Politik

Karrierechancen für von der Leyen Merkels Nachfolgerin scheint festzustehen

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Ursula von der Leyen wird der Kanzlerjob zugetraut. Und sie hat beste Chancen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwei Bücher zeichnen zwei ganz unterschiedliche Bilder von Ursula von der Leyen. In einem aber sind sie sich einig: in der Prognose, wie Angela Merkel das Kanzleramt übergeben will.

Jürgen Trittin hat sich genau überlegt, wie er Ursula von der Leyen angreifen will. Sein kleiner Vortrag dreht sich um einen Begriff, an dem er offensichtlich lange überlegt hat: "hippieskes Abhängen". Er bezeichnet damit die Hauptbeschäftigung der Studentin Ursula Gertrud Albrecht Ende der 1970er Jahre in Göttingen. Sie gehörte damals nicht zu den konservativen Mädchen mit "Schottenrock und Rautensöckchen". Sie gehörte aber auch nicht zur linken Szene. Die Studentin Ursula, genannt Röschen, hing halt so rum –ziellos und finanziell gut versorgt. Als Trittin im Wollpullover gegen das Establishment agierte, entdeckte die polizeigeschützte Tochter des Ministerpräsidenten das Hippietum als unpolitischen Lifestyle. Trittin kostet die Vorstellung aus, denn sie trifft die CDU-Politikerin da, wo sie am verletzlichsten ist: Ursula von der Leyen geht es nie um die Politik, sondern immer nur um sich selbst, sagen ihre Kritiker.

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Was Ursula von der Leyen wirklich will, wie sie so steil aufsteigen konnte und wohin ihr Weg noch führt, damit beschäftigen sich zwei Bücher, die in dieser Woche erscheinen. Das eine haben zwei Journalisten der "Zeit" geschrieben, Peter Dausend und Elisabeth Niejahr. Das andere stammt Ulrike Demmer und Daniel Goffart vom "Focus". Das Buch, das Jürgen Trittin vorstellt, ist das der "Zeit"-Autoren. Die "Focus"-Kollegen haben den früheren General Harald Kujat für ihre Buchvorstellung gewonnen. Die beiden Veranstaltungen finden an aufeinanderfolgenden Tagen im Berliner Regierungsviertel statt, gerade einmal einen Kilometer von einander entfernt. Die Geschichte der Verteidigungsministerin erzählen alle vier Autoren ähnlich. Trotzdem sind die Bücher höchst unterschiedlich und deuten die Person von der Leyen fast gegensätzlich.

Geringes Interesse an politischen Inhalten?

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Kujat hat seinen ganz eigenen Blick auf die Ministerin. Schon sechs Monate nach ihrem Amtsantritt bescheinigte er ihr öffentlich, keine Ahnung vom Militär zu haben. Und bis heute will er diese Kritik nicht zurücknehmen. Obwohl er eigentlich eine Biographie vorstellen soll, gleitet er ab in die verzwickten Details des Beschaffungswesens. Ihm ist noch immer nicht begreiflich, warum Angela Merkel keinen Sicherheitspolitiker für diese Aufgabe auswählte. Es ist für ihn ein Unding, dass das Verteidigungsministerium als Sprungbrett für eine ambitionierte Karrierepolitikerin herhalten muss.

Und als Karrierepolitikerin kommt Ursula von der Leyen im Buch der "Focus"-Autoren rüber: Als sie das Verteidigungsministerium übernahm, habe sie es erst einmal nach PR-tauglichen Themen durchforstet. Um einen Aufhänger für eine Medienkampagne zu finden, fragte sie bei den Generälen angeblich sogar, ob die Bundeswehr nicht in der Lage sei, die von Boko Haram in Nigeria entführten Mädchen zu befreien. Autorin Ulrike Demmer sagt, viele ihrer Gesprächspartner seien voller Hochachtung für die Leistungen von der Leyens. "Aber ihr inhaltliches Interesse an Politik ist zumindest gering ausgeprägt." Im Arbeitsministerium sei dieses Desinteresse nicht so aufgefallen, im Verteidigungsministerium schon. Kujat nickt.

