Politik

Genitalverstümmelung Grüne bekämpfen brutalen Brauch

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Ein Barbier aus Ägypten zeigt, wie er einst Mädchen beschnitten hat. Auch Mädchen aus Deutschland droht der Eingriff.

Der brutale Brauch kommt vor allem aus Afrika nach Deutschland: Rund 5000 Mädchen in der Bundesrepublik droht eine Genitalverstümmelung. Die bisherigen Gesetze greifen nicht oder sind lückenhaft. Nun wollen die Grünen die traumatisierende Praxis der Beschneidung eindämmen.

Sie fiel auf den Trick ihrer Verwandten rein. Kein Wunder. Diana (Name geändert) war damals kaum sechs Jahre alt. "Wir gehen heute Bonbons kaufen", sagten sie ihr. Statt auf einen Markt brachten Dianas Verwandte sie aber in den Warteraum einer provisorischen Klinik - voller Mädchen. Eines nach dem anderen wurde in das benachbarte Zimmer geschickt. Schreie drangen herüber. Wenn sie zurück kamen, konnten die Mädchen nicht mehr ohne Hilfe laufen. Diana war als letzte dran. "Elf oder zwölf Mal musste ich das mitansehen", sagt sie n-tv.de. Der Tag, an dem Diana Bonbons kaufen wollte, wurde zum Tag ihrer Genitalverstümmelung. Ein alltägliches Ereignis in Guinea und etlichen anderen Staaten Afrikas.

Die 22-jährige Diana, die jetzt in Berlin lebt, macht es fassungslos, dass der brutale Brauch aus ihrer früheren Heimat auch Kindern in Deutschland droht. Nach Angaben der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes laufen rund 5000 Mädchen Gefahr, Opfer einer Genitalverstümmelung zu werden. Mit einem Gesetzentwurf, der am Donnerstag im Bundestag in die erste Lesung geht, wollen die Grünen diesen Missstand eindämmen.

Kein Straftatbestand für Genitalverstümmelung

Beim Thema Genitalverstümmelung klaffen im deutschen Recht zwei Gesetzeslücken. Wer einem Mann in Deutschland den Penis abschneidet, begeht eine schwere Körperverletzung. Wer es mit der Klitoris einer Frau tut, kommt mit einer gefährlichen Körperverletzung davon. Für die weibliche Genitalverstümmelung bietet das Strafgesetzbuch keinen angemessenen Tatbestand.

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Die Frau des Abenteurers und Menschenrechtsaktivisten Rüdiger Nehberg, Annette Nehberg, sitzt in der Centrums-Moschee in Hamburg-St. Georg, bevor ein Vortrag ihres Mannes gegen weibliche Genitalverstümmelung beginnt. Eingeladen hatte ihn das "Bündnis der islamischen Gemeinden".

(Foto: picture alliance / dpa)

Die wohl größere Gefahr birgt jedoch ein anderer Mangel im Rechtssystem. Die weibliche Genitalverstümmelung steht nicht im Katalog der Auslandsstraftaten. Terre des Femmes vermutet, dass Zuwanderer ihre Töchter bei sogenannten Ferienbeschneidungen in ihrer alten Heimat verstümmeln lassen. Dabei können die Täter auf Straffreiheit hoffen.

Der Gesetzentwurf der Grünen erklärt die Genitalverstümmelung nun zu einer schweren Körperverletzung und ergänzt sie im Katalog der Auslandsstraftaten. Wie erfolgreich nun der Versuch der Grünen verläuft, ist unter Experten umstritten. Nicht nur, weil ungewiss bleibt, ob aus dem Entwurf jemals ein Gesetz erwächst.

"Niemand traut sich, etwas zu sagen", erklärt Christoph Zerm n-tv.de. Der Gynäkologe berät in seiner Praxis in Herdecke beschnittene Frauen. "Täter und Opfer schweigen", sagt er. Zu ihm würden Frauen in der Regel erst kommen, wenn Spätfolgen der Beschneidung eintreten. Dann ist der Zeitpunkt der Tat laut Zerm nicht mehr festzustellen. "Ob eine Narbe ein oder zehn Jahre alt ist, kann ich nicht sagen." Dass etwa eine Mutter ihre Tochter in den Ferien hat beschneiden lassen, ist ihr dann medizinisch nicht mehr nachzuweisen. Aus genau diesem Grund scheiterte zuletzt 2010 eine Anklage. Auch das neue Gesetz würde daran nichts ändern, so der Frauenarzt.

Zerm lobt die Initiative der Grünen trotzdem. Das Gesetz signalisiere den Tätern immerhin deutlich, dass es sich bei der Beschneidung um eine schwere Straftat handelt. Darüber hinaus sieht er aber dringenden Handlungsbedarf.

Ärzte müssen Kinder bei ihren Routineuntersuchungen auch auf Genitalverstümmelungen überprüfen, fordert Zerm. Dann lasse sich der Zeitpunkt des Eingriffs genauer eingrenzen. Voraussetzung dafür ist für den Gynäkologen aber auch eine bessere Ausbildung der Mediziner. Die Beschneidung bei Frauen ist nämlich nicht nur dem deutschen Rechtssystem fremd. Zerm: "Viele Kollegen kennen sich mit Genitalverstümmelungen nicht aus, sie übersehen sie."

Quelle: ntv.de

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