Obama rechtfertigt Libyen-Einsatz "Haben Gaddafi gestoppt"
29.03.2011, 08:18 Uhr
Obama verkündete einen militärischen Erfolg, um zugleich die Grenzen des Militäreinsatzes in Libyen zu betonen.
(Foto: AP)
Neun Tage nach Beginn des Militäreinsatzes in Libyen rechtfertigt US-Präsident Obama in einer mit Spannung erwarteten Rede den Kampf gegen Gaddafis Truppen. Es habe ein "Massaker" an der Bevölkerung gedroht. Obama steht massiv unter Druck, weil er den Einsatz ohne Zustimmung des Kongresses beschlossen hat. In London berät heute eine internationale Konferenz über die Zukunft Libyens.
Angesichts wachsender Kritik im eigenen Land hat US-Präsident Barack Obama den Militäreinsatz in Libyen verteidigt. "Wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, haben wir eine Verantwortung zu handeln", sagte Obama in seiner ersten Ansprache an die US-Bevölkerung seit Beginn der Luftangriffe. Zugleich bekräftigte er, dass die Rolle der US-Armee bei dem Einsatz "begrenzt" sei.
In Libyen habe "Gewalt von entsetzlichem Ausmaß" gedroht, sagte Obama in der vom Fernsehen übertragenen Rede an der Militär-Universität in Washington. Machthaber Muammar al-Gaddafi habe der Welt deutlich gemacht, dass er "keine Gnade" walten lassen werde. Um "Massaker" an der Zivilbevölkerung zu verhindern, habe er als Teil einer "breiten Koalition" die Angriffe auf Gaddafis Truppen autorisiert. Andernfalls, so der Präsident, hätte etwa ein Massaker in der Stadt Bengasi gedroht, das die ganze, ohnehin instabile Region erschüttert und "das Gewissen der Welt beschmutzt hätte".

Vormarsch gestoppt: Gaddafis Truppen wurden laut Obama entscheidend geschwächt. Nun sollen sie aber ihre Stellungen ausbauen.
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"Und heute Abend kann ich berichten, dass wir Gaddafis tödlichen Vormarsch gestoppt haben", sagte Obama. Dies sei nicht nur eine humanitäre Verpflichtung, sondern auch ein "wichtiges strategisches Interesse" der USA gewesen. Ein Sieg Gaddafis über die Oppositionsbewegung hätte die Flüchtlingsströme in die Nachbarländer Ägypten und Tunesien verschärft und die demokratischen Hoffnungen in der Region gefährdet. "Ich bin überzeugt, dass Amerika für eine Tatenlosigkeit in Libyen einen viel höheren Preis gezahlt hätte."
Innenpolitischer Ärger

Vormarsch stockt: Mit der Luftunterstützung der Alliierten konnten die Rebellen vorrücken. Nun stecken sie vor Sirte aber fest.
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Die USA führen gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien ein Militärbündnis an, das seit fast anderthalb Wochen auf Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrats Luftangriffe auf Libyen fliegt. Ziel ist der Schutz der Zivilbevölkerung. Dem Beispiel anderer arabischer Länder folgend hatte die libysche Bevölkerung gegen die mehr als 40 Jahre währende autoritäre Herrschaft Gaddafis aufbegehrt.
Innenpolitische Kritiker werfen Obama mangelnde Führungsstärke sowie schwammige Vorstellungen über Ausmaß und Dauer des Einsatzes vor. Auch unter seinen Demokraten sind viele Abgeordnete verärgert, dass der Präsident den Kongress über die Mission nicht hat abstimmen lassen. Einer Gallup-Umfrage aus der vergangenen Woche zufolge unterstützen 47 Prozent der US-Bürger das Vorgehen gegen Gaddafi - ein geringerer Wert als bei den meisten Militäreinsätzen der vergangenen vier Jahrzehnte.
Konferenz in London
Die Einsätze in Irak und Afghanistan zehren an den Fähigkeiten der US-Armee und der Moral der Bevölkerung. Der Präsident machte deshalb deutlich, dass die Rolle der USA bei dem Einsatz "begrenzt" sei und keine Bodentruppen in das nordafrikanische Land entsendet würden. Das Kommando für den Einsatz "Odyssey Dawn" werde am Mittwoch an die NATO übertragen, die USA werde fortan eine "unterstützende Rolle" spielen. Obama warnte davor, den Sturz Gaddafis mit allen militärischen Mitteln zu erzwingen. "Die Ausweitung unserer Mission zu einem Regimewechsel wäre ein Fehler", sagte Obama, der in diesem Zusammenhang den Irak-Krieg als Negativbeispiel erwähnte. Dort habe der Einsatz acht Jahre gedauert, tausenden US-Soldaten und Irakern den Tod gebracht und fast eine Billion Dollar gekostet. "Wir können uns nicht leisten, das in Libyen zu wiederholen."
Auf der Suche nach einer Lösung des Libyen-Konflikts kommen Vertreter aus mehr als 40 Ländern heute in London zu einer Konferenz zusammen. Der Gastgeber der Konferenz in London, Großbritanniens Außenminister William Hague, hat US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sowie Vertreter von Arabischer Liga und Afrikanischer Union eingeladen. Zum Abschluss des Treffens soll es ein gemeinsames Kommuniqué geben. Kurz vor dem Treffen legten Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ein gemeinsames Papier vor. Darin wird ein "Neuanfang" in Libyen propagiert. Die Anhänger Gaddafis werden darin aufgefordert, sich von dem Machthaber zu lösen.
Deutschland hat unmittelbar vor der Konferenz in London schärfere Sanktionen gefordert. Die erweiterten Strafen müssten ein umfassendes Öl- und Gasembargo beinhalten, sagte der deutsche Vize-Botschafter Miguel Berger nach Angaben westlicher Diplomaten in einer nicht öffentlichen Sitzung des Sicherheitsrates. Zuvor hatte das mächtigste der UN-Gremien über die bisherigen Erfolge der schon verhängten Sanktionen beraten. Bei der Abstimmung über die letzte Resolution, die auch Luftschläge zulässt, hatte sich Deutschland enthalten.
Rebellen stehen vor Sirte
In Libyen ist der Vormarsch der Rebellen trotz militärischer Hilfe aus der Luft offenbar ins Stocken geraten. Nach Einnahme aller strategisch wichtigen Öl-Häfen im Osten stießen die Aufständischen vor der Stadt Sirte auf erheblichen Widerstand der Regierungstruppen. Sirte ist die Heimatstadt von Gaddafi und liegt auf halbem Weg zwischen der Rebellenhochburg Bengasi und der Hauptstadt Tripolis. Ohne Luftangriffe der internationalen Allianz dürfte die Stadt nur schwer zu erobern sein.
Das Gaddafi-Regime verstärkt nach Angaben des US-Militärs seine Stellungen in Sirte, der Heimatstadt des libyschen Machthabers - offensichtlich, um sich gegen einen möglichen Rebellen-Angriff zu wappnen. Es würden Kontrollpunkte errichtet und Panzer in allen Teilen der Stadt stationiert, sagte US-Vizeadmiral William Gortney.
Gortney äußerte sich zugleich vorsichtig über die von den Rebellen erzielten Fortschritte und Fähigkeiten im Kampf gegen die Gaddafi-Truppen. "Ganz klar ist die Opposition nicht gut organisiert, sie ist keine sehr robuste Organisation", so der Vizeadmiral. "Das ist offensichtlich. Auf dieser Basis steht jeder Gewinn auf schwachen Füßen."
Gaddafi-Sohn lebt offenbar noch
Der Chef des Nationalen Übergangsrats in Libyen, Mustafa Abdel Dschalil, kündigte an, im Falle einer Machtübernahme die illegale Einwanderung nach Europa bekämpfen. Der Nationalrat werde afrikanischen Flüchtlingen den Weg über Libyen nach Europa verwehren und auch Schleuserbanden bekämpfen. Angesichts der Umbrüche in der arabischen Welt trafen seit Jahresbeginn allein auf Lampedusa rund 18.500 Bootsflüchtlinge ein. Im vergangenen Jahr waren es dagegen lediglich 4000. Auf der Mittelmeerinsel harren derzeit etwa 6000 illegale Einwanderer aus.
Unterdessen hat sich der für tot gehaltene Sohn Gaddafis sich dem Staatsfernsehen zufolge in der Öffentlichkeit gezeigt. Das staatliche Fernsehen zeigte nach eigenen Angaben "Live-Bilder", auf denen zu sehen war, wie Chamis Gaddafi an der Residenz der Familie in Bab el Asisija in Tripolis von Anhängern seines Vaters umjubelt wurde. Dort hätten sich zahlreiche Gaddafi-Treue versammelt, um "ihren Anführer" zu beschützen, wie das Fernsehen berichtete. In den vergangenen Tagen hatte es Gerüchte gegeben, Chamis Gaddafi sei bei einem Luftangriff getötet worden. Der Sohn ist Kommandant einer gefürchteten Eliteeinheit.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP