Das Gesicht der Pegida-Demos Lutz Bachmann - der Selbstgerechte
23.12.2014, 13:17 Uhr
Lutz Bachmann: "Es wurde und wird in meiner Vergangenheit gekramt, aber ich stehe zu diesem Vorleben."
(Foto: picture alliance / dpa)
Er gilt als Kopf der Pegida-Demos: Lutz Bachmann. Der 41-Jährige wettert gegen kriminelle Ausländer und fordert "Null Toleranz". Zugleich kokettiert er mit seiner eigenen kriminellen Vergangenheit. Kann die Bewegung weiterhin auf ihn setzen?
Die Binsenweisheit ist so alt wie die sozialen Netzwerke selbst: Zeig mir dein Profil, und ich sage dir, wer du gerne wärst. Lutz Bachmann, das Gesicht der Pegida-Demonstrationen, wäre in diesem Sinne gern ein ganz normaler Typ, einer, der "Bauer sucht Frau" guckt und "Die Geissens". Einer, der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft feiert und mit seinen Kumpels einen saufen geht. Weil es so lustig ist, auch mal mit einem Toiletten-Pümpel auf dem Kopf. Bachmann wäre gern ein Kerl, der vollkommen im Reinen ist - mit seinem Jack Russel Terrier, mit seiner Ehefrau. Und mit seiner kriminellen Vergangenheit.
"JA ich bin vorbestraft, JA ich wollte mich vor 17 Jahren einer gerechten Strafe entziehen", schreibt er in einem Facebook-Post von Anfang Dezember. "AAAABEEEER, WAS HAT DAS ALLES MIT PEGIDA und den Missständen in unserem Land zu tun?" Ja, was denn eigentlich?
Bachmann ist nur einer von zwölf Organisatoren der Aufzüge von "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes". Er ist aber zweifelsfrei der prominenteste. Wenn der 41-Jährige in Dresden auf die Bühne tritt, bekommt er Applaus, fast egal, was er sagt. Dass Bachmann offensichtlich ein Mann mit einem fragwürdigem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit ist, schreckt zumindest bisher die meisten kaum ab.
Die Tresore im Rotlichtmilieu
Mit Bachmanns fragwürdigem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit sind nicht seine latent ausländerfeindlichen Sprüche gemeint, zumal ihm eine Verbindung zu organisierten rechtsextremen Kreisen bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Es ist auch nicht gemeint, dass er einmal die standrechtliche Hinrichtung von "Claudia Fatima Roth" gefordert hat. Er hat diese Aussage mittlerweile als Fehler bezeichnet. Bachmann, gelernter Koch und heute nach eigenen Angaben Chef einer "Foto- und PR-Agentur", wurde 1998 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Er soll für das Rotlichtmilieu 16 Mal bei zahlungsunwilligen Schuldnern eingebrochen haben, um Tresore zu stehlen.
Statt ins Gefängnis ging Bachmann unter falschem Namen nach Südafrika. Er lebte dort drei Jahre, bis sein falsches Spiel aufflog. Bachmann wurde abgeschoben. Zurück in Deutschland musste er nur zwei Jahre seiner Strafe absitzen. "Wegen guter Führung", erklärt Bachmann auf seiner Facebook-Seite.
Allzu lange hielt ihn das allerdings nicht von unerlaubten Handlungen ab. Die Polizei schnappte ihn zwei Mal mit Kokain. Beim ersten Delikt im Jahre 2008 führte er 40 Gramm bei sich, beim zweiten 50. "Ja ich hatte mit Betäubungsmitteln zu tun", schreibt er. "Ja ich war in Untersuchungshaft vor fast 6 Jahren aber ich habe meine Strafe zur Bewährung bekommen ...". Die Bewährung läuft noch bis Februar 2015. Medienberichten zufolge kommen weitere Delikte hinzu. So kommt er derzeit angeblich den Unterhaltspflichten für seinen Sohn nicht nach. Auch von Körperverletzung und Trunkenheit am Steuer ist die Rede.
