Politik

Aserbaidschan nach dem ESC "Ich glaube dennoch an Wandel"

Die "Flame Towers" in Baku in den Farben von Aserbaidschan.

Die "Flame Towers" in Baku in den Farben von Aserbaidschan.

(Foto: dapd)

Der aserbaidschanische Menschenrechtler Rasul Jafarov hofft, dass die europäischen Medien sein Land nach dem Eurovision Song Contest nicht aus den Augen verlieren. Der Auftritt von Anke Engelke während der Show hat ihn glücklich gemacht.

n-tv.de: Jetzt, wo der European Song Contest vorbei ist - haben Sie Angst, dass die Regierung sich rächen wird für all die Kritik, die Sie veröffentlicht haben, und für all die Proteste, die Sie und andere organisiert haben?

Rasul Jafarov ist Koordinator von "Sing for Democracy", einem Bündnis von Menschenrechtsgruppen.

Rasul Jafarov ist Koordinator von "Sing for Democracy", einem Bündnis von Menschenrechtsgruppen.

(Foto: hvo / n-tv.de)

Rasul Jafarov: Ich denke, dass das möglich ist. Wir sollten davon ausgehen, dass die Regierung eine neue Welle von Restriktionen starten könnte. Das könnte auch uns treffen. Ich glaube aber auch, dass wir weitermachen und keine Angst haben sollten, auch wenn das schwer ist.

Mein Kollege, der zum ESC gefahren ist, fand Baku unglaublich faszinierend, angesichts der vielen Uniformen und brandneuen Gebäude aber auch ein wenig irritierend und beklemmend. Welche Seite von Baku, glauben Sie, wird sich durchsetzen?

Das ist sehr schwer zu sagen. Die derzeitige Regierung will beide Seiten beibehalten, so viel ist sicher. Dennoch glaube ich an Wandel in meinem Land in der nahen Zukunft. Wenn wir es schaffen, ein wirklich demokratisches und starkes Land aufzubauen, wird die Faszination von Aserbaidschan zweifellos noch größer werden.

Die deutsche Moderatorin Anke Engelke hat bei der Punktevergabe gesagt, es sei "gut, eine Wahl zu haben", und dass Europa auf Aserbaidschan schaue. Fanden Sie das angemessen? Gab es eine offizielle Reaktion auf ihre Sätze?

Wir waren wirklich glücklich, dass sie das gesagt hat. Sie hat gemacht, was sie konnte, denn der Veranstalter, die European Broadcasting Union, verbietet ja jede Form von politischen Stellungnahmen während der Show. Unter diesen Umständen war ihr Auftritt durchaus angemessen. Eine offizielle Reaktion gab es nicht, aber das aserbaidschanische Fernsehen hat ihre Bemerkungen nicht übersetzt.

Mein Kollege stellte fest, dass die Leute in Baku sehr freundlich waren - besonders dann, wenn sie wussten, dass er aus Deutschland kam. Das steht in auffälligem Gegensatz zu der massiven Kritik der aserbaidschanischen Regierung an Deutschland im Vorfeld des ESC.

Die Leute hier sind wirklich sehr freundlich. Die staatliche Propaganda gegen Deutschland hat nichts bewirkt, denn die Menschen wissen sehr genau Bescheid. Es sind auch nicht so viele, die das staatliche Fernsehen gucken. Es gibt einen Witz in Aserbaidschan: Wenn du AzTV guckst, ist dein Leben jeden Tag langweilig.

Manche in Deutschland sagten, es sei billig, Aserbaidschan zu kritisieren - wir, die Medien, hätten uns ohne den ESC schließlich gar nicht für Ihr Land interessiert.

Diese Position halte ich nicht für richtig. Schließlich ist Aserbaidschan Mitglied der europäischen Familie, es nimmt am Eurovision Song Contest teil, und diese Veranstaltung ist auch eine Brücke für die Integration von Aserbaidschan nach Europa. Deshalb glaube ich, dass die europäischen Medien, auch die deutschen, weiter über Aserbaidschan berichten sollten. Und natürlich nicht nur, wenn in Baku ein Eurovisionswettbewerb stattfindet.

Emin, der aserbaidschanische Popstar und Schwiegersohn von Präsident Ilham Alijew, hat im Interview mit n-tv.de gesagt, die Tatsache, dass er mit uns über Politik spreche, sage doch alles.

So argumentieren auch die Vertreter der Präsidialverwaltung auf allen internationalen Veranstaltungen. Es ist trotzdem nicht wahr, denn derzeit sind acht Journalisten im Gefängnis, zwei Journalisten wurden getötet und niemand wurde dafür zur Rechenschaft gezogen. Gegen die Journalistin Khadija Ismayilova läuft eine Schmutzkampagne, der Journalist Idrak Avbbasov wurde brutal zusammengeschlagen. Was würde er zu der Frage sagen, ob es Meinungsfreiheit in Aserbaidschan gibt? Natürlich nein.

Mit Rasul Jafarov sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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