Parteitag lehnt Olympia in München ab Grüne zwingen Roth zum Rückzug
21.11.2010, 08:50 UhrDie Grünen sind gegen eine Olympia-Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2018. Mit knapper Mehrheit setzen sich die Gegner am späten Abend auf dem Parteitag in Freiburg durch und düpieren damit die Grünen-Spitze, allen voran Parteichefin Roth. Die Grünen müssen die Zementierung des Rufs als Dagegen-Partei befürchten.

Parteichefin Roth sitzt künftig entgen den eigenen Überzeugungen nicht mehr im Kuratorium der Bewerbergesellschaft für die Olympischen Spiele.
(Foto: dpa)
Am späten Samstagabend kam die Überraschung: Mit knapper Mehrheit sprachen sich die Grünen gegen eine Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele 2018 aus. In einer Kampfabstimmung, der eine emotionale Debatte vorausgegangen war, stimmten 289 zu 244 Delegierte gegen die Bewerbung Münchens, bei 70 Enthaltungen.
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke war der Ärger über das Ergebnis bei der Bekanntgabe sichtlich anzusehen. Muss das Votum doch als Niederlage von Grünen-Chefin Claudia Roth gewertet werden, die hinter der Olympia-Bewerbung steht und das auch auf dem Bundesparteitag in Freiburg bekräftigt hatte. Roth saß bislang auch im Kuratorium der Bewerbergesellschaft. Nach dem Parteitagsbeschluss zog sie nun die Konsequenzen und kündigte am Morgen an, das Gremium zu verlassen. "Der Bundesvorstand hat einmütig beschlossen, dass wir uns aus dem Kuratorium zurückziehen und ich nicht mehr als Person dort mitarbeite", erklärte Roth in Freiburg.
Grünen-Geschäftsführerin Lemke bezeichnete den Rückzug als "logische Konsequenz". Zugleich versuchte sie die Bedeutung der Abstimmung herunterzuspielen und als Zeichen zu werten, dass die Grünen noch immer eine Partei seien, die den Mut habe, Konflikte offen auszutragen. "Wir führen bei Olympia stellvertretend eine Debatte für die Gesellschaft", sagte sie. Zugleich wies Lemke darauf hin, dass die große Zahl an Enthaltungen ein Beleg dafür sei, wie schwer sich der Parteitag mit der Entscheidung getan habe. "Viele Delegierte fühlten sich überfordert", sagte sie. Doch alle Erklärungen halfen nichts - die Grünen-Spitze hatte das Thema unterschätzt und trotz später Stunde am Samstagabend die Quittung erhalten. "Die Parteispitze war anderer Meinung", räumte Lemke ein. Sie kündigte deshalb an, dass die Grünen nun die Konsequenzen aus dem Abstimmungsergebnis ziehen müssten. Das gelte nicht nur für die Grünen-Spitze, sonder auch für Parteirat und mittlere Ebenen der Partei.
"Spiele der frisierten Zahlen"
Grünen-Chefin Roth hatte in ihrer Rede am Nachmittag noch dafür geworben, dass es besser sei, für grüne Spiele zu kämpfen, als außen vor zu sein. "Ich glaube, dass wir etwas erreichen, wenn wir reingehen." Die Kritiker der Ausrichtung hielten ihr entgegen, dass es um die Glaubwürdigkeit der Grünen gehe. Korbinian Freier vom Kreisverband Garmisch-Partenkirchen erklärte, die Winterspiele seien aus ökologischer, gesellschaftlicher und finanzieller Sicht untragbar. "Das werden die Spiele im Kunstschnee", sagte Freier. "Das sind die Spiele der fehlenden Partizipation." Und: "Das sind die Spiele der frisierten Zahlen." Hinzu komme, dass das IOC einen dreistelligen Millionenbetrag verdiene, den es nicht versteuern müsse, und die Olympia-Macher in München das Risiko trügen.

Knappe Entscheidung: Der Parteitag war gespalten, am Ende aber eine Mehrheit für den Antrag und damit gegen die Bewerbung.
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Katharina Schulze vom Kreisverband München-Mitte bezeichnete in einer engagierten Rede die Olympia-Bewerbung als "das Stuttgart 21 Münchens". Die Grünen seien mit dem Einfluss auf das Projekt gescheitert. "Wir dürfen uns nicht vom IOC verarschen lassen", sagte sie mit Blick auf die vermeintlichen Zusagen, die Olympischen Spiele könnten ökologisch und nachhaltig konzipiert werden.
"Keine Hurra-Olympioniken"
Als sich abzeichnete, dass der Antrag gegen die Münchner Bewerbung angenommen werden könnte, sprang schließlich auch der Bundestagsabgeordnete und Stuttgart-21-Gegner Winfried Hermann in den Ring. "Das ist das beste, ökologisch nachhaltigste Konzept, das es jemals gegeben hat." So sollten zu 75 Prozent bestehende Anlagen genutzt werden. "Wir sind keine Hurra-Olympioniken." Es sei aber besser, sich aktiv einzumischen. Alles andere sei ein "ziemliches Armutszeugnis". Doch auch sein Einsatz nützte ebenso wenig wie der des Münchner Stadtrats Florian Roth, der mit den Vorteilen für München argumentiert hatte. Beide warnten zudem vor den Folgen einer solchen Entscheidung. "Sollen wir sagen, es darf keine sportlichen Groß-Events mehr in Deutschland geben?", fragte Roth. Offenbar war das den Delegierten egal.
Damit haben die Antragsteller um den Münchner Grünen Ludwig Hartmann es geschafft, den Streit innerhalb des eigenen Kreisverbandes und innerhalb der bayerischen Grünen auf die Bundesebene zu heben. Das bezeichnete ein prominentes Grünen-Mitglied gegenüber n-tv.de als "völlig unnötig". Die Bewerbung sei Sache des Landes wenn nicht gar der Kommune. Die sollten sich da nicht reinreden lassen. "Das sorgt nur für Ärger im Landesverband."
Doch die Entscheidung bedeutet auch für die Grünen insgesamt neuen Ärger. Ihren Ruf als Dagegen-Partei, den sie in Freiburg mit allen Mitteln zu bekämpfen suchten, haben die Delegierten mit der Olympia-Absage untermauert.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP