Israel in der Zwickmühle Solidaritätsfahrt mit Hindernissen
29.05.2010, 21:23 Uhr
Die Friedensflotte unternimmt einen neuen Anlauf.
(Foto: dpa)
Eine "Solidaritätsflotte" mit 800 pro-palästinensischen Aktivisten kann wegen des Defekts zweier Boote ihre Fahrt zum Gazastreifen erst mit rund eintägiger Verspätung fortsetzen. Ein Großaufgebot der israelischen Marine, Armee und Polizei will die Aktivisten aus 40 Ländern daran hindern.
Der Versuch, mit einer Flotte von acht Schiffen, mit 800 "Friedensaktivisten" an Bord, die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen, ist ins Stocken geraten. Von acht ursprünglich vorgesehenen Schiffen stecken drei wegen "Pannen" in einem Hafen im griechischen Teil Zyperns fest, darunter ein griechischer Frachter. Fünf Boote ankern vor der Küste der "Republik Nordzypern", dem von der Türkei besetzten Norden Zyperns.
Die Behörden des griechischen Teils Zyperns hatten den prominenten Teilnehmern von "Befreit Gaza" verboten, mit kleinen Booten in See zu stechen, um sich den vor Nordzypern ankernden fünf Schiffen anzuschließen. Zypern habe sogar Kampfhubschrauber eingesetzt, um die Küste zu überwachen. Bei den Prominenten handelt es sich um 35 Parlamentarier aus 15 Ländern und 20 Journalisten, einer Holocaust-Überlebenden und einem schwedischen Schriftsteller. Unter den Passagieren befinden sich auch der ehemalige Erzbischof Hilarion Capucci. Der wurde 1974 wegen "Waffenschmuggel an Terroristen" in Israel verhaftet und zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Flotte von "Befreit Gaza" wolle ohne diese Prominenten nicht in Richtung des Gazastreifens ablegen. Sie mussten auf dem Landweg in den türkisch besetzten Norden Zyperns wechseln.
Informationen über das Geschehen an Bord der Schiffe gelangen vor allem über Internet und Twitter in die Außenwelt. Wie der israelische Rundfunk meldete, herrsche "ziemliches Chaos" an Bord der wartenden Boote. Die Passagiere seien wegen der Verzögerungen "zunehmend ungeduldig".
Die Flotte wollte ursprünglich den Gazastreifen am Samstag bei Tageslicht erreichen. Weil aber die Fahrt von Zypern bis Gaza etwa 24 Stunden dauert und das Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit erreicht werden solle, sei wegen der technischen Pannen und der verweigerten Kooperation Zyperns nicht vor Montag mit einer Ankunft der Boote zu rechnen.
Diplomatische Verwicklungen

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Das israelische Außenministerium hatte am Freitag die Botschafter aller an dem "Freiheitsmarsch" beteiligten Länder vorgeladen. Die Botschafter Griechenlands und der Türkei hätten die israelischen Einwände "in den Wind geschlagen", hieß es in Medienberichten. Allein Zypern habe dem israelischen Wunsch stattgegeben, die Flotte von seinem Territorium aus nicht ablegen zu lassen.
Außenminister Avigdor Lieberman hatte am Freitag während eines Besuches des im Hafen von Aschdod eingerichteten "Empfangszeltes" für die Passagiere erklärt, dass der Versuch, die israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen, ein "Verstoß gegen die israelische Souveränität" und eine "gewalttätige Provokation" sei. Die Regierung hatte dem Militär die Weisung gegeben, die Flotte auf hoher See zu stoppen, die Schiffe nach Aschdod zu bringen und alle Teilnehmer zu verhaften. Die Ausländer unter den Demonstranten sollen eine von den Israelis vorformulierte Deklaration unterschreiben und dann auf dem Luftweg deportiert werden. Wer die Unterschrift verweigere, werde ins Gefängnis gesteckt.
Der israelische Marinekommandeur General Eliezer Marom erklärte, dass seine Soldaten beim Entern der Schiffe "physische Zusammenstöße" mit den Demonstranten vermeiden sollten. Einer der Organisatoren von "Befreit Gaza", der Israeli Dror Feiler, erklärte, dass es zivilen Widerstand geben werde. Die Teilnehmer wollen sich offenbar an die Schiffe ketten.
Während der israelischen Aktion solle das Gebiet "elektronisch gestört" werden, damit die mitreisenden Journalisten keine Bilder der Aktion live übertragen könnten. Einmal in Israel angekommen, sollen alle Passagiere befragt und identifiziert werden, um zu prüfen, "ob sich terroristische Elemente" unter ihnen befänden. Die Ladung der Schiffe solle auf Waffen und Sprengstoff durchsucht werden, teilweise sogar schon auf hoher See mit Schnüffelhunden beim Entern der Boote. Die Spezialeinheiten sollen teilweise von Hubschraubern abgeseilt werden.
Israel fühlt sich provoziert

Der Regierungschef der Palästinenser Ismail Haniya erwartet die Flotte in Hafen von Gaza.
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Israel hatte die Organisatoren aufgefordert, die Hilfsgüter auf dem Landweg über Israel und mit Hilfe der UNO in den Gazastreifen zu bringen. Ausgenommen seien Baumaterialien, damit die nicht der radikal-islamischen Hamas zur Errichtung von Bunkern in die Hände fallen. Die Organisatoren von "Befreit Gaza" schlugen das israelische Angebot jedoch aus. Ebenso hatten sie sich geweigert, ein Päckchen der Familie des seit Juni 2006 im Gazastreifen festgehaltenen Soldaten Gilad Shalit anzunehmen und an seine Geiselnehmer weiterzugeben.
In Israel wird vermutet, dass es den Friedensaktivisten gar nicht um humanitäre Hilfe für die "notleidende palästinensische Bevölkerung" gehe. Das wurde am Samstag durch eine Pressmitteilung der Organisation "Gaza Freiheitsmarsch" bestätigt: "Eine gewalttätige Antwort Israels würde der Palästina-Solidaritäts-Bewegung neues Leben einhauchen und die Aufmerksamkeit auf die Blockade lenken."
Quelle: ntv.de