Politik

Kampf gegen die Erderwärmung Klimakanzlerin, das war einmal

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Die Kanzlerin auf der Petersberger Klimadialog: Pessimistisch klingt Merkel nicht - übermäßiger Tatendrang sieht allerdings anders aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Petersberger Klimadialog ist so etwas wie Merkels Baby. Oder besser gesagt: Das war er mal. Ihr jüngster Auftritt hinterlässt den Eindruck, als glaube sie nicht mehr, als Klimakanzlerin in die Geschichtsbücher eingehen zu können.

Klimawandel ist Chefsache - von wegen. Gleich zu Beginn ihrer Grundsatzrede auf dem Petersberger Klimadialog sagt Kanzlerin Angela Merkel: "Die große Verantwortung für alle Aufgaben liegt bei den Umweltministern." Für die Staats- und Regierungschefs gelte: Sie helfen gern ein bisschen.

Das mag als Signal der Bescheidenheit gemeint sein und als Zeichen dafür, dass der Petersberger Klimadialog ein Treffen der Minister aus aller Welt ist, um in informeller Runde die Probleme beim Kampf gegen die Erderwärmung zu diskutieren. Doch es sind Töne, die für die Opposition im deutschen Bundestag und Umweltschutzorganisation wie Greenpeace oder dem World Wide Fund (WWF) wie ein Offenbarungseid klingen müssen.

Es war Merkel, die den Petersberger Klimadialog vor fünf Jahren ins Leben gerufen hat. Aus Enttäuschung wegen des gescheiterten Klimagipfels in Kopenhagen, bei dem es nicht gelang, weltweit verbindliche Klimaziele zu vereinbaren. Nun steht die nächste entscheidende Klimakonferenz an. Ende 2015 will die Weltgemeinschaft auf der sogenannten Cop21 in Paris schaffen, was in Kopenhagen nicht gelang. Und während grüne und Umweltschutzorganisationen deshalb mehr Ehrgeiz und Einsatz der deutschen Politik fordern, erweckt Kanzlerin Merkel gleich zu Beginn ihrer Rede den Eindruck, als würde sie die Verantwortung von sich schieben. Und als wäre das nicht genug, sagt sie danach fast nur noch Dinge, die sie schon vor einem Jahr beim Klimadialog gesagt hat. Ahnt die CDU-Politikerin etwa, dass sie nicht als Klimakanzlerin in die Geschichtsbücher eingehen kann? Weil die Konferenz in Paris ohnehin zum Scheitern verurteilt ist? Oder andere ihr den Rang ablaufen?

Der CO2-Ausstoß steigt

Gründe für diese Annahme gibt es durchaus: Merkel macht in ihrer Rede sehr deutlich, welch gewaltige Aufgabe bevorsteht. "Es soll ein Abkommen geschaffen werden, das sich an der Zwei-Grad-Grenze orientiert", sagt Merkel. Und es ist unstrittig, dass ein solches Abkommen voraussetzt, dass sich eine sehr große Zahl von Staaten dazu verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß entsprechend zu senken. Vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer pochen aber auf Gerechtigkeit. Ihr Argument: Sie haben bisher kaum von der Industrialisierung profitiert. Lassen sie sich jetzt auf allzu ambitionierte Klimaziele ein, düfte ihnen auch in Zukunft ein wirtschaftlicher Aufschwung verwehrt bleiben. Nur: Allein können die Industriestaaten den Klimawandel nicht verhindern. Eine Einigung ist angesichts dieser Gemengelage schwer.

Und das ist bei weitem nicht das Einzige, was schwer ist. Derzeit droht selbst Deutschland, das seit jeher als Vorreiter einer modernen Klimapolitik gilt, an den eigenen Zielen zu scheitern. Bis 2020 will die Bundesregierung den CO2-Ausstoß des Landes um 40 Prozent senken. Aktuellen Berechnungen zufolge dürfte es aber nur auf 33 Prozent hinauslaufen. Weil die Energiewende in einigen Punkten nicht so funktionierte, wie sie geplant war, ist der CO2-Ausstoß in den vergangenen zwei Jahren wieder gestiegen.

100 Milliarden für Entwicklungs- und Schwellenländer

Merkel liefert in ihrer Ansprache durchaus Maßnahmen, um diese Probleme zu bewältigen: Bis 2014 soll ein "Aktionsplan Energieeffizienz" vorliegen. Eine Reform des europäischen Emissionshandels soll dafür sorgen, dass die Modernisierung der Kraftwerks- und Industrielandschaft auch in Deutschland schneller voranschreitet. Merkel zeigt sich auch für neue Methoden wie einem Preis für den CO2-Ausstoß offen. Um die Schwellen- und Entwicklungsländer für die Energiewende zu begeistern, beschwört sie wiederum, dass niemand zugunsten der Klimapolitik auf Wachstum verzichten müsse. Sie erinnert an den grünen Klimafonds, mit dem die Industriestaaten von 2020 an rund 100 Milliarden Euro bereitstellen wollen. Für dieses Jahr sagt Merkel zur Auffüllung des Fonds dann auch noch 750 Millionen Euro zu. Vielleicht ein wichtiges Signal für die Entwicklungs- und Schwellenländer.

Doch Merkel schränkt alle Erwartungen prompt wieder ein. Sie sagt, dass noch "erhebliche Anstrengungen" zu leisten seien, um überhaupt Deutschlands nationale Energiewende-Ziele zu erfüllen. Und sie sagt bezogen auf die Hilfen für Entwicklungs- und Schwellenländer, dass es nicht reicht, Gelder bereitzustellen. Es müsse auch gelingen, in den Empfängerländern einen rechtlichen und politischen Rahmen zu schaffen, damit diese Gelder auch abgerufen und sinnvoll eingesetzt werden können. Merkel klingt bei all dem nicht pessimistisch - von Euphorie oder übermäßigem Tatendrang ist aber auch keine Spur.

Obama holt auf

Dass sie derzeit womöglich nicht darauf aus ist, am Ende ihre Kanzlerschaft an Fortschritten in der Klimapolitik gemessen zu werden, könnte noch eine weitere Ursache haben. Deutschland droht seinen Rang als Vorreiter zu verlieren. Vor allem die USA und China, die größten Verursacher von Treibhausgas, investieren immer stärker in die Energiewende. Und ihr Potenzial, wirklich etwas zu bewegen, ist gewaltig. Allein wegen ihrer Ambitionen erscheint ein starkes internationales Klima-Abkommen derzeit überhaupt ansatzweise möglich.

US-Präsident Barack Obama kündigte im Juni an, strenge Grenzwerte für Kohlekraftwerke einzuführen und den CO2-Ausstoß so bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu senken. Schon jetzt setzt sich dort dank eines Schiefergasbooms eine deutlich klimafreundlichere Energiequelle durch. Der Bundesregierung werfen Kritiker dagegen vor, über den Umweg Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW-Bank) die Kohle-Branche mit rund 2,8 Milliarden Euro zu subventionieren und sie auch bei der jüngsten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) allzu sehr geschont zu haben. Ein konkreter Ausstiegsplan liegt überdies auch noch nicht vor.

Die Grüne Klima-Expertin Analena Baerbock sagt: "Die Sonntagsreden auf dem Petersberger Klimadialog können nicht darüber hinwegtäuschen, dass konkretes Regierungshandeln den Klimaschutz ignoriert." In der Ökopartei wirft man Merkel vor, sich nicht gegen ihren Energieminister Sigmar Gabriel durchsetzen zu können, der sich als Sozialdemokrat den Interessen der Kumpel angeblich noch allzu sehr verbunden fühlt.

Quelle: ntv.de

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