Politik

Panzer und Propaganda Gaddafi ist zu allem fähig

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Dem Westen droht Gaddafi mit der Hölle.

(Foto: REUTERS)

Libyens Machthaber Gaddafi holt unter dem Druck der Proteste zu einem militärischen und verbalen Gegenschlag aus. Regierungstreue Truppen rücken gegen die Rebellen im Osten des Landes vor, in Tripolis lässt sich der "Bruder Revolutionsführer" von Anhängern bejubeln. In einer Rede droht Gaddafi mit "tausenden Toten", sollte das Ausland militärisch eingreifen.

In Libyen droht eine humanitärer Katastrophe: Bei den massiven Protesten, die von Machthaber Muammar al-Gaddafi weiter negiert werden, gab es laut der libyschen Menschenrechtsliga bislang mindestens 6000 Tote. Mehr als 150.000 Menschen flohen aus Libyen, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mitteilte.

Das UNHCR forderte die Staaten der Welt zur Entsendung hunderter Flugzeuge zur Rettung der Flüchtlinge an der tunesischen Grenze auf. Das UN-Ernährungsprogramm kündigte Soforthilfen von knapp 28 Millionen Euro für die rund 2,7 Millionen von der Krise betroffenen Menschen an und schickte Schiffsladungen von Nahrung in das Grenzgebiet.

Kämpfe um Ölstadt Al-Brega

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Die Rebellen verteidigen Brega.

(Foto: AP)

Gaddafi ergebene Truppen versuchten inzwischen, im Osten des Landes verlorenes Terrain zurückzugewinnen und lieferten sich mit Aufständischen heftige Kämpfe um die Öl-Stadt Al-Brega. Die Regierungstruppen griffen die Öl-Anlagen, den Flughafen und mehrere Wohnviertel an. Kampfjets bombardierten ein Waffendepot. Medienberichte, wonach die Soldaten das Flugfeld unter ihre Kontrolle gebracht hätten, wurden von den Aufständischen zurückgewiesen. Ein Polizeioffizier in der Stadt Bengasi sagte, Al-Brega werde seit Mittwochnachmittag wieder komplett von den Aufständischen kontrolliert. Bei den Kämpfen soll es Dutzende Tote gegeben haben, ebenso in der Nachbarstadt Adschdabija.

"Der Führer" lässt sich feiern

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Gaddafi lässt sich feiern und behauptet, es gebe keine Proteste gegen ihn.

(Foto: dpa)

Gaddafi ließ sich derweil von seinen Anhängern in Tripolis bejubeln. Bei einer Feierstunde zum "34. Jahrestag der Herrschaft des Volkes" sagte er, das libysche Volk werde die Öl-Felder "mit Waffen verteidigen". Chinesische und indische Öl-Firmen sollten die Konzessionen der westlichen Öl-Konzerne in Libyen übernehmen.

Hunderte Anhänger applaudierten Gaddafi während seiner mehrstündigen Rede im Festsaal des Militärstützpunkts Bab al-Asisija in Tripolis. "Gott, Muammar, Libyen und sonst nichts", riefen sie. Aufständische in der Stadt Bengasi, die seine Rede im staatlichen Fernsehen verfolgten, skandierten "Lügner, Lügner". Der "Bruder Revolutionsführer" hatte sich 1969 an die Macht geputscht und 1977 die Staatsgewalt formal in die Hand des Volkes gelegt.

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Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache: In Adschdabija wird ein Verwundeter versorgt.

(Foto: dpa)

Gaddafi betonte, in Libyen habe bis heute das Volk die Macht, "kein Präsident und keine Regierung". Er selbst habe sich nach der Revolution von 1969 in sein "Zelt" zurückgezogen. "Ich habe kein Amt, von dem ich zurücktreten kann", betonte er. Für den Aufstand in mehreren libyschen Städten machte er "Al-Kaida-Zellen und libysche Rückkehrer aus Guantánamo" verantwortlich. Gaddafi sprach von sich selbst in der 3. Person und nannte sich "der Führer".

Sein Sohn Seif al-Islam sagte in einem Interview der französischen Tageszeitung "Le Figaro" ein baldiges Ende des Aufstandes voraus. "In zwei Tagen wird alles wieder den gewohnten Gang nehmen", prophezeite er. Saif al-Islam Gaddafi gestand, dass es bei den Protesten mehrere hundert Tote gegeben hat, bestritt jedoch erneut Luftangriffe auf Zivilisten.

Gaddafi zum Äußersten entschlossen

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Der "Bruder Revolutionsführer" nennt sich nun "Führer".

