Debatte um Betreuungsgeld Kubicki nimmt FDP in die Pflicht
07.04.2012, 18:00 Uhr
Stellt sich im Mai in Schleswig-Holstein zur Wahl: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Koalitionsvertrag haben sie sich auf das Betreuungsgeld geeinigt. Doch jetzt hadern Union und Liberale mit der Einführung. FDP-Chef Rösler betont: "Das war von Anfang an kein Modell der FDP." Doch Parteikollege Kubicki fordert, der Eltern-Prämie zuzustimmen. CDU-Vizechef Röttgen verteidigt unterdessen die unionsinternen Kritiker. Die Hängepartie geht weiter.
Der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki hat seine Partei aufgefordert, dem umstrittenen Betreuungsgeld zuzustimmen. "Mein Grundsatz ist: Absprachen müssen eingehalten werden", sagte Kubicki der "Bild am Sonntag". Auch wenn er das Betreuungsgeld selbst nicht für sinnvoll halte, könne er verstehen, dass die CSU jetzt darauf bestehe. "Vertragstreue und Verlässlichkeit sind ein hohes Gut." Kubicki äußerte sich "erstaunt", "dass drei Jahre, nachdem das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, verfassungsmäßige Bedenken auftauchen. Die hätte man dann schon 2009 äußern müssen."
FDP-Chef Philipp Rösler dagegen hat den Koalitionspartner CDU/CSU aufgefordert, zunächst seine Position zu dem für 2013 geplanten Betreuungsgeld zu klären. Die Förderung für zu Hause erziehende Mütter von Kleinkindern ist derzeit in der Union heftig umstritten. Rösler sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", nach einer internen Klärung könne "die Union gerne auf uns zukommen mit einem konkreten Vorschlag". Er fügte hinzu: "Das Betreuungsgeld war von Anfang an kein Modell der FDP." Seine Partei nehme die Sorgen der Wirtschaft in dieser Sache sehr ernst, betonte der Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Die von der CSU geforderte Leistung ist auch bei der FDP umstritten.
Erst kürzlich hatte sich Kubicki schon einmal öffentlich gegen seinen Parteivorsitzenden gestellt. Für Philipp Rösler sei die Parteiführung zu früh gekommen. Rösler wisse, dass er noch kein Staatsmann sei und habe als Parteichef Charme und Witz eingebüßt.
Der Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann bezeichnete die derzeitigen Äußerungen aus seiner Partei zum Thema Betreuungsgeld als "eher schädlich" für die FDP. "Das Betreuungsgeld ist nach dem gemeinsamen Koalitionsvertrag ein Projekt, was ja dem Einen oder Anderen nicht gefallen mag - nur sollte man, um selbst ernstgenommen zu werden, sich dennoch an Verabredungen halten und dann an der Seite des Koalitionspartners einfach auch mal den Mund halten."
"Gehorsam ist keine politische Tugend"

Röttgen stellt das Betreuungsgeld nicht in Frage.
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In der Debatte um das Betreuungsgeld hatten vor einigen Tagen 23 CDU-Abgeordnete in einem Brief an Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) angekündigt, das geplante Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, im Bundestag abzulehnen. Die Kritiker monieren, durch die geplante Geldzahlung an Eltern würden Anreize geschaffen, Kleinkinder nicht in staatliche geförderte Krippen zu schicken. Die Leistung war vor allem auf Drängen der CSU vereinbart worden. Die 23 waren wegen ihrer Ankündigung scharf kritisiert worden.
Die CSU pocht derweil auf die Koalitionsabsprachen zum Betreuungsgeld und will ihr Lieblingsprojekt ohne Abstriche umsetzen. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), die eine Barauszahlung der Leistung vorangetrieben hatte, sagte dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag": Die vereinbarte Hilfe für Eltern, die ihre Kleinkinder zuhause betreuen wollen, komme "ohne Wenn und Aber". Der Gesetzentwurf sei "so gut wie fertig", das nötige Geld im laufenden Haushalt eingestellt.
Den Kritikern in der Koalition hielt die CSU-Politikerin entgegen: "Wer trotz fixer Beschlüsse versucht, daran zu rütteln, muss wissen, dass er damit nur Unverständnis bei den Bürgern erzeugt und die Politikverdrossenheit in unserem Land weiter verstärkt." Wer von Fehlanreizen oder Fernhalteprämie spreche, verkenne, dass elterliche Zuwendung und Zeit "die beste Bildungsinvestition für Kleinkinder" sei. Damit werde unterstellt, die Betreuung durch die Eltern sei ein Fehler. "Das ist eine Ohrfeige für Millionen von Familien."
Schwesig kritisiert Schröder
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Norbert Röttgen hat die parteiinternen Kritiker des Betreuungsgeldes in Schutz genommen, ohne ihre Position zu teilen. "Ich kann die Empörung darüber, dass zehn Prozent der Unionsfraktion das Betreuungsgeld für falsch halten, nicht teilen", sagte der Bundesumweltminister und nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat der Zeitung "Welt am Sonntag". "Wir müssen lernen, dass Diskussionen in einer Demokratie selbstverständlich und positiv sind. Gehorsam ist keine politische Tugend - das Risiko, eine Diskussion einzugehen, schon viel mehr."
Inhaltlich schloss sich Röttgen den Kritikern nicht an. "Die CDU hat das Betreuungsgeld beschlossen und ich stelle es persönlich nicht in Frage."
Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig warf derweil Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) vor, in der Diskussion um das Betreuungsgeld zu lange zu schweigen. Es sei ein Skandal, dass sie "in dieser leidenschaftlichen Debatte zur Zukunft von Kindern bisher noch keinen einzigen Ton gesagt hat", sagte Schwesig dem "Hamburger Abendblatt".
Grüne waren vor Klagewelle
Nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin wird die Diskussion zu sehr von Männern mit konservativem Weltbild geführt, "die es gewöhnt sind, dass ihre Frauen ihnen den Rücken freihalten". In vielen Familien würden beide Elternteile arbeiten müssen und wollen, um die Familie gut ernähren zu können, sagte Schwesig. "Dafür brauchen wir mehr Kita-Plätze und keine Fernhalteprämie, die Frauen vom Arbeitsmarkt und die Kinder von Bildung fernhält."
Der nordrhein-westfälische Grünen-Vorsitzender Sven Lehmann warnte vor einer Klagewelle gegen das Betreuungsgeld. "Die verfassungsrechtliche Basis des Betreuungsgeldes ist so zweifelhaft, dass eine Klagewelle drohen könnte", sagte Lehmann der WAZ-Mediengruppe. "Wir Grüne verfolgen sehr aufmerksam, dass immer mehr Verfassungsjuristen den Gleichheitsgrundsatz verletzt sehen." Der Staat dürfe Familien mit Kindern nicht "je nach Lebenssituation finanziell derart unterschiedlich behandeln."
Das Betreuungsgeld ist für Eltern vorgesehen, die ihre Kleinkinder selbst zu Hause betreuen oder dies privat organisieren wollen. Die Opposition fordert seit langem, die Mittel lieber in den Ausbau der Kitas zu stecken. Auch Arbeitgeber, Kommunen und Migrantenverbände wandten sich gegen die Pläne.
Quelle: ntv.de, cro/dpa