Politik

Studie widerlegt Comeback-Phantasien Kernkraft verendet an grüner Konkurrenz

(Foto: REUTERS)

In Deutschland ist der Atomausstieg längst beschlossen. Im Rest der Welt nur noch eine Frage der Zeit - aus wirtschaftlichen Gründen. Diesen Schluss lässt zumindest eine Studie zur Zukunft der Kernkraft zu.

Es ist kaum zwei Jahre her, da war von der großen Renaissance der Atomenergie die Rede. Der Reaktorkatastrophe von Fukushima zum Trotz genehmigte die US-Regierung die Erweiterung des Kraftwerks Vogtle im US-Bundesstaat Georgia. Es war die erste derartige Genehmigung seit mehr als 30 Jahren.

Der Betreiber Southern Company bekam die Erlaubnis, 10 Milliarden Euro in zwei neue Reaktoren zu investieren, die 2016 und 2017 ans Netz gehen sollen. Ein Vertreter des Energiekonzerns sprach von einer "monumentalen Leistung". Das Sprachrohr der US-amerikanischen Atombranche, das Nuclear Energy Institute, nannte den 9. Feburar 2012 einen "historischen Tag".

Von einer Renaissance der Atomkraft kann allerdings keine Rede sein. Die Schreie des Triumphs aus den USA sind nurmehr ein verzweifelter Versuch, das Comeback einer sterbenden Branche herbeizujubeln. Das legt zumindest ein Bericht nahe, der im Europäischen Parlament vorgestellt wurde: der "World Nuclear Industry Status Report 2013".

Kernkraft nur noch 10 Prozent des Energiemixes

"Die Mär von einer globalen Renaissance der Atomenergie hält den Tatsachen nicht stand", sagte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Boell-Stiftung, die die Studie zusammen mit den Europäischen Grünen in Auftrag gegeben hat. "Während die erneuerbaren Energien weltweit einen Aufschwung erleben, sinkt die Stromproduktion aus Atomkraftwerken."

Fücks kann sich mit seiner Behauptung auf eine ganze Flut an Zahlen aus dem Bericht berufen. Schon 2011 sank die Menge an Energie, die von Atomkraftwerken erzeugt wurde, demnach um 4 Prozent. 2012 nahm sie um weitere 7 Prozent ab und lag bei 2346 Terawatt-Stunden. Der Anteil am weltweiten Strommix liegt nunmehr bei 10 Prozent.

Fukushima nicht der einzige Grund

Naheliegend erscheint, dass die Atomkatastrophe von Fukushima vor zwei Jahren diesen Trend ausgelöst hat. Japan legte danach schließlich die Mehrzahl seiner 44 Atomreaktoren vorübergehend still. Derzeit laufen nur Ohi 3 und Ohi 4.

Die Autoren des Berichts, die Energieberater Mycle Schneider und Antony Patrick Froggatt, kommen aber zu dem Schluss, dass die Entwicklung in Japan nur zu drei Vierteln für diesen Trend verantwortlich zeichnet. Denn abgesehen von Japan haben 16 andere Länder, die auf Kernenergie setzen, ihre Atomstromproduktion zurückgefahren. Darunter sind die fünf Toperzeuger, die USA, Frankreich, Russland, Südkorea und Deutschland. Die Zahlen Schneiders und Froggatts zeigen daher vielmehr, dass Fukushima nur der Todesstoß für eine Branche ist, die ohnehin schon krankt.

Das belegt auch eine Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz, die schon im Jahr 2009 erschien, also lange vor der Fukushima-Katastrophe. Die Wissenschaftler des Instituts Prognos schätzen damals, dass sich die Zahl der weltweit betriebenen Kernkraftwerke bis zum Jahr 2030 um 39 Prozent verringern würde. Groß angekündigte Ausbaupläne wie jüngst die aus den USA ließ die Studie wie Worthülsen erscheinen. Prognos rechnete damit, dass nur zwischen 23 und 35 Prozent der geplanten Projekte realisiert werden.

Als Hauptgründe führte das Institut unter anderem begrenzte Urananreicherungskapazitäten und mangelhaften Netzausbau in Schwellenländern an, die gern auf Atomkraft setzen würden. Auch die große Konkurrenz durch Erneuerbare Energien nannte Prognos als Argument.

Die Kosten gehen "durch die Decke"

Der "World Nuclear Industry Status Report 2013" setzt nun genau hier an. Atomkraft rechnet sich künftig einfach nicht, so das Fazit. Noch vor zehn Jahren schätzten Experten die Kosten für den Bau der neuesten Atomreaktorgeneration durch vereinfachte Designs auf 1000 US-Dollar pro Kilowattstunde Leistungsfähigkeit. Eine grobe Fehlkalkulation. Heute ist von 7000 US-Dollar die Rede. Boell-Stiftungs-Vorstand Fücks spricht von Kosten für neue Atomkraftwerke, die "durch die Decke" gehen. Erneuerbare Energien hält er schlicht für wirtschaftlicher.

Und diesen Umstand dürfte Fukushima nun weiter befördern. Ein Beleg: Nach dem Unglück in Japan ordnete die EU-Kommission Stresstests für alle Meiler in Europa an – mit der Konsequenz, dass höhere Sicherheitsstandards notwendig sind, und damit eine kostenintensivere Architektur.

Von 15 Kraftwerksbetreibern, die Rating-Agenturen eingeschätzt haben, wertete Standard and Poor's zuletzt schon 10 ab. Sie stufte die Abkehr von der Atomenergie zudem ausdrücklich als positiv für das Rating eines Unternehmens ein.

Die Erkenntnis, die die Studie von  Schneider und Froggatt liefert, ist also längst an den Märkten angekommen. Und offensichtlich auch in der Industrie. Im ersten Halbjahr 2013 ging weltweit nur ein neuer Reaktor ans Netz. Vier wurden abgeschaltet.

Quelle: ntv.de

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