Die "Zeit"-Journalisten sehen das ganz anders. Sie beschreiben von der Leyen zwar als kühle Strategin und widmen sich viel mehr den Mechanismen ihres Erfolgs als ihrer persönlichen Geschichte. Aber sie wolle dabei immer etwas bewegen, sagen sie. Immerhin habe sie für die Frauenquote ihre Karriere aufs Spiel gesetzt. Immerhin habe sie eine Debatte über Auslandseinsätze angestoßen, obwohl das Thema nicht populär ist. Von der Leyen will demnach nicht nur die Interessen der CDU-Mitglieder zu Politik verarbeiten, sondern hat ihre eigene Meinung und will andere davon überzeugen. Bei der Frauenquote zwang sie die CDU hinter sich, in Sachen Auslandseinsätze will sie gleich die Haltung der ganzen Gesellschaft verändern. Keine Spur von "hippieskem Abhängen" mehr.

Die Machtwechsel-Theorie

Nicht nur darin unterscheiden sich die beiden Bücher. Die "Zeit"-Journalisten analysieren in "Operation Röschen: Das System von der Leyen" den politischen Erfolg der Ministerin. Die "Focus"-Redakteure haben mit "Kanzlerin der Reserve: Der Aufstieg der Ursula von der Leyen" vor allem eine Biographie vorgelegt.

Es ist kein Zufall, dass sich gleich zwei Bücher mit Ursula von der Leyen beschäftigen. Angela Merkel ist bald seit 10 Jahren Bundeskanzlerin und sie hat sich angeblich selbst versprochen, ihren Abgang kontrolliert zu gestalten. Keinem ihrer Vorgänger ist das gelungen, alle wurden abgewählt. Wann also wird sie übergeben? Die Theorien dazu sind in beiden Büchern ähnlich, sie beruhen auf dem, was zwischen Politikern und Journalisten in Berlin kursiert. Die wahrscheinlichste Variante soll diese sein: Angela Merkel tritt zur Bundestagwahl 2017 noch einmal an. Dass sie die Wahl gewinnt, scheint jetzt schon festzustehen. Danach beendet sie die Große Koalition und sucht sich wieder einen kleinen Koalitionspartner. Laut Demmer und Goffard würde sie am liebsten zur FDP zurückkehren, laut Dausend und Niejahr fände sie Schwarz-Grün spannend. Nur mit einem kleinen Koalitionspartner könnte sich Merkel in der Mitte der Legislaturperiode zurückziehen, ohne dass es zu Neuwahlen käme. Die SPD würde einen Kanzlerwechsel kaum mit sich machen lassen.

Nach dieser Theorie braucht die CDU also ungefähr 2019 einen neuen Kanzlerkandidaten. Der Name von der Leyen drängt sich auf. Zum einen, weil sie viel Erfahrung hat und eine steile Karriere hinlegte. Sie leitet nun ihr drittes Bundesministerium. Wenn sie die kommenden Jahre fehlerfrei bestreitet, ist ihre Kompetenz kaum anzuzweifeln. Zum anderen fehlt es an Alternativen: Die CDU stellt derzeit nur vier Ministerpräsidenten, als kanzlerfähig wird von diesen höchstens Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland eingestuft. Die rheinland-pfälzische Parteichefin Julia Klöckner muss sich erst noch beweisen. In der Bundesregierung ist Wolfgang Schäuble wohl zu alt und Peter Altmaier zu unbekannt. Thomas de Maizière gilt als einer der Favoriten, seine Versetzung vom Verteidigungs- ins Innenministerium wurde allerdings als Degradierung gedeutet. Es bleibt Ursula von der Leyen.

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Quelle: ntv.de

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