Politik

Lkw-Fahrer rast durch Menschenmenge Mindestens 84 Menschen sterben bei Attentat in Nizza

Der französische Nationalfeiertag endet mit einem blutigen Anschlag: In Nizza rast ein Lkw-Fahrer durch eine Menschenmenge - erst nach zwei Kilometern kann er gestoppt werden. Zudem schießt er auf Menschen. Dutzende Menschen sterben, viele werden verletzt. Staatschef Hollande spricht von einem Terrorakt.

Am Abend des Nationalfeiertags ist Frankreich erneut zum Ziel eines schweren Anschlags mit vielen Toten geworden: Ein Lkw-Fahrer steuerte sein Fahrzeug am Donnerstagabend auf der Uferpromenade in Nizza ungebremst in eine Menschenmenge, die dort das Feuerwerk zum Abschluss des Feiertags verfolgt hatte. Nach offiziellen Angaben wurden 84 Menschen getötet und viele weitere verletzt. Präsident François Hollande bezeichnete die Tat als "terroristisch". Er kündigte eine Verlängerung des Ausnahmezustands und die Einberufung von Reservisten an. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Auch Hinweise auf Komplizen des Täters gab es zunächst nicht.

Das Wichtigste in Kürze
  • In Nizza rast ein Lkw auf der Promenade des Anglais mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge.
  • Nach zwei Kilometern erschießt die Polizei den Fahrer.
  • Mindestens 84 Menschen sterben - darunter auch Kinder.
  • 18 Personen werden schwer verletzt.
  • Im Laster werden die Ausweispapiere eines Franko-Tunesiers gefunden. Die Papiere sind angeblich auf einen in Nizza gemeldeten 31-Jährigen ausgestellt.
  • Frankreich verlängert den Ausnahmezustand.

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Nach Schilderungen von Polizei und Augenzeugen ging der Fahrer des Lastwagens mit großer Kaltblütigkeit vor: Er raste auf der Promenade des Anglais mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge und setzte seine Fahrt noch rund zwei Kilometer fort, ehe die Polizei ihn erschoss. Augenzeugen berichteten von einem regelrechten Zick-Zack-Kurs, mit dem der Fahrer so viele Menschen wie möglich erfassen wollte. Der Angreifer eröffnete zudem mit einer Pistole das Feuer, verlautete aus Ermittlerkreisen. Auch Regionalpräsident Christian Estrosi sagte, der Mann habe "mehrfach geschossen". Estrosi hatte außerdem gesagt, in dem 19-Tonner seien "schwere Waffen" gefunden worden. Aus Ermittlerkreisen hieß es, es seien eine nicht funktionsfähige Granate und Waffenattrappen entdeckt worden.

Ausweispapiere gefunden

Hinter sich ließ der Attentäter eine Spur der Verwüstung. Auf der Uferpromenade lagen nach der Attacke Dutzende Tote aufgereiht, bedeckt von weißen Tüchern. Für 9:00 Uhr berief Hollande eine Sitzung des für Sicherheit und Verteidigung zuständigen Kabinetts ein. Anschließend wollte er mit Ministerpräsident Manuel Valls nach Nizza reisen. Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen.

Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, es seien 84 Menschen getötet worden. Es gebe 18 Schwerstverletzte. Unter den Toten sind nach Hollandes Worten mehrere Kinder. Im Tatfahrzeug wurden die Ausweispapiere eines Franko-Tunesiers gefunden. Die Papiere seien auf einen in Nizza gemeldeten 31-Jährigen ausgestellt, hieß es aus Polizeikreisen. Bislang sei nur bekannt, dass der Mann 1985 in Nizza geboren wurde. "Die Identifizierung des Lkw-Fahrers dauert noch an", hieß es weiter. Er sei der Polizei wegen allgemeiner Vergehen bekannt gewesen. Im Visier der Geheimdienste habe er aber nicht gestanden.

Das weiße Fahrzeug sei vor einigen Tagen in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur gemietet worden, meldete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittlerkreise. Nach einem Bericht der Zeitung "Le Figaro" war der Fahrer allein in dem Fahrzeug. Der Lastwagen habe auf seiner zwei Kilometer langen Fahrt durch die Menge mindestens einmal die Richtung geändert. Eine Meldung, dass der Attentäter "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben soll, erwies sich als falsch.

