Wenn Assad abtritt Opposition bietet Gespräche an
16.02.2012, 10:05 Uhr
Unter dem Bürgerkrieg in Syrien leidet vor allem die Zivilbevölkerung.
(Foto: REUTERS)
Der im Exil agierende Syrische Nationalrat will mit Kräften des herrschenden Regimes verhandeln. Allerdings sei Voraussetzung, dass der heutige Präsident Assad zurücktrete. Dazu fordern die Oppositionellen ein geeintes Vorgehen der Weltgemeinschaft. In New York steht eine Resolution gegen die Assad-Regierung in der Uno-Vollversammlung zur Abstimmung. Und erneut droht, dass zwei wichtige Mächte ausscheren.
Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) ist nach Angaben eines führenden Mitglieds bereit zu einem Dialog mit Vertretern der regierenden Baath-Partei. Voraussetzung für Gespräche sei jedoch der Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad, sagte Abdelbaset Seda in der katarischen Hauptstadt Doha. Auch mit einigen Vertretern der Regierung, die nicht zum Machtzirkel des Assad-Clans gehörten, sei ein Dialog möglich, betonte er am Rande eines Treffens des SNC-Exekutivbüros.
Seinen Angaben zufolge erwartet der SNC, nach einem für kommende Woche geplanten Treffen der Gruppe der Freunde Syriens von zahlreichen Staaten als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannt zu werden. Das Treffen findet in Tunesien statt.
Trotz der vielen Todesopfer der vergangenen Wochen sei der SNC noch immer gegen eine Militärintervention in Syrien. Die internationale Gemeinschaft sei vielmehr aufgefordert, Assad zum Rücktritt zu drängen, betonte Seda. Dafür sei es notwendig, "dass sie mit einer Stimme spricht".
USA: Referendum ist "lächerlich"
Andere Kräfte der Opposition wiesen den Verfassungsentwurf zurück, über den Assad abstimmen lassen will. Der Text folge demselben "Geist" wie die bisherige Verfassung, erklärten die Lokalen Koordinierungskomitees (LCC), die seit Monaten die Proteste gegen Staatschef Baschar al-Assad organisieren. Der Entwurf billige dem Präsidenten weiterhin "uneingeschränkte Vorrechte" zu und erhebe ihn zu einem "absoluten und ewigen Führer".
Die USA bezeichneten das angekündigte Referendum als "lächerlich". "Es verhöhnt die syrische Revolution", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. "Reformversprechen folgte bisher gewöhnlich eine Zunahme der Brutalität und sie wurden von diesem Regime seit Beginn der friedlichen Proteste in Syrien nie umgesetzt."
Die Tage Assads seien gezählt, meinte Carney. Dies werde schon durch die Absetzbewegung in der Führung in Damaskus deutlich. "Mitglieder des Regimes, die militärische und zivile Führung, demonstrieren ihr Vertrauen in die eigene Zukunft - oder ihr mangelndes Vertrauen in die Zukunft Assads, indem sie ihren Besitz außer Landes schaffen, indem sie sich darauf vorbereiten, ihre Familien aus dem Land zu schicken." Syriens Zukunft finde ohne Assad statt, sagte der Präsidentensprecher. "Es geht nicht ums ob, es geht ums wann."
Russland will Erklärung abschwächen
Assad hatte am Mittwoch den Termin für das Verfassungsreferendum auf den 26. Februar festgesetzt. Staatsmedien zufolge soll mit der neuen Verfassung der Führungsanspruch der seit fast 50 Jahren regierenden Baath-Partei abgeschafft werden. Dies ist eine zentrale Forderung der Opposition. Allerdings fordern die Regierungsgegner darüber hinaus den Rücktritt Assads von der Staatsspitze. Der Präsident geht seit fast einem Jahr mit aller Härte gegen die Protestbewegung gegen seine autoritäre Führung vor.
Indessen steht die Uno-Vollversammlung kurz vor der Abstimmung über eine Resolution gegen das Assad-Regime. Bis zuletzt versuchte Russland, die Erklärung abzuschwächen. Die gewünschten Änderungen seien von arabischen Staaten abgelehnt worden, sagten mehrere Vertreter westlicher Länder.
Russland habe unter anderem darauf bestanden, dass die syrische Opposition im gleichen Maße wie die Regierung Assad für die Gewalt verantwortlich gemacht werden müsse. Zudem hätte eine Passage hinzugefügt werden sollen, die einen Rückzug der Armee aus den Städten nur dann vorgesehen hätte, wenn vorher die Opposition ihre Angriffe eingestellt habe.
Resolution völkerrechtlich nicht bindend
Der von Saudi-Arabien verfasste und von Ägypten eingebrachte Resolutionsentwurf fordert die vollständige Umsetzung des Friedensplans der Arabischen Liga. Dazu zählen ein sofortiges Ende der Gewalt und der bedingungslose Rückzug der Armee aus den Wohngebieten. Der Resolutionsentwurf für die Generalversammlung sieht zudem die Entsendung eines Sondergesandten nach Syrien durch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor.
Eine ähnliche Syrien-Resolution war vor kurzem am Widerstand von Russland und China im UN-Sicherheitsrat gescheitert. In dem Gremium gibt es keine Veto-Möglichkeiten, eine Resolution wäre aber völkerrechtlich nicht bindend.
China will nach eigenem Bekunden im Syrien-Konflikt vermitteln. Das Außenministerium in Peking gab am Donnerstag bekannt, den arabisch sprechenden Vizeaußenminister Zhai Jun zu einem zweitägigen Besuch nach Syrien zu schicken. Zhai solle während seines Aufenthalts am Freitag und Samstag eine "konstruktive Vermittlerrolle" übernehmen, sagte ein Sprecher. Peking hoffe auf eine "friedliche und richtige Lösung" des Konflikts in Syrien.
Türkei will Hilfskorridor
Die Gewalt in Syrien hat vor der Abstimmung über eine Resolution in der UN-Vollversammlung noch einmal zugenommen. Aktivisten meldeten am Donnerstag, seit Mittwoch seien 56 Menschen ums Leben gekommen. In der Provinz Daraa sollen bei einem Gefecht zwischen Deserteuren und Regierungstruppen am Donnerstag drei Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden sein. Aus der Protesthochburg Hama wurden neue Festnahmen gemeldet.
Angesichts der Notlage der Zivilbevölkerung in Syrien hat spricht sich die Türkei für die Einrichtung eines humanitären Hilfskorridors durch die Vereinten Nationen aus. Die UNO solle nicht nur in politischen Fragen in Syrien aktiv werden, sondern auch zur Linderung humanitärer Probleme beitragen, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu . Aus diplomatischen Kreisen verlautete, der Hilfskorridor solle so weit nach Syrien hineinreichen wie möglich. Auch Frankreich verlangt die Einrichtung eines solchen Korridors.
Nach Angaben von Davutoglu hat die Türkei den UN-Menschenrechtsrat in Genf aufgefordert, Möglichkeiten für die humanitäre Hilfe in Syrien zu prüfen. Die Arabische Liga hatte eine UN-Friedenstruppe für Syrien gefordert. Eine klassische UN-Truppe kann aber nur dann entsandt werden, wenn das in Frage stehende Land selbst zustimmt. Im Fall von Syrien ist eine solche Zustimmung unwahrscheinlich. Davutoglu verwies auf das für den 24. Februar geplante Syrien-Treffen in Tunesien. Bei der Konferenz wollen Staaten, die für einen Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eintreten, als "Freunde Syriens" den Druck auf das Regime in Damaskus erhöhen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP