Politik

Lange Nacht im Kanzleramt Koalitionsrunde bei Merkel

Im Zeichen zunehmender Spannungen sind am Abend die Spitzen der Koalition in Berlin zu Gesprächen zusammengekommen. Unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollten Union und SPD mögliche Kompromisslinien ausloten. Beide Seiten dämpften vor dem Treffen die Erwartungen und verwiesen auf die nächste Koalitionsrunde am 12. November. Union und SPD unterstrichen ihren Willen, trotz teilweise gravierender Meinungsunterschiede das Bündnis fortzusetzen. In Berlin wurde mit einer langen Verhandlungsnacht gerechnet.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck sagte, man werde sich ganz vernünftig zusammensetzen und weiter miteinander reden. SPD- Fraktionschef Peter Struck betonte, Union und SPD hätten vom Wähler einen Regierungsauftrag und der werde erfüllt. Die CSU dämpfte die Erwartungen an rasche Lösungen, signalisierte aber Kompromissbereitschaft. CSU-Chef Erwin Huber und der CSU- Landesgruppenchef Peter Ramsauer gingen davon aus, dass es bei keinem der strittigen Themen zu abschließenden Lösungen kommen werde. "Die Koalition ist handlungs- und entscheidungsfähig", sagte Huber. Wenn der Pulverdampf des SPD-Parteitags verraucht sei, komme es auch wieder zu vernünftigen Ergebnissen.

Abmachungen werden nicht eingehalten

Die Union hatte der SPD vor dem Spitzengespräch enge Grenzen für Kompromisse gesteckt. "Wir dürfen das Erreichte nicht aufs Spiel setzen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der "Welt am Sonntag" vor dem Treffen. "Nicht alles, was auf den ersten Blick gut ankommt, ist auch gut für Deutschland." Vorrang habe eine Politik für Arbeitsplätze, Wachstum und solide Finanzen. Union und SPD hatten sich am Wochenende gegenseitig vorgeworfen, Abmachungen nicht einzuhalten. Politiker von CSU und CDU warnten die Sozialdemokraten davor, die Koalition zu gefährden.

Ramsauer sprach von einer "Reihe schwieriger inhaltlicher Fragen", die zu klären seien. Er warf der SPD vor, gegen "grundlegende Anstandsregeln" zu verstoßen. Sie nutze überwiegend Mittel der persönlichen Verunglimpfung des Koalitionspartners. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) konnte aus familiären Gründen nicht an der Runde teilnehmen. Deswegen wurde insbesondere eine Einigung beim Streit um den Mindestlohn für die Postbranche nicht erwartet. Hier verlangen Unionspolitiker Nachverhandlungen des Tarifvertrages für die Briefzusteller. Der bereits ausgehandelte Vertrag erfülle die Voraussetzungen noch nicht, sagte Merkel. Huber betonte, Wettbewerb dürfe nicht per Gesetz verhindert werden.

Viele offene Fragen

Zu den umstrittenen Themen gehören auch die Forderung der CSU nach einem Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere will die Union mittragen, wenn keine Mehrkosten entstehen. Den SPD-Vorschlag, im Rahmen der geplanten Bahn-Privatisierung sogenannte Volksaktien auszugeben, nannten Unionspolitiker unerfüllbar. Merkel will der Privatisierung aber noch eine Chance geben.

Koalition wird halten

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der "Bild am Sonntag" vor dem Spitzentreffen: "Ich habe den Eindruck, bei den Sozialdemokraten herrscht eine Mischung aus Wahlkampf- und Endzeitstimmung. Mit gemeinsamer Regierungsverantwortung ist das jedenfalls nicht zu vereinbaren." Aber auch Schäuble geht davon aus, dass die Koalition bis zur nächsten regulären Bundestagswahl im Jahr 2009 hält.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) mahnte seine Partei, der SPD keine größeren Zugeständnisse machen. "Wir brauchen weitere Reformen, um die Konjunktur zu stützen", sagte Oettinger. Bundesfinanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück lehnte die Rückkehr zu einer Verteilungspolitik ab. "Mit mir geht das nicht", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warf der SPD im Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" den Bruch von Absprachen vor.

Quelle: ntv.de

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