Feuer auf Polizei eröffnet

Der Fahrer habe mit einer Pistole durch die Windschutzscheibe seines Fahrzeugs geschossen, sagte ein englischsprachiger Mann, der seinen Namen mit Nader angab, dem französischen Sender BFMTV. Polizisten hätten ihn aufgefordert wegzulaufen, weil er in den Schusswechsel geraten war, sagte der Mann. Der Fahrer habe nervös gewirkt. "Er trug eine blaue Uniform", berichtete der Augenzeuge. Zunächst hätten er und ein anderer Passant angenommen, dass der Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hätte. Erst später hätten sie realisiert, dass er willentlich in die Menschenmenge gerast war.

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Die Spurensicherung untersucht den Lkw, dessen Frontscheibe zahlreiche Einschusslöcher aufweist.

(Foto: AP)

"Wir sahen, wie Leute getroffen wurden und wie Gegenstände umherflogen", berichtete AFP-Journalist Robert Holloway, der sich zu dem Zeitpunkt vor Ort befand. Die Menschen rannten in Panik auseinander. "Die Leute haben geschrien", sagte Holloway. "Es war das absolute Chaos." "Die Leute sind umgefallen wie Kegel", sagte ein Augenzeuge dem Sender "France Info". "Der Lkw kam im Zickzack die Straße entlang. Wir rannten in ein Hotel und versteckten uns mit vielen anderen Leuten auf der Toilette", sagte eine Augenzeugin dem Sender.

Eine andere Frau sagte, sie habe sich mit etwa 200 anderen Leuten in einem Restaurant an der Promenade versteckt, wo sich die Lage etwa zwei Stunden nach dem Angriff beruhigt habe. "Es ist eine Szene des Schreckens", sagte der lokale Abgeordnete Eric Ciotti zu "France Info". Der Lastwagen sei über den Bürgersteig gerast und habe "mehrere hundert Leute niedergemäht", bevor ihn die Polizei gestoppt habe.

Der Präsident wandte sich noch in der Nacht in einer Fernsehansprache an die Nation, die in den vergangenen Monaten von einer ganzen Serie von Anschlägen verunsichert wurde. Der "terroristische Charakter" des Angriffs könne nicht geleugnet werden, sagte der sichtlich erschütterte Präsident. "Ganz Frankreich ist vom islamistischen Terrorismus bedroht." Der Präsident stellte in Aussicht, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien zu verstärken. Der nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 verhängte Ausnahmezustand solle erneut um drei Monate verlängert werden, kündigte der Präsident an. Eigentlich hätte der Notstand Ende Juli auslaufen sollen.

Zudem kündigte der Präsident die Einberufung von Reservisten an, um die Ränge von Polizei und Gendarmerie zu stärken. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem Land würden weiter verstärkt. Die Feierlichkeiten in Frankreich zum Nationalfeiertag am 14. Juli hatten wegen der Anschlagsgefahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. Allein in der Hauptstadt Paris waren 11.500 Polizisten im Einsatz.

Gauck ist "entsetzt"

Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich erschüttert über die Attacke. Er sprach von einem "brutalen Anschlag auf friedlich feiernde Menschen", der ihn "mit Entsetzen" erfülle. US-Präsident Barack Obama verurteilte die Attacke von Nizza und sprach von einem offenbaren "schrecklichen Terroranschlag". Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Tat als "barbarischen und feigen Akt des Terrorismus".

Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Frankreich die volle Solidarität Deutschlands zu. "Deutschland steht im Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs", sagte sie am Rande des Asem-Gipfels im mongolischen Ulan Bator. "Und ich bin sehr überzeugt, dass trotz aller Schwierigkeiten wir diesen Kampf gewinnen werden." Alle Teilnehmer des Gipfels seien "vereint in der Fassungslosigkeit über den massenmörderischen Anschlag in Nizza". Der Gipfel begann mit einer Schweigeminute für die Opfer des Anschlags. "Heute stehen wir alle - Europa und Asien - an der Seite der Franzosen und ihrer Regierung", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Ulan Bator.

In Frankreich herrscht seit den islamistischen Anschlägen vom 13. November der Ausnahmezustand. Attentäter hatten bei Attacken auf das Fußballstadion Stade de France, den Pariser Musikclub Bataclan und eine Reihe von Bars und Restaurants 130 Menschen getötet. Zum schwersten Anschlag in der Geschichte Frankreichs bekannte sich der Islamische Staat. Während der kürzlich zu Ende gegangenen Fußball-Europameisterschaft hatte ein Mann, der sich zum IS bekannte, nahe Paris einen Polizisten und dessen Partnerin umgebracht. Das Turnier fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt - wie auch die Feiern zum Nationalfeiertag.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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