Politik

Ethikrat berät zu Beschneidungen Kompromiss ohne Schmerzen

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Ein muslimischer Junge wartet auf seine Beschneidung.

(Foto: REUTERS)

Der Deutsche Ethikrat stützt die Position des Bundestags: Beschneidungen werden in Deutschland wohl schon bald offiziell legalisiert. Trotzdem bleibt nicht alles beim Alten: Erstmals soll der Staat Auflagen für das religiöse Ritual formulieren.

Nach Wochen einer immer schärfer geführten Diskussion haben die vom Deutschen Ethikrat gehörten Experten die Debatte um Beschneidungen auf ein sachliches Niveau zurückgeführt. Dabei war eindeutig, dass das Ritual nicht verboten werden, gleichzeitig aber erstmals an Auflagen geknüpft sein soll. Die Vorsitzende des Ethikrates, Christiane Woopen, hielt als Eckpunkte fest, dass Narkosen oder Schmerzmittel erlaubt sein und die Erziehungsberechtigten beide den Eingriff zustimmen müssten.

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Christiane Woopen, Vorsitzende des Ethikrats

(Foto: dapd)

Die Debatte hatte in den vergangenen Wochen an Schärfe gewonnen. Ein orthodoxer Rabbiner bezeichnete das Kölner Urteil als "schwersten Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust". 700 Wissenschaftler sprachen im Zusammenhang mit Beschneidungen von "sexueller Gewalt".

"Hat mit Antisemitismus nichts zu tun"

Während radikale Stimmen auf beiden Seiten wenig Rücksicht zeigen, wird die politische Debatte unter den Verantwortlichen sachlich und differenziert geführt. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, zeigt offene Ohren für "kontroverse Stimmen": "Das hat mit Antisemitismus und Rassismus zunächst einmal gar nichts zu tun", sagte er der "Jüdischen Allgemeinen". Um Wertschätzung und Kompromisse ist auch Jugendministerin Kristina Schröder bemüht: "Ich erkenne in der jüdischen Religionspraxis durchaus Wege, eine maximale Schmerzfreiheit und ärztliche Standards mit den religiösen Vorschriften in Einklang zu bringen", sagte sie ebenfalls der "Jüdischen Allgemeinen". Im Gespräch mit Israels Oberrabbiner Yona Metzger sei sie sich einig gewesen, sich "auf die Umsetzung des Möglichen zu konzentrieren, anstatt denkbare Unvereinbarkeiten überzubetonen."

Die "Umsetzung des Möglichen" könnte das Leitbild dieser Debatte werden: Ein Verbot von Beschneidungen ist nicht denkbar in einem Land, in dem Millionen Muslime und Tausende Juden leben, die Beschneidungen als substantiellen Teil ihrer Kultur betrachten. Das war auch den Experten beim Ethikrat klar, dementsprechend ging es eher um Details als um die grundsätzliche Frage, ob Beschneidungen erlaubt sein sollten.

Kompromiss mit weitreichender Symbolkraft

Der Jurist Reinhard Merkel schlägt vor, dass nur noch ärztlich geschulte Beschneider den Eingriff vornehmen dürfen. Zwar verweisen die Religionsgemeinschaften darauf, dass die wenigsten Ärzte Erfahrungen mit Beschneidungen hätten, doch eine Ausbildung in Sachen Hygiene und Notfallmaßnahmen könne nur im Sinne des Kindes sein. Außerdem könnte eine Narkose vorgeschrieben werden. Psychologen vermuten, dass durch den Schmerz Traumatisierungen auftreten - das könnte durch eine Narkose ausgeschlossen werden. Auch der Mediziner Leo Latasch forderte die Einführung eines Rechts auf Schmerzreduktion, die Einhaltung hygienischer Standards und eine Prüfung der Beschneider.

Dieser sich andeutende Kompromiss ist nicht nur praktisch notwendig. Der Staat sagt damit, dass ihm religiöse Kultur nicht egal ist: Auf der einen Seite wird sie geschützt und offiziell für legal erklärt, auf der anderen Seite ist sie kein rechtsfreier Raum - unter dem Deckmantel der Religion kann also nicht nach Gutdünken das deutsche Recht gebeugt werden. Obwohl sich die religionskritischen Säkularisten mit ihrer Position nicht durchsetzen können, ist das für sie ein deutlicher Erfolg.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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