Weitergabe von Nutzerdaten ins Ausland Friedrich fordert Meldepflicht
18.07.2013, 12:25 Uhr
Das NSA-Abhörzentrum auf dem Berliner Teufelsberg ist nicht mehr in Betrieb.
(Foto: REUTERS)
Noch vor kurzem kritisierte Deutschland die geplante EU-Datenschutzreform. Nun fordert Innenminister Friedrich eine Meldepflicht für Unternehmen, die Daten von EU-Bürgern ans Ausland weitergeben. Scharfe Kritik gibt es derweil an der Regierung. SPD-Chef Gabriel kann sich auch Klagen gegen das Kanzleramt vorstellen.
Als Konsequenz aus der US-Spähaffäre fordert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich eine EU-weite Meldepflicht für Internetfirmen bei der Datenweitergabe. Wenn Konzerne Daten europäischer Bürger an Staaten oder Stellen außerhalb Europas lieferten, müssten sie dies zwingend melden, sagte der CSU-Politiker beim Treffen der EU-Innenminister im litauischen Vilnius.
"Eine Meldung an die Europäische Kommission oder ähnliche Stellen oder sogar eine Genehmigung, wenn man Daten ausliefert an fremde Staaten, das ist die Idee, die meiner Ansicht nach umgesetzt werden muss", sagte der Minister. Die geplante EU-Datenschutzreform müsse um dieses Element ergänzt werden.
Die Anfang 2012 von der EU-Justizkommissarin Viviane Reding vorgeschlagene Reform wird derzeit von den Mitgliedsstaaten verhandelt. Bei dem letzten Treffen der EU-Innenminister im Juni hatte eine Reihe von Staaten, darunter Deutschland, noch in mehreren Punkten Kritik an den neuen Bestimmungen geäußert. Friedrich sagte weiter, er wolle mit seinen Kollegen auch darüber reden, "wie wir möglicherweise eine digitale Grundrechtecharta ausgestalten müssen, die auch Grundlage sein könnte für ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen".
Unklarheit über zweites Prism-Programm
Der US-Geheimdienst NSA überwacht angeblich im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber sind noch immer viele Fragen zu Umfang und zu Einzelheiten der Datensammlung unklar. Unklar ist auch die Rolle großer Internetkonzerne wie Facebook, Google und Microsoft. Ihnen wird vorgeworfen, freiwillig Daten ihrer Nutzer an die Behörden weiterzugeben. Die Unternehmen betonen dagegen, sie würden Daten nur auf richterlichen Beschluss hin herausgeben.
Zuletzt tauchte neben dem umstrittenen US-Spähprogramm Prism eine zweite Datenbank mit demselben Namen auf. Diese soll im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden sein.

Der Flugplatz in Wiesbaden-Erbenheim ist Sitz des Europa-Hauptquartiers der US-Armee. In der Stadt plant die NSA offenbar den Bau eines neuen Abhörzentrums.
(Foto: dpa)
Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst (BND) hatten versichert, es handele sich um zwei unterschiedliche Programme. Die "Bild"-Zeitung berichtete hingegen, dass beide Prism-Programme auf dieselben NSA-Datenbanken zugriffen. In beiden würden auch Internet- und Telefon-Verbindungsdaten deutscher Staatsbürger gespeichert, schreibt das Blatt unter Berufung auf Quellen in den USA, die mit Prism vertraut seien.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Kanzlerin Angela Merkel vor, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. "Wenn Frau Merkel so weiter macht, dann könnte es in Deutschland bald auch Strafanzeigen gegen das Kanzleramt geben, denn was der Geheimdienst unter Billigung des Kanzleramtes dort getan hat, ist ein Verstoß gegen unsere Verfassung", sagte Gabriel der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die SPD erwarte, dass die Generalbundesanwaltschaft von sich aus ein Ermittlungsverfahren prüfe - "gegen die britischen und amerikanischen Geheimdienste und auch gegen mögliche Helfershelfer in den deutschen Diensten."
Die Linkspartei warf der Bundesregierung vor, Öffentlichkeit und Parlament "für dumm verkauft" zu haben. "Alle halbseidenen Dementis ändern nichts daran, dass BND und Bundeswehr das Programm nicht nur seit Jahren kennen, sondern da auch fleißig Daten einspeisen", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping der "Rheinischen Post". Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von "vielen Fragezeichen". "Nachrichtendienste agieren nie völlig eigenständig. Es gibt immer Rückmeldungen der Politik", sagte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow der "Passauer Neuen Presse".
Abhörzentrum entsteht in Weisbaden
Innenminister Friedrich war in der vergangenen Woche in die USA gereist, um mehr Informationen von der US-Regierung zum US-Spähprogramm Prism zu erlangen. Über die Ergebnisse der Gespräche sprach er am Dienstag vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium und am Mittwoch vor dem Innenausschuss des Bundestages.
Friedrich hatte danach betont, dass die Auswertung der gesammelten NSA-Daten auch fünf Anschläge in Deutschland vereitelt hätten. Sein Sprecher hatte dies später relativiert und gesagt, es könnten auch weniger gewesen sein.
Nach einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung" trugen die Informationen jedoch dazu bei, sieben Terroranschläge in Deutschland zu verhindern. Diese Zahl habe Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen dem Innenausschuss des Bundestages genannt, berichtete das in Halle erscheinende Blatt unter Berufung auf Sitzungsteilnehmer. Maaßen habe diese Fälle im Detail erläutert. Zwei Hinweise hätten demnach auf dieselbe Spur geführt.
In der Innenausschuss-Sitzung bestätigte zudem der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, einen Zeitungsbericht, laut dem die NSA in Wiesbaden ein neues Abhörzentrum errichten wird. Wie die "Mitteldeutsche Zeitung" berichtet, habe Schindler sowohl die Präsenz der NSA an dem Standort als auch die Ausbaupläne bestätigt.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP