Politik

Botschaft aus Berlin geht um die Welt Obama verkündet neue Abrüstungsschritte

Mit der Ankunft der Obamas beim Gala-Dinner in Schloss Charlottenburg beginnt der letzte Teil des Deutschlandbesuchs des US-Präsidenten.

Mit der Ankunft der Obamas beim Gala-Dinner in Schloss Charlottenburg beginnt der letzte Teil des Deutschlandbesuchs des US-Präsidenten.

(Foto: REUTERS)

US-Präsident Obama erinnert in seiner mit Spannung erwarteten Rede am Brandenburger Tor in Berlin an den Mauerfall 1989: "Keine Mauer kann dem Drang nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit standhalten." Russland fordert er auf, gemeinsam die Zahl der Atomwaffen zu verringern. Nach einem festlichen Abendessen im Schloss Charlottenburg starteten die Obamas per Nachtflug zurück nach Washington.

Nach seinem Arbeitsbesuch in Berlin hat US-Präsident Barack Obama die deutsche Hauptstadt am Mittwochabend wieder verlassen. Die US-Regierungsmaschine Air Force One mit der Präsidentenfamilie an Bord hob kurz nach 22 Uhr auf dem Flughafen Tegel ab - Richtung Washington. Damit endete ein etwa 25-stündiger Berlin-Besuch der Obamas.

Unter anderem hatte der US-Präsident am Nachmittag eine Rede vor tausenden geladenen Gästen vor dem Brandenburger Tor gehalten und dabei eine drastische Reduzierung der atomaren Sprengköpfe angeregt. Die Sicherheit Amerikas und seiner Verbündeten könne auch bei einer solch starken Reduzierung noch sichergestellt werden, sagte Obama in seiner Rede an die Welt, die in viele Länder live übertragen wurde. Für 2016 - kurz vor dem Ende seiner Amtszeit - kündigte er einen Atom-Gipfel an. "Wir werden einen internationalen Rahmen schaffen für die friedliche Nutzung der Kernkraft und um die Ambitionen Nordkoreas und Irans bezüglich der Kernkraft in Grenzen zu halten", sagte der US-Präsident.

Berlin gleicht in diesen Stunden einem Hochsicherheitstrakt. Rund um das Brandenburger Tor haben Polizei und die eingeflogenen Einsatzkräfte vom Secret Service einen Sicherheitsring gezogen, den niemand ohne Legitimation passieren kann. Auf den Gebäuden rund um das Tor stehen Scharfschützen und Späher.

Alle Stationen des Besuchs erleben Sie im n-tv.de Liveticker.

Obama erinnert an 1989

"Unter Freunden kann man informell sein."

"Unter Freunden kann man informell sein."

(Foto: dpa)

Obama würdigte in seiner Rede auch den Aufstand in der DDR vor fast genau 60 Jahren. Die Aufständischen nannte er die Helden vom 17. Juni 1953 und sagte: "Als die Mauer schließlich fiel, waren ihre Träume endlich erfüllt." Er sei stolz, auf der Ostseite des Brandenburger Tors reden zu können, betonte der US-Präsident. "Die Offenheit hat gesiegt, die Toleranz, der Frieden, hier in Berlin. Wie ich bereits sagte, sehen Angela und ich nicht gerade unseren Vorgängern im Amt ähnlich. Aber die Tatsache, dass wir heute hier stehen können, an dieser Trennlinie, wo eine Stadt gespalten war, spricht für sich. Ich fühle mich so wohl hier, dass ich mein Jackett ausziehen werde. (...) Wir können im Freundeskreise auch informell sein."

Die Hitze am Brandenburger Tor ist zur Zeit der Rede unerträglich. Besucher hatten keine Flaschen mit in das abgesperrte Areal nehmen dürfen, wurden aber mit Getränken aus Wasserspendern versorgt. Immer wieder zogen kleine Trupps von Sanitätern in die Menge, um Menschen zu behandeln, die unter der Hitze litten. "Das ist ganz normal bei dem Wetter", berichtete einer der medizinischen Helfer. "Wir haben den mächtigsten Mann der Welt gesehen", sagte ein Schüler nach der Rede noch ganz aufgeregt. Über drei Stunden mussten sie dafür in der Hitze stehen, doch das habe sich gelohnt.

Obama zitiert Kennedy

Auch Rösler und Westerwelle fühlten sich so frei und legten ab.

Auch Rösler und Westerwelle fühlten sich so frei und legten ab.

(Foto: dpa)

Obama hob seiner Rede hervor, dass der Kampf um Freiheit und Sicherheit anhalte. "Die Prüfungen unseres Zeitalters verlangen von uns den gleichen Kampfgeist, den Berlin vor einem halben Jahrhundert gekennzeichnet hat", sagte er. Obama erinnerte an die Kennedy-Rede. Dieser habe die Menschen auch aufgefordert, den Blick zu heben auf einen Frieden für alle. "Wir sind nicht nur Bürger Deutschlands oder Amerikas, sondern auch Weltbürger", rief der Präsident unter dem Applaus der Zuhörer. Obama wandte sich gegen Diskriminierung und hob die Bedeutung von Glaubensfreiheit hervor. Er sprach sich auch für eine weitgehende rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen aus. Deren Liebe müsse vor dem Gesetz gleichgestellt werden.

Der US-Präsident forderte zudem einen "globalen Pakt gegen Klimawandel" und kündigte an, die USA wollten ihre Bemühungen dazu verstärken. "Wir müssen uns an die Arbeit machen", sagte er in seiner Rede, in der er vielfach das Motto "Frieden mit Gerechtigkeit" betonte.

Russland ist nicht beeindruckt

Die Führung in Russland reagierte zurückhaltend auf Obamas Angebot. Das Gleichgewicht der strategischen Abschreckung in der Welt müsse gewahrt bleiben, sagte Kremlchef Wladimir Putin in St. Petersburg. Auch dürfe die "Effektivität unserer Atomstreitmacht nicht geschwächt werden". Daher bleibe die Schaffung eines Luft- und Raumabwehrsystems eine Priorität der russischen Militärindustrie. Zudem drängt Russland darauf, dass auch die anderen Atommächte an den Atomrüstungsverhandlungen beteiligt würden. Die Situation sei anders als in den 60er und 70er Jahren, als nur die USA und die Sowjetunion beteiligt waren.

40 Minuten mit Steinbrück

Steinbrück und Obama hatten keinen weiten Weg bis zu ihren Sesseln.

Steinbrück und Obama hatten keinen weiten Weg bis zu ihren Sesseln.

(Foto: dpa)

Nach der Rede am Brandenburger Tor kam Obama mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück zum Meinungsaustausch in der Repräsentanz der Commerzbank am Pariser Platz zusammen. Die Atmosphäre in den wirkte locker und entspannt. Zu den Inhalten der Gespräche wurde zunächst nichts bekannt. Steinbrück, der ausgezeichnet Englisch spricht, bekannte sich zu einem engen transatlantischen Verhältnis. Mit Blick auf eine härtere Verfolgung von Steuersündern hatte Steinbrück die USA wiederholt als Vorbild bezeichnet - etwa durch einen automatischen Datenaustausch mit Steuerparadiesen.

Steinbrück empfahl Obama das Buch "In the Garden of Beasts: Ein amerikanischer Botschafter in Nazi-Deutschland" von Erik Larson. Obama habe die Buchbestellung umgehend bei US-Botschafter Philip Murphy in Auftrag geben, hieß es. Als Gastgeschenk hatte Steinbrück ein gerahmtes Foto dabei, dass US-Präsident John F. Kennedy und Berlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt bei einer Autofahrt durch West-Berlin im Rahmen von Kennedys Besuch vor 50 Jahren zeigt. Obama hatte sich auch für Steinbrücks Beweggründe, in die SPD einzutreten, interessiert, sowie nach seiner Einschätzung der wahlentscheidenden Themen gefragt. Dieser sieht unter anderem soziale Fragen und den Einsatz gegen ein Auseinanderdriften der Gesellschaft als große Aufgabe.