(Foto: dpa)

Italiens Industrieminister Paolo Romani hält unterdessen eine verheerende Zuspitzung der Libyen-Krise für realistisch. Es sei wahrscheinlich, dass sich Gaddafi zu verzweifelten Taten entschließen werde, sagte er einem Fernsehsender. "Es besteht die Wahrscheinlichkeit, sogar eine reale Wahrscheinlichkeit, dass Gaddafi einen verzweifelten letzten Versuch unternehmen könnte, um sich aus der Belagerung zu befreien, in der er sich befindet", sagte Romani. Der Minister antwortete auf die Frage von Journalisten, ob Italien befürchte, dass Gaddafi etwas Extremes und Verzweifeltes, wie das Bombardieren von Ölfeldern, tun könne.

"Wir werden bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau kämpfen", sagte Gaddafi. Sollten westliche Truppen in Libyen einrücken, "müssen sie wissen, dass sie sich in eine Hölle stürzen und in ein noch schlimmeres Blutbad, als es im Irak oder in Afghanistan gegeben hat". Zugleich bot er allen eine Amnestie an, wenn sie die Waffen niederlegten.

USA wollen nicht in einen Krieg ziehen

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte davor, mit der Diskussion über ein militärisches Eingreifen der "Propaganda" Gaddafis Vorschub zu leisten, der libysche Volksaufstand sei vom Westen gesteuert. Die Arabische Liga wandte sich entschieden gegen eine Militärintervention. Die Außenminister verurteilten bei einem Treffen in Kairo die Angriffe auf Zivilisten und friedliche Demonstranten in Libyen. Gleichzeitig erklärten sie: "Wir lehnen jede ausländische Einmischung in Libyen ab."

Unterdessen trafen zwei US-Kriegsschiffe, darunter ein Hubschrauberträger, im Mittelmeer ein, um sich vor der libyschen Küste zu positionieren. US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht zur Zeit keine Militärintervention in Libyen. Unter den NATO-Staaten gebe es keine Einigkeit über den Einsatz von Militärgewalt, sagte er. Die USA wollten nicht in einen Krieg im Nahen Osten ziehen.

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In Tunesien droht an der Grenze zu Libyen eine Flüchtlingskatastrophe.

(Foto: AP)

Auch die Einrichtung einer Flugverbotszone sieht das offizielle Washington kritisch. "Ich glaube, wir sind von dieser Entscheidung noch weit entfernt", sagte Außenministerin Hillary Clinton. Gates erklärte, die Einrichtung einer solchen Zone beginne mit der Zerstörung der libyschen Luftverteidigung. Danach könnten Flugzeuge aufsteigen, ohne Gefahr zu laufen, abgeschossen zu werden. "Nennen wir es wie es ist", sagte Gates. Die Einrichtung einer Flugverbotszone sei ein Angriff auf Libyen.

Mit einer Flugverbotszone könnten die Aufständischen in dem ölreichen nordafrikanischen Land vor Luftangriffen Gaddafi geschützt werden.

Vorwürfe an afrikanische Staaten

Ein Sprecher der libyschen Opposition forderte die UNO auf, Luftangriffe auf Gaddafis "Söldner" zu fliegen. Er warf zudem mehreren afrikanischen Staaten vor, Gaddafi mit Truppen zu unterstützen. Aus Niger, Mali und Kenia seien Soldaten entsandt worden, sagte der Sprecher des oppositionellen Nationalrats in der Rebellenhochburg Benghasi. Es gebe zudem Beweise dafür, dass auch die Regierung in Algerien sich daran beteilige.

Der Rebellenrat besteht dem Sprecher zufolge aus 30 Mitgliedern. Den Vorsitz führe der frühere Justizminister Mustafa Abdel Dschalil. Laut Staatsfernsehen ernannte Gaddafi inzwischen einen neuen Innen- und einen neuen Justizminister, nachdem die vorigen Ressortchefs aus Protest gegen die Gewalt zurückgetreten waren.

Verfahren wegen Gewalttaten

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag will am Donnerstag ein Verfahren zu möglichen Gewalttaten gegen Regierungskritiker in Libyen einleiten. Dann würden auch Namen von Verdächtigen genannt, teilte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo mit. Der UN-Sicherheitsrat hatte den Strafgerichtshof damit beauftragt, Gewalttaten bei der Niederschlagung der Proteste zu prüfen. Am Dienstag hatte die UN-Vollversammlung Libyen aus dem Menschenrechtsrat augeschlossen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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