Moët & Cocain
All das wirkt paradox angesichts eines Mannes, der voller Überzeugung gegen kriminelle Ausländer wettert und eine "Null-Toleranz-Politik" propagiert. Ein Blick auf den Mann, der Bachmann gerne wäre und der er ja vielleicht auch in Wirklichkeit ist, zeigt deshalb vor allem eines: Er legt für andere Wertmaßstäbe an, die in seiner Selbstwahrnehmung offensichtlich keine Rolle spielen. Zu behaupten, es gebe Anlass zu Zweifeln an seiner Integrität, wäre wohl ein Euphemismus. Natürlich gilt: Jeder Straftäter verdient einen Neuanfang. Auch wenn Bachmann angesichts von Fantasien über standesrechtliche Erschießungen womöglich eine andere Meinung vertritt. Bachmann kokettiert aber bis heute mit seinem kriminellen Leben.
Über den Umstand, dass er in Südafrika selbst ein krimineller Ausländer war, schreibt er: "Interessant, oder? Dieses Land schiebt tatsächlich schnell und unbürokratisch ab und verschenkt keine Duldungen und Bleiberechte." Wer etwas tiefere Recherchen im sozialen Netzwerk Facebook anstellt, stößt auf ein Foto Bachmanns, auf dem er ein T-Shirt mit der Aufschrift "Moët & Cocaine" in Anlehnung an die bekannte Champagner-Marke "Moët & Chandon" trägt. Schaumwein und Koks, Bachmann reckt zu diesem Statement seine Daumen in die Höhe. Das Bild ging im August 2014 online. Selbstzweifel, geschweige denn Reue haben in Bachmanns digitaler Welt keinen Platz. Vielleicht überspielt er sie dort aber auch nur - wie so viele andere Facebook-Nutzer auch.
In der Realität hinterlässt er einen ähnlichen Eindruck. Nachdem sächsische Medien einige Details seines Vorstrafenregisters offenlegten, sagte er auf einer der Pegida-Demos: "Es wurde und wird in meiner Vergangenheit gekramt, aber ich stehe zu diesem Vorleben. Ich bin wegen Eigentumsdelikten, Schwarzfahren (Bachmann kann das Wort vor Lachen kaum aussprechen) - allerdings eine ernste Sache - in Verbindung mit Betäubungsmitteln in Erscheinung getreten."
Personen kann man austauschen
Restlos sicher, dass er als Leitfigur einer Bewegung durchgeht, die sich selbst als Aufstand rechtschaffener und anständiger Bürger sieht, ist sich der Pegida-Mann dann allerdings doch nicht - aber nur angesichts von "Enthüllungsstorys" von "Denunzianten" und "Defamierern", sprich von Journalisten, mit denen er sich grundsätzlich nicht gern abgibt. Interviews mit der "Lügenpresse" sind bei allen Organisatoren von Pegida Ausnahmefälle. Bachmanns Kollege René Jahn gewährte n-tv.de vor zwei Wochen nur ein schriftliches Interview.
Nach diversen Schmäh-Tiraden gegen die Presse heißt es in Bachmanns Facebook-Eintrag über seine kriminelle Vergangenheit darum am Ende auch selbstgerecht: "EINZELNE PERSONEN KANN MAN AUSTAUSCHEN ABER NICHT EIN VOLK! Gestern 8000 nächste Woche 10.000 in Dresden und tausende in anderen Städten ob mit oder ohne Bachmann!"
Bei der jüngsten Pegida-Demo am Montag waren rund 17.500 Anhänger dort - obwohl mittlerweile so vieles über den Kopf der Bewegung bekannt ist. Zwar sind Bachmanns Redezeiten teils schon kürzer geworden. Aber wenn die Pegida-Anhänger ihn weiterhin bei jedem seiner Auftritte feiern, muss für sie wohl eine andere Binsenweisheit gelten: Zeig mir deine Freunde und ich sage dir, wer du bist. Dann gilt: Pegida-Anhänger haben kein Problem mit Kriminalität - es sei denn, es ist die Kriminalität "der anderen".
Quelle: ntv.de