Obama verteidigt "Prism"

Obama und Merkel auf der Terrasse des Kanzleramts.

Obama und Merkel auf der Terrasse des Kanzleramts.

(Foto: AP)

Ungeachtet der Verstimmungen über amerikanische Abhöraktionen im Internet übten Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Schulterschluss. Beide betonten nach ihrem Treffen, dass die USA und Deutschland bei einer ganzen Reihe von internationalen Themen wie Freihandel, Afghanistan, Syrien oder der Überwindung der Wirtschaftskrise an einem Strang zögen.

Obama verwies darauf, dass bei der Telekommunikations-Überwachung keine Inhalte abgefragt würden. "Das ist kein Abhörverfahren", so Obama. Zudem seien die Maßnahmen an richterliche Beschlüsse gebunden und würden durch Gerichte überwacht. Das Ziel sei es, Leben zu retten. Obama verwies darauf, dass 50 konkrete Bedrohungen dadurch vereitelt worden seien.

Obama will die amerikanischen Nachrichtendienste anweisen, eng mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, damit es keine Missverständnisse mehr gebe. Zudem solle die Öffentlichkeit künftig besser über diese Vorgänge informiert werden.

Merkel skeptisch

Merkel räumte mögliche Bedrohungen und Missbrauch des Internets durch "Feinde und Gegner" ein. Sie hob auch hervor, dass Deutschland die Zusammenarbeit mit den USA in Fragen der Sicherheit schätze. "Ich habe aber auch deutlich gemacht, dass bei aller Notwendigkeit das Thema der Verhältnismäßigkeit ein wichtiges Thema ist." Es handele sich um eine Frage der Balance.

Sie habe mit Obama einen offenen Informationsaustausch zu dem Thema vereinbart. "Dieser Dialog wird weitergehen", sagte sie. Die Debatte über die Überwachungsprogramme nahm in der rund eineinhalbstündigen Begegnung offenbar breiten Raum ein. "Wir haben sehr lange und sehr ausführlich darüber gesprochen und sehr intensiv", sagte Merkel.

Deutschland nicht Ausgangspunkt für Drohnenangriffe

Die Proteste wurden außerhalb der Sichtweite Obamas abgehalten.

Die Proteste wurden außerhalb der Sichtweite Obamas abgehalten.

(Foto: AP)

Zugleich dementierte der US-Präsident, dass Drohnenangriffe der USA von Deutschland aus gesteuert würden. "Ich kann bekräftigen, dass wir Deutschland nicht als Ausgangspunkt für unbemannte Drohnen verwenden, Drohnen, die dann auch Teil unserer Aktivitäten im Bereich der Terrorismusbekämpfung sind", sagte er.

Deutsche Medien hatten Ende Mai berichtet, dass die Drohnen-Angriffe gegen Terroristen in Somalia von dem Afrika-Kommando der US-Streitkräfte in Stuttgart gesteuert werden. Die Bundesregierung hatte erklärt, keine Kenntnis davon zu haben. Menschenrechtler kritisieren die gezielten Tötungen als Verstoß gegen das Völkerrecht. Sie sehen darin Hinrichtungen ohne Gerichtsprozess.

Obama betonte, dass es sehr strenge Regeln für die Drohnen-Angriffe gebe. Merkel ging auf die Medienberichte nicht direkt ein. Sie betonte lediglich, dass US-Militärbasen in Deutschland eine wichtige Funktion für den Kampf gegen den Terrorismus hätten.

Die Entscheidung über die Angriffe wird im Weißen Haus in Washington getroffen, die Piloten sitzen in der Regel auch in den USA. Laut ARD und "Süddeutscher Zeitung" sind aber auch US-Militärs in Deutschland beteiligt. Über eine Satellitenanlage in Ramstein sollen die Piloten den Kontakt zu den Kampfdrohnen halten. Für die Planung und Koordination der Einsätze ist den Berichten zufolge das US-Kommando "Africom" in Stuttgart mit seinen 1500 militärischen und zivilen Mitarbeitern zuständig.

