbestrategien entwickelt werden.
Integration:
Das Beherrschen der deutschen Sprache hat für die FDP "höchste Priorität". Kostenlose und verpflichtende Integrationskurse sollen angeboten werden, in den Herkunftsländern Vorbereitungskurse. Anerkannte Flühtlinge sollen eine Gesundheitskarte bekommen.
Staatsbürgerschaft:
Die FDP fordert, dass sich anerkannte Flüchtlinge, die drei Jahre straffrei bleiben, niederlassen dürfen. Nach zwei weiteren Jahren sollen sie die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Eine doppelte Staatsbürgerschaft soll möglich sein.
Grenzschutz:
Die FDP fordert einen verstärkten Schutz der EU-Außengrenzen. Unter bestimmten Bedingungen sollen Migranten an den deutschen Außengrenzen zurückgewiesen werden können.
Für die Vorschläge muss die FDP viel Kritik einstecken. Der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth verweist darauf, dass im Bereich der Fachkräftezuwanderung in vielen Bereichen die EU zuständig sei und ein Punktesystem höchstens neben bestehenden Regeln existieren könnte - ein bürokratischer Mehraufwand, so Harbarth. Zudem habe sich die kanadische Regierung schon wieder von dem Punktesystem verabschiedet.
Die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut sieht in dem Entwurf gar einen Angriff auf Grundrechte. "Die Zentralisierung der Erstaufnahmeeinrichtung erinnert uns an Anker-Zentren, die wir strikt ablehnen". Sie habe den Eindruck, "dass die FDP die Regierung rechts überholen will". Auch die AfD kritisiert das Papier scharf. "Alle Parteien sind sich einig: Die Tore sollen offen gehalten werden", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Bernd Baumann. Ein solches Einwanderungsgesetz locke nur weitere illegale Einwanderer an. Den Spurwechsel in der Asylpolitik nennt er die "Kapitulation des Rechtstaats".
Lob für den Entwurf gibt es unter anderem vom SPD-Abgeordneten Lars Castelucci, der in seiner Rede von Unternehmern berichtet, die nicht wüssten, woher sie dringend benötigte Arbeitkräfte bekommen sollten. "Ich danke der FDP für den Antrag, da sind viele gute Sachen drin. Ich würde das gerne mit Ihnen verhandeln, aber Sie wollen ja nicht regieren." Auch die CDU-Abgeordnete Andrea Lindholz sagte: "Ihr Antrag ist in vielen Bereichen gar nicht so abweichend von unseren Vorstellungen."
Anfang des Monats hat sich die Große Koalition auf ein Eckpunktepapier geeinigt, anhand dessen ein Einwanderungsgesetz erarbeitet werden soll. In der Debatte um einen Spurwechsel hatte es einen Kompromiss gegeben, die Trennung von Asyl und Erwerbsmigration soll aber aufrechterhalten werden. Auch für den Bereich Fachkräftezuwanderung hat sich die Große Koalition auf ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild geeinigt.
Quelle: ntv.de