Merkel und Obama loben Freihandelsabkommen

Ein weiteres Thema des Besuchs war das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. Merkel sagte dabei den vollen Einsatz Deutschlands zu. Die Volkswirtschaften diesseits und jenseits des Atlantiks würden von diesem Abkommen profitieren, zudem sei es ein Bekenntnis zu gemeinsamen Werten, sagte Merkel. Die Kanzlerin unterstrich die guten Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. "Wir haben eine freundschaftliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Dafür möchte ich mich bedanken", sagte sie an Obama gewandt.

Auch Obama betonte die Bedeutung des Freihandelsabkommens. Wenn die Verhandlungen erfolgreich seien, würden auf beiden Seiten des Atlantiks tausende Arbeitsplätze entstehen. Im Welthandel würde es dann mehr Wettbewerb und höhere Standards geben: "Davon profitieren alle", sagte der US-Präsident. Sein Land habe Jahre der schlimmsten Rezession durchgemacht und wolle nun die Chance nutzen, stärker aus der Krise herauszukommen. Deutschland sei der wichtigste Handelspartner in Europa für die USA, unterstrich Obama.

Obama trat zudem Befürchtungen entgegen, die USA würden sich stärker nach Asien orientieren und von Europa abwenden. "Die Beziehungen zu Europa bleiben der Eckstein unserer Sicherheit und Freiheit", sagte er.

Obama drängt Berlin zu mehr Engagement

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Ist Obama ein guter US-Präsident?

Obama forderte Deutschland zu einem gemeinsamen internationalen Engagement mit den USA für mehr demokratische Entwicklung weltweit auf. Es müsse gewährleistet werden, dass weitere Mauern weltweit verschwinden. "Das können wird nur gemeinsam tun". Zum Thema Syrien sagte er, man sei "vereint in dem Wunsch, eine Verhandlungslösung zu sehen"."Jetzt muss das Blutvergießen enden."

Der US-Präsident verteidigte auch die geplanten Friedensgespräche der USA mit den afghanischen Taliban. Auf die Kritik des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai daran reagierte der er gelassen. "Wir wussten, dass es Spannungen geben würde", sagte er. Es herrsche großes Misstrauen in Afghanistan, betonte Obama. "Wir sind mitten im Krieg". Trotzdem rief er dazu auf, den Prozess der Verständigung zwischen den Konfliktparteien fortzusetzen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International demonstrierte aus Anlass des Besuchs gegen das Gefangenlager Guantánamo. In orangener Häftlingskleidung mahnten die Aktivisten die Schließung des US-Gefangenenlagers auf Kuba an, wie der Veranstalter am Mittwoch sagte. An der dreistündigen Aktion am Potsdamer Platz nahmen 40 Menschen teil. Laut Polizei blieb die Aktion ruhig. Obama hat sein Versprechen, das umstrittene Gefangenenlager zu schließen, bisher nicht eingelöst

Hohe Sicherheitsstufe in Berlin

First Lady Michelle Obama und ihre beiden Töchter Sasha und Malia sind ebenfalls in Berlin. Hier besuchten sie mit dem Ehemann der Kanzlerin, Joachim Sauer, und Auma Obama, der älterem Halbschwester Obamas, die Gedenkstätte Berliner Mauer. Zuvor hatten sie bereits das Holocaust-Mahnmal und den Checkpoint Charlie besichtigt.

Aus Sorge vor einem Anschlag sind bis zu 8000 Polizisten im Einsatz. In der Hauptstadt gilt die höchste Sicherheitsstufe 1+, viele Straßen und Plätze sind gesperrt. Die zentralen Stationen des Besuchs sind extrem gesichert.

Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren hatte der damalige US-Präsidenten John F. Kennedy den Satz "Ich bin ein Berliner" gesagt, der in die Geschichtsbücher einging. Obama war vor fünf Jahren schon einmal als Präsidentschaftskandidat in Deutschlands Hauptstadt, als Staatsoberhaupt aber noch nie.

Quelle: ntv.de, pp/ghö/dpa/AFP